Gefahr einer Bankenkrise wächst - Der gefährliche Boom der russischen Wirtschaft
Es wirkt ein bisschen wie Hohn: Da verabschieden die USA und die EU ein Sanktionspaket nach dem anderen - und die russische Wirtschaft wächst wie seit Jahren nicht. Das Plus von knapp 3,6 Prozent in 2023 war das stärkste seit zehn Jahren - von der Corona-Erholung in 2021 einmal abgesehen. Im vergangenen Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in einer ähnlichen Größenordnung zugelegt haben.
Wer allerdings nicht nur auf das reine Wirtschaftswachstum achtet, sondern auch auf andere Indikatoren, kann erkennen, wie sich langsam etwas zusammenbraut.
Rüstungsausgaben lassen Wirtschaft boomen
Denn der Boom wird durch die hohen Rüstungsausgaben künstlich angefacht. Der Verteidigungshaushalt für 2025 liegt bei 13,5 Billionen Rubel, ein Viertel mehr als in 2024. Umgerechnet entspricht das einer Summe von 130 Milliarden Euro, unter Berücksichtigung der Kaufkraft sind es auf deutsche Verhältnisse übertragen sogar 350 Milliarden Euro.
Um die Nachfrage bedienen zu können, haben die russischen Rüstungskonzerne massenhaft neue Leute eingestellt. Doch trotz eines Anstiegs um 520.000 neue Arbeiter seit 2023 sind immer noch 160.000 Stellen unbesetzt, wie der russischen Vizepremier Denis Manturow kürzlich sagte. Arbeitskräfte sind wegen des Krieges knapp. Mit immer höheren Gehältern versuchen die Firmen daher, die begehrten Fachkräfte für sich zu gewinnen oder auch zu halten. Die durchschnittlichen Gehälter stiegen 2024 nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Rüstungsindustrie werden diese Zuwächse teilweise noch merklich übertroffen. Die gestiegenen Einkommen sorgen für höhere Konsumausgaben, was den Wirtschaftsboom zusätzlich befeuert.
Die russische Wirtschaft droht zu überhitzen
Doch nun ist die russische Wirtschaft an einem gefährlichen Punkt: Sie droht zu überhitzen. Denn die hohe Kreditnachfrage und steigende Löhne treiben auch die Preise. Die russische Notenbank hat die Zinsen deshalb inzwischen auf 21 Prozent angehoben, um die Wirtschaft etwas abzukühlen. In 2023 lagen sie noch bei 7,5 Prozent. Doch weder hat dieser Zinsanstieg die Inflation gebremst, die nach offiziellen Angaben im Oktober und November bei 11,1 Prozent lag, noch hat sie die Kreditnachfrage signifikant schwächen können. Sie lag zuletzt gut 20 Prozent über dem Vorjahr (siehe Chart 1).

Damit wächst die Gefahr einer Bankenkrise in den nächsten zwei Jahren, wie das Analysehaus Capital Economics vor kurzem in einem Bericht warnte. Ein entsprechender Indikator liegt im roten Bereich (siehe Chart 2). Alle Zutaten sind da: Zuletzt vergaben die Banken Kredite zunehmend an Kunden mit schlechter Bonität. Es drohen Ausfälle – genau wie bei den Firmen. Die hohen Zinsen erschweren es ihnen zunehmend, ihre Schulden zu bedienen. Ihre Zinsbelastung hat sich nach offiziellen Zahlen im vergangenen Jahr bereits verdoppelt. Zugleich ist die Eigenkapital-Ausstattung des russischen Bankensektors dünn, die Widerstandskraft gegen eine steigende Zahl von Kreditausfällen also gering.

Die russische Notenbank steht damit vor einer heiklen Aufgabe: Erhöht sie die Zinsen weiter, um die Inflation zu bekämpfen und die Wirtschaft abzukühlen, wächst die Gefahr einer „harten Landung“ der Wirtschaft, also eines Konjunkturabsturzes, der viele Firmen ruinieren könnte. Agiert die Notenbank jedoch auch zu zögerlich, könnte sich die Inflation verfestigen oder gar beschleunigen. Nicht nur an der Front in der Ukraine, auch zu Hause erhöht Putin den Einsatz,