Eine Analyse von Ulrich Reitz - Warum diese Wahl so typisch deutsch ist - und eine Weisheit über uns alle bestätigt
Olaf Scholz, in seiner Selbstwahrnehmung Deutschlands bester Bundeskanzler und Europas stärkster Regierungschef, ist bei dieser Wahl krachend abgewählt worden. Und weil mit ihm auch sein Vizekanzler die Quittung für dessen üble Bilanz bekommen hat, sind gleich beide Spitzenleute abgestraft worden. Und noch viel mehr als das.
Bundestagwahl: Die Deutschen haben einen Stil abgewählt
Abgewählt wurden von den Deutschen auch ein Stil und eine Mentalität und eine Haltung. Um es kurz zu machen:
- Multikulti hat fertig. ´
- Der Multilateralismus in der Außenpolitik ist erledigt, jetzt zählen wieder Macht und Interessen.
- Staatslenkung ist passé.
Das alles ist kein Rechtsruck, sondern eine Rückkehr zur Vernunft, wohl auch zur bürgerlichen Vernunft. Die Roten und die Grünen haben es unter der ideellen Führung der Grünen mit dem Linkssein und dem Woke-Sein übertrieben. Die Deutschen wollen das nicht.
Die Wahl bestätigt eine Weisheit über uns alle
So viel Einmischung von ideologisch gesteuerten Parteipolitikern in ihre persönlichen und finanziellen Angelegenheiten. Die Bevölkerungsmehrheit will nicht diese Besserwisserei, diese Belehrungen von einer Politik, die sich als Pädagogik missversteht, diese Arroganz der Macht durch eine mentallinke Oligarchie.
Ganz einfach, man kann es nachlesen bei Helmut Kohl und Gerhard Schröder: Die Deutschen wollen aus der Mitte regiert werden. Das ist eine gute Nachricht. Wäre es anders, dann müsste man wohl sagen: Deutschland ist „lost“. Das ist nun nicht so. Deutschland hat noch eine gute Chance, die Bevölkerung erwartet nun aber auch, dass die Politik das Ruder herumreißt.
Friedrich Merz muss vor allem Markus Söder danken
Das muss nun der neue Bundeskanzler machen. Friedrich Merz hat alles andere als ein überzeugendes Wahlergebnis geholt, genau betrachtet ist es vielmehr so: Die CDU holte um die 22 Prozent, die CSU mehr als sechs Prozent.
Das heißt: In der Union schnitt die CDU unterdurchschnittlich ab, die CSU weit überdurchschnittlich. Markus Söder hat Friedrich Merz die Kanzlerschaft – gerettet, ermöglicht, was auch immer. Ohne die CSU wäre die CDU eine traurige Veranstaltung.
Ohne Söder hätte Merz auch nicht die Merkel-CDU verabschieden können. Das ist die bislang größte Leistung von Merz – die CDU als Parteivorsitzender von der illusionären Migrationspolitik abzubringen, für die Angela Merkel stand, einfach, weil sie als Kanzlerin keine „schlechten“ Bilder von Deutschlands Grenzen verantworten wollte.
Söder wird für diese Leistung Preise verlangen
Diese Wende wollte Merz, aber mit Hilfe der CSU konnte er sie dann in der eigenen Partei auch durchsetzen. Das Schisma zwischen CDU und CSU unter dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet ist den Christdemokraten derart in die Glieder gefahren, dass auch der liberale und linke Teil der CDU eine Migrationswende mittrug.
Söder wird für diese Leistung Preise verlangen -und das wäre auch gerecht. Sein stärkstes Argument ist für die CDU eine traurige Wahrheit: Ohne die CSU wäre die Union kaum stärker als die AfD. Das muss man sich einmal vorstellen. Die CDU hat wirklich keinen Anlass für Triumphgefühle.
Scholz ist ein exzellenter Verlierer
Bevor wir zur Regierungskunst kommen, noch ein Wort zu Scholz: Der noch amtierende Kanzler ist ein schlechter Gewinner, aber ein exzellenter Verlierer.
Im allerersten Statement hat Scholz zwei Dinge getan:
- Er hat erklärt, Friedrich Merz habe „den Regierungsauftrag“. Das ist keine Selbstverständlichkeit – immerhin könnte die SPD auch auf Foul spielen – einen dritten Wahlgang bei der Kanzlerwahl, in dem die relative Mehrheit reichen würde – für eine Minderheitsregierung, von den Sozialdemokraten geführt. Das hat Scholz damit aus den Köpfen genommen, vor allem den Hirnen der eigenen Leute.
- Scholz hat aber noch mehr getan: Ausdrücklich hat er Merz zu dessen Wahlsieg beglückwünscht. Das sollte vielleicht eine Selbstverständlichkeit sein, das ist es aber leider nicht mehr.
Und doch hängt jetzt viel davon ab, ob die Sozialdemokraten erkennen, was für einen Fehler sie in den vergangenen Jahren gemacht haben. Die Lehre für sie sollte sein: "Go woke, go broke." Die SPD sollte sich von einem Dasein als Zeitgeist-Linke verabschieden und sich zurückentwickeln zu einer Partei der arbeitenden Mitte.
Gerechtigkeitsfrage ist auch die Migrationspolitik
Das ist mehr als eine Phrase: Ein Bürgergeld, das den leistungslosen Lohn in die Nähe des Leistungslohns rückt, ist nicht sozialdemokratisch, sondern genau genommen das Gegenteil davon. Es ist eine Entwertung der Arbeit, ein Verrat an sozialdemokratischen Idealen und ihrer traditionellen Fundierung. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Eine Gerechtigkeitsfrage ist auch die Migrationspolitik. Denn die Hälfte des Bürgergelds geht für Migranten drauf, die nie in das System eingezahlt haben. Es wäre im Interesse einer werteorientierten Arbeiterpartei, diese Zeitgeist-Verirrung zu korrigieren.
Ein grundlegender Wandel sollte, ja: muss, in der Außenpolitik stattfinden. Eine moralgetränkte Besserwisser-Außenpolitik ist nicht gut für Deutschland gewesen. Sie bedeutet eine Verengung der außenpolitischen Möglichkeiten – sie schadet damit den deutschen Interessen.
Deutschland kann sich keine drei Feinde leisten
Einfach formuliert: Deutschland kann sich keine drei Feinde leisten. Es sich gleichzeitig mit dem Trump-Amerika, dem Xi-China und dem Putin-Russland zu verderben, wäre eine Art diplomatischer Selbstmord.
Das glatte Gegenteil von Politik, die den Möglichkeitsraum nicht verkleinern, sondern vergrößern sollte. Das heißt nun beileibe nicht, vor Trump, Xi und Putin in die Knie zu gehen. Aber war die Baerbocksche Besserwisserei und Moral-Attitüde überhaupt einmal mehr als nur ein wohlfeiles Signal an die eigene grüngefärbte Kundschaft? Gebracht hat sie nichts, im Gegenteil.
Das gilt auch für die Beziehungen zu Israel und die schillernde Palästinenser-Politik, für die Baerbock verantwortlich ist. Das Diktum von Israels Sicherheit als deutscher „Staatsräson“ muss jetzt wieder glaubwürdig werden. Als erstes sollte eine Merz-Koalition aus der Finanzierung der UNWRA aussteigen, mit der die Terrororganisation Hamas am Leben gehalten wird.
Klimapolitik war ein ökonomischer Fehlschlag
In der Wirtschaftspolitik wird die Regierung auf ein einziges Ziel setzen müssen: Deutschland wieder zum Wachstumsland zu machen. Deutschlands Staatsdoktrin sozusagen ist der wirtschaftliche Erfolg – das gilt seit Jahrzehnten, seit Erhards „Wirtschaftswunder“.
Ein Bundeskanzler, der das nicht schafft, kann gleich einpacken. Das muss nun nicht weniger Klimaschutz heißen. Aber der Versuch, Deutschland zum Vorreiter aller Klimaschutzziele zu machen, hat sich nicht bewährt – es war ein ökonomischer Fehlschlag. Und paradoxerweise hat die forcierte Klimapolitik nicht einmal dem Klima geholfen.
Man muss Merz nicht erzählen, dass jeder Versuch, Marktwirtschaft durch Staatswirtschaft zu ersetzen, ineffizient und teuer ist. Ein Staat, der gezielte Firmenpolitik betreibt, verfehlt seine Kernaufgabe – Wirtschaft sollte wieder in der Wirtschaft stattfinden.
Wenn Merz mit den Sozialdemokraten regiert, wonach es gerade aussieht, wird die Sozialpolitik stark bleiben – aber auch teuer. Aber vielleicht wollen das die Deutschen auch. Sie haben sich für die äußere in Kombination mit der sozialen Sicherheit entschieden.
Versagen der Ampelregierung und Vorbelastung der Union
Vielleicht ist das typisch deutsch. Die Bürger haben auch ganz eindeutig eine Asylwende gewählt, sie wollen die Rückkehr zur Kontrolle in der Migrationspolitik. Man kann dies ablesen am großen Erfolg, den die AfD errungen hat – dank des Versagens der Ampelregierung und der Vorbelastung der Union durch Merkel vor allem auf diesem Feld.
Überhaupt – die AfD: So wie bisher werden die Mitte-Parteien mit der AfD nicht weiter verfahren können. Alles, was sie bisher versucht haben, vor allem eine Quarantäne- und Empörungspolitik, hat rein gar nicht gefruchtet.
Zur Wahrheit gehört auch: Jede „Demo gegen rechts“ hat der AfD nicht geschadet, sondern genutzt. Genauso wie die sogenannte „Brandmauer“. Weit mehr als die Hälfte der Bürger haben Mitte-rechts gewählt. Und bekommen nun eine Mitte-links-Politik.
In dieser Asymmetrie liegt schon der Keim des Scheiterns. Einfach formuliert: Wenn Mitte-links nicht rechts liefert, hat rechts beim nächsten Mal nicht „nur“ 130 Abgeordnete.