Krankenhaus-Chef zu Lauterbachs Reformplänen: „Ganz so einfach ist es nicht“
Mit jahrelanger Verspätung wurde der Entwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für eine Krankenhausreform jetzt vom Bundeskabinett abgesegnet. Was bedeutet das für den Transformationsprozess der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH?
„Der Gesetzentwurf ist in keinem einzigen Punkt so, dass wir sagen würden: ,Da haben wir aufs falsche Pferd gesetzt und waren als Geisterfahrer unterwegs‘“, sagt der Geschäftsführer der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH, Thomas Lippmann, im Gespräch mit der Heimatzeitung. Er sieht das Unternehmen mit seinem Transformationsprozess auf dem richtigen Weg, auch wenn er zum Teil scharfe Kritik an Lauterbachs Reformplänen hat.
Die Krankenhaus GmbH hatte bereits im vergangenen Jahr angefangen, neue Strukturen zu schaffen: Das Krankenhaus in Schongau wurde geschlossen und durch ein Gesundheitszentrum ersetzt. Im Gegenzug wird versucht, das Weilheimer Krankenhaus als Schwerpunktversorger mit großem Angebot und über den Landkreis hinausgehendem Einzugsbereich zu etablieren. Rund 200 Mitarbeiter wurden im Zuge der Umstrukturierung entlassen.
Natürlich würden sich im Detail sicher noch Änderungen ergeben – der Freistaat Bayern hat bereits eine Klage angekündigt – , aber „die generelle Richtung, in die sich das deutsche Krankenhaussystem entwickeln soll, ist klar“, so Lippmann.
Modell kann in Großstädten funktionieren, aber nicht auf dem Land
Lauterbach verfolge „die Idee der Konzentration“. Will meinen: Weniger Krankenhäuser bieten bestimmte Behandlungen an. Dadurch kommen sie bei bestimmten Krankheitsbildern auf höhere Fallzahlen und erreichen dadurch nach Lauterbachscher Logik eine höhere Qualität. Das wiederum soll sie als Arbeitgeber attraktiver machen und den Personalmangel beseitigen.
„Ganz so einfach, wie es sich der Minister vorstellt, ist es dann aber doch nicht“, so Lippmann. Das funktioniere in Großstädten, wo eine hohe Krankenhausdichte herrscht, unter Umständen sogar ganz gut. Aber „es wird halt nicht auf die bestehenden Strukturen und Regionen geschaut“. Es werde „ein Kampf“, wenn man in Bayern dafür sorgen wolle, dass in jedem Landkreis zumindest noch ein Krankenhaus rund um die Uhr geöffnet bleibe, prognostiziert er.
Auch der Ansatz „mehr Masse = mehr Qualität“ gehe nur bedingt auf, führt der Krankenhaus-Geschäftsführer aus. Wenn es nur noch wenige „Zentren“ gebe, in denen bestimmte Krankheitsbilder behandelt werden, würde über kurz oder lang die Ausbildung der Ärzte darunter leiden, weil es zu wenige Plätze gibt, an denen man lernen könne. Lauterbach blende auch aus, dass Ärzte zwar durchaus bereit sein, im Zuge ihrer Ausbildung und später auch für einen attraktiven Job weitere Wege zur Arbeit in Kauf zu nehmen oder umzuziehen. Beim Pflegepersonal sei – auch mit Blick auf die Bezahlung – die Bereitschaft sehr viel geringer.

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Wenn man das Lauterbachsche Konzept also gedanklich auf die Spitze treibe und annehme, dass nur noch in den Großstädten umfassende medizinische Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden, sei es „ein Trugschluss anzunehmen, dass dann auch der Pflegekräftemangel an diesen Häusern dadurch behoben wird“, so Lippmann. Man habe genau gesehen, dass sich viele Mitarbeiter, die die Krankenhaus GmbH verlassen haben oder entlassen wurden, Jobs in Bereichen außerhalb des Gesundheitssektors gesucht hätten.
Bewusstes Abwarten, bis vielen Kliniken die Luft ausgeht?
Lippmann kritisiert auch, dass der gesamte Prozess der Gesundheitsreform bislang „absolut ungesteuert“ erfolge. Man könne den Eindruck gewinnen, dass man einfach ganz bewusst darauf setze, dass vielen Krankenhäusern zwischenzeitlich die Luft ausgehe. Dadurch würden dann aber auch Versorgungslücken entstehen.
Zudem sei es nicht hinnehmbar, dass „davon ausgegangen wird, dass der Landkreis dauerhaft die bestehende Finanzierungslücke schließt und zusätzlich noch die Transformationskosten übernimmt“, weil von Bundesseite kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt wird. Gleichzeitig werde den Krankenhaus-Betreibern aber auch jede Möglichkeit genommen, auf die inflationsbedingten Kostensteigerungen zu reagieren: „Wir können nicht wie alle anderen Unternehmen unsere Preise anpassen – wir sind darauf angewiesen, dass die Fallpauschalen auskömmlich kalkuliert werden.“
Finanzierungsfragen weiterhin weitgehend unklar
Deutliche Kritik übte der Geschäftsführer daran, dass nach wie vor viele immens wichtige Fragen vollkommen offen seien. So werde zwar das Modell „Level 1i“ – vergleichbar mit dem Gesundheitszentrum in Schongau – zwar als zukunftstaugliche Variante bezeichnet. Genaue Informationen, wie solche Häuser in Zukunft finanziert werden sollen, gebe es aber gar nicht.
Auch sonst sieht Lippmann viele Nebelkerzen bei der künftigen Krankenhausfinanzierung. So soll der Freistaat schlussendlich entscheiden, welche Leistungsgruppen an welchen Krankenhäuser angeboten werden sollen. Unklar sei aber, wie streng die Kriterien ausfallen, um den Zuschlag zu erhalten.
Wir sind mit unserem Transformationsprozess definitiv nicht als Geisterfahrer unterwegs.
Das wiederum habe deutliche Auswirkungen auf die Finanzierung. Denn es werde Regionalbudgets für die einzelnen Leistungsgruppen geben, so Lippmann. Ein Beispiel: Es gibt einen bestimmten Betrag für die Behandlung einer bestimmten Krankheit. Wenn in der Region nur ein Krankenhaus diese Aufgabe übernimmt, erhält es den kompletten Betrag. Wenn allerdings mehrere Häuser diese Leistungen anbieten, würde der Betrag durch sie geteilt.
Auch das neue Modell setzt auf Masse
„Es wird vom Gesundheitsminister immer gesagt, dass die heutige Fixierung auf die Fallzahlen durch die Fallpauschalen aufhören soll“, so Lippmann. Das stimme aber nicht. Heute ist es so, dass das Krankenhaus, das besonders viele lukrative Fälle abrechnet, über die Fallpauschalen auch hohe Einnahmen verzeichnet. Davon müssen auch die sogenannten „Vorhaltekosten“ – also Material- und Personalkosten – finanziert werden.
Lauterbach hat nun angekündigt, dass die Krankenhausfinanzierung künftig nur noch zu 40 Prozent über die Fallpauschalen erfolgen soll. Die Vorhaltekosten sollen künftig 60 Prozent der Einnahmen ausmachen. „Dabei wird aber nie darüber geredet, dass die Vorhaltekosten in Zukunft auch direkt an die Anzahl der Behandlungen gekoppelt werden.“
„Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Bundesregierung nach wie vor viele entscheidende Fragen bezüglich der Krankenhausreform nicht beantworten kann“, so Lippmann. Es sei klar, dass die Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH die Weichen richtig gestellt habe. Ob das am Ende aber auch zum Erfolg führt, lasse sich nach derzeitigem Kenntnisstand noch nicht absehen.
Forderungen der Landräte an die Politik
Anfang der Woche trafen sich Bayerns Landräte in Deggendorf zu einer Schwerpunktklausur „Kreiskrankenhäuser und medizinische Versorgung in den Landkreisen“. „Inzwischen schreiben 80 Prozent der Krankenhäuser ein hohes Betriebskostendefizit. Wir brauchen einen umfassenden Aktionsplan. Die Reformpläne der Bundesregierung sind nur Stückwerk und gefährden die Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum“, sagte Weilheim-Schongaus Landrätin Andrea Jochner-Weiß.
„Es reicht nicht, wenn der Bund sich fernab der tatsächlichen Realitäten vor Ort Dinge ausdenkt, Zuständigkeiten vermischt, immer kompliziertere Regelungen erfindet und ohne Beteiligung der Praktiker durchsetzt. Der Bund muss sofort mehr Geld ins System geben, um den finanziellen Kollaps unzähliger Krankenhäuser überhaupt noch zu verhindern“, so Thomas Karmasin, der Präsident des Bayerischen Landkreistags.