Experte analysiert - Gefährliche Schützenhilfe für Weidel: „Musk kann kontraproduktiv für die AfD sein“
Zumindest aus dem Ausland fliegen der AfD derzeit die Herzen zu. Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk führte zunächst auf Twitter, dann in einem umstrittenen Gastbeitrag in der „Welt“ aus, warum nur diese Partei Deutschland retten könne. Am Sonntag schloss sich dann der russische Philosoph und ultranationalistische Politiker Alexander Dugin an: „Die AfD muss dringend an die Macht“, beschrieb er auf Twitter den ersten Schritt hin zu einer neuen europäischen Ordnung.
In Deutschland selbst ist die Unterstützung für die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte Partei hingegen noch verhaltener. In den meisten Umfragen liegt die AfD unter 20 Prozent – das bedeutet zwar Platz zwei hinter der Union, fällt aber deutlich hinter die Spitzenwerte vor einem Jahr zurück. Ganz unverhohlen hoffen Politiker der AfD deshalb, dass ihnen der internationale Zuspruch Rückenwind bei der Bundestagswahl geben wird.
Der einstige Tesla-Manager Philipp Schröder hält das für möglich. Mit Blick auf Musk vertritt er bei Linkedin eine gewagte These: „Sollte er jetzt also ernsthaft in den Wahlkampf – inklusive Campaigning in Deutschland – eingreifen, wird das meines Erachtens dazu führen, dass die AfD stärkste Kraft wird am 23. Februar mit 30 Prozent und mehr.“ Der Gründer und Unternehmer vermutet: Wenn Musk zusammen mit US-Präsident Donald Trump und Weidel einen „Masterplan für Deutschland“ präsentieren würde, hätte die Macht der Bilder eine riesige Wirkung.
Politikwissenschaftler sieht AfD-Potenzial nahezu ausgeschöpft
Ganz anders sieht das Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Uni Kassel. Wahlergebnisse von 30 Prozent oder mehr für die AfD hält er für unrealistisch. „Mit 20 bis 25 Prozent ist das Wählerpotential gegenwärtig mehr als ausgeschöpft“, erklärt er FOCUS online.
Darauf weisen auch einige Umfragen hin. Eine Potenzial-Analyse des Meinungsforschungsinstituts Insa aus dem Dezember zeigt, dass bei der Bundestagswahl knapp 20 Prozent für die AfD stimmen wollten. Von denen, die eine andere Partei wählen würden, können sich aber nur sechs Prozent die AfD als zweite Option vorstellen. Das ist der mit Abstand geringste Wert aller Parteien. Zum Vergleich: 24 Prozent der Befragten nennen die SPD als zweite Option, 16 Prozent die Union, sogar FDP, BSW und Linke haben ein zusätzliches Potenzial von zehn Prozent oder mehr.
Umgekehrt sagen 58 Prozent, sich grundsätzlich nicht vorstellen zu können, die AfD zu wählen – also auch nicht, wenn Musk, Trump oder andere noch in den Wahlkampf eingreifen. Dieser Negativ-Wert ist bei allen anderen Parteien deutlich geringer, selbst bei den polarisierenden Grünen (41 Prozent).
„Musk kann kontraproduktiv für die AfD sein“
Politikwissenschaftler Schroeder hält auch den Einfluss von Musk auf die AfD für überschätzt: „Die wirtschaftliche Logik lässt sich nicht einfach auf die politische Logik übertragen, auch wenn es da sicherlich eine Reihe von Schnittmengen gibt.“ Was die Zusammenarbeit zwischen Tech-Milliardär und rechtspopulistischer Partei bewirken kann, wird bald möglicherweise etwas klarer zu sehen sein: Musk wird nämlich am Donnerstag mit AfD-Chefin Alice Weidel ein Gespräch auf seiner Plattform X führen.
Das ist für die Partei nicht ohne Risiko: „Musk kann in einer spezifischen Weise auch kontraproduktiv für die AfD sein“, glaubt Schroeder. Der Trump-Berater sei wie ein trojanisches Pferd für die Partei. Denn in Wahrheit, so der Politikwissenschaftler, haben die beiden Akteure unterschiedliche Agenden.
AfD hätte womöglich Musks Tesla-Werk verhindert
Musk wolle „das bestehende System destruieren“, dabei gehe er aufs Ganze. Die Unterstützung der AfD – oder zwischenzeitlich auch des britischen Rechtspopulisten Nigel Farage – seien da nur „kleine Fingerübungen“. Die Frage sei nun, wer sich auf seinen „ungezügelten Techno-Kapitalismus mit einem libertären Staats- und Gesellschaftsverständnis“ einlasse.
Zur AfD passt das nicht so ganz, glaubt Schroeder: „Die Partei will die Leute auf eine zutiefst provinzielle und retrospektive Weise vor der Moderne schützen, Musk will eine technokratische Supermoderne.“ Er ist zum Beispiel als Tesla-Gründer ein Verfechter der E-Mobilität, die Partei will hingegen am Verbrenner festhalten. Der Brandenburger CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann wies darauf hin, dass es Musks Tesla-Fabrik in Grünheide gar nicht gäbe, „hätte die AfD in Brandenburg etwas zu melden“.
Musk könnte die AfD radikal verändern
„Die AfD ist gegen Techno-Optimismus, Musk ist die Inkarnation des Techno-Optimismus. Er ist das Superestablishment, die AfD schöpft eine wesentliche Quelle ihrer Kraft aus dem Kampf gegen das Establishment“, fasst Politikwissenschaftler Schroeder die Positionen zusammen. Er warnt Weidel und ihre Mitstreiter: „Im Ergebnis würde ein Einlassen auf Musk zu einer starken Transformation der AfD führen.“
Den Konkurrenten der AfD rät der Politologe, Musks Kampfansagen an die liberale und soziale Demokratie zwar ernst zu nehmen. Zugleich solle man aber besonnen reagieren „und sich dabei auch klarmachen, dass damit immer auch eigene Defizite angesprochen werden, an denen man arbeiten sollte“.