Eine Attraktion für Augen und Ohren: Weilheim hat seine neue Orgel
So einen Festtag erleben die meisten nur einmal im Leben: Am 15. Juni wird die neue Orgel in der Weilheimer Stadtpfarrkirche geweiht. Sechs Jahre dauerte die Vorbereitungszeit, rund eine Million Euro hat das Instrument gekostet. Das sucht in weitem Umkreis seines Gleichen.
Weilheim – Noch haben sie nur wenige Menschen gehört, die neue Orgel in der Weilheimer Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Doch dass es sich dabei um ein ganz besonderes Instrument handelt, das steht für viele schon fest. Für ganz Weilheim sei diese Orgel „ein großer Gewinn“, sagt zum Beispiel Weilheims Bürgermeister Markus Loth. Sie werde „viele Musikliebhaber aus Nah und Fern anziehen“, prophezeit Landrätin Andrea Jochner-Weiß. Und den Augsburger Bischof Bertram Meier bringt diese Orgel noch vor der Weihe regelrecht zum Schwärmen – schon wegen ihrer Optik: Den Würdenträger beeindruckt, wie sich die „Zinn- und Holzpfeifen harmonisch mit den Fichtenstäben abwechseln und dabei mit dem Licht spielen, das durch die Rundbogenfenster einfällt“. Es handle sich um ein „filigranes, aufstrebendes“ Kunstwerk.
Bisherige Orgel hatte zu viele Mängel
Am kommenden Samstag, 15. Juni, wird Bischof Meier die Orgel im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes weihen. Ein Tag, den nach intensiver, sechsjähriger Vorbereitungszeit viele Weilheimer ersehnen. Vor über sechs Jahren hatte die Kirchenstiftung Mariä Himmelfahrt den Orgelneubau beschlossen – weil das bisherige Instrument nach nicht einmal 50 Jahren zu viele Mängel aufwies. Weilheims Kirchenmusiker Jürgen Geiger musste zunehmend mit Ausfällen und Heulern des Instruments kämpfen. Den hochkarätigen Konzertorganisten, die beim „Internationalen Weilheimer Orgelsommer“ auftraten, gab Geiger stets eine Mängelliste an die Hand, damit sie ohne größere Komplikationen spielen konnten.

Das Problem: Beim Orgelbau um 1970 waren, dem Zeitgeist folgend, zu viele „neue“ Materialien verwendet worden, die sich als minderwertig entpuppten – Kunststoff, Plastik, Spanplatten. Allerlei Umbauten und Eingriffe über die Jahre, nicht immer qualifiziert ausgeführt, taten das Übrige. So rieten am Ende mehrere Fachgutachter übereinstimmend zu einem „technischen und klanglichen Neubau“.
Dieser bedeutete freilich einen gewaltigen Kraftakt für die Pfarrei. Denn dass die neue Orgel „was Gscheits“ werden sollte, da war man sich einig. Jürgen Geiger selbst – als Konzertorganist hoch erfahren und international renommiert – hat das Konzept und die Disposition des Instruments entwickelt.
Denkmalschutz forderte Umplanung
Auf seinen Vorschlag hin wurden im September 2018 sechs Orgelbauer aus dem In- und Ausland um Angebote gebeten. Den Zuschlag erhielt die Firma „Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth“, die nach 3-D-Planung und vielen Besprechungen im Frühjahr 2023 in ihrer Werkstatt mit dem Bau begann. 980 000 Euro hat allein die Orgel gekostet, weitere 250 000 Euro waren für Statik, Elektrik und Umbauten in der Kirche nötig.
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Stadtpfarrer Engelbert Birkle berichtet im Blick zurück von einem „intensiven miteinander Gehen und Ringen“: „Ein Instrument, das fast eine Million Euro kostet und das den Innenraum der Kirche prägen soll, bietet einige Möglichkeiten, unterschiedlicher Meinung zu sein. Das Ringen um Kompromisse hat Kraft gekostet.“ Mit einzubinden waren die Finanzkammer und das Kirchenmusikamt des Bistums Augsburg – und in einem 400 Jahre alten Gotteshaus natürlich auch der Denkmalschutz. Letzterer forderte eine aufwendige Umplanung: Das Erscheinungsbild der Orgel musste so verändert werden, dass der Blick auf das charakteristische Vierpassfenster an der Westfassade frei bleibt.
Das Ergebnis sorgt nun auch optisch für Begeisterung. Die neue Orgel, gänzlich aus Holz und Metall gefertigt, ist perfekt auf den historischen Kirchenraum abgestimmt und setzt zugleich „bewusst einen mutigen Akzent der Gegenwart, des 21. Jahrhunderts“, erläutert Pater Stefan Kling, der Leiter des Amts für Kirchenmusik im Bistum Augsburg. Ausgearbeitet wurde das Äußere gemeinsam mit einem Orgelarchitekten und Kunstbeauftragten der Diözese. „Die Gestaltung verzichtet bewusst auf einen klassischen Gehäuseschrank“, erklärt Orgelbauer Tilmann Späth: „Stattdessen bestehen die Fronten des Instrumentes aus einem leichten und lichtdurchlässigen Schleier, der von unregelmäßig angeordneten Holz- und Metallpfeifen sowie filigranen Stäben gebildet wird.“ Man habe dabei „die Eleganz des Kirchenraumes aufgegriffen“.
Die drittgrößte Orgel im Umkreis seit 1945
Auch klanglich darf man Allerhöchstes erwarten. 54 Register verteilen sich auf dem großen, elegant geschwungenen Spieltisch, der auf der Empore etwas abgerückt vom Orgelgehäuse installiert ist, auf vier Manuale sowie Pedal. In der Mitte unter der Rosette befindet sich das Hauptwerk der Orgel, im linken Seitengehäuse das so genannte Positiv und rechts das Schwellwerk. Zusätzlich gibt es ein Solowerk, das sich, vom Kirchenraum aus unsichtbar, hinter dem Hochaltar befindet und für eine dialogische Spielweise zugeschaltet werden kann – eine außergewöhnliche Anordnung, die eine Art „Surround-Klang“ ermöglicht. „Durch die Verteilung auf mehrere Klangkörper an beiden Enden der Kirche wird nicht nur eine optimale Beschallung des Raumes erreicht“, sagt Orgelbauer Späth, „sondern es werden auch besondere räumliche Klangeffekte erlebbar“.
Dieses Instrument setze „optisch und klanglich einen bemerkenswerten Akzent in der Orgellandschaft des Bistums Augsburg“, fasst der Chef des Amts für Kirchenmusik zusammen. Mit ihren fast 3000 Pfeifen ist Weilheims neue Orgel die drittgrößte, die seit 1945 in der Diözese gebaut wurde. Damit habe „auch der Pfaffenwinkel als Kulturraum ein Instrument, das Orgelmusik auf höchstem Niveau möglich macht“, sagt Pfarrer Birkle: „Kirche erbringt auf diese Weise im Sinne einer diakonischen Kulturverantwortung einen enormen Beitrag.“
Möglich sei das nur dank eines hoch engagierten Projektteams in der Pfarrei und „weil viele weitere den Weg zur neuen Orgel mitgetragen haben“, wie Weilheims Stadtpfarrer voller Dankbarkeit betont. Die Fäden liefen zusammen bei Ulrich Bracker, der als Projektbeauftragter viele hundert Stunden ehrenamtlicher Arbeit für die neue Orgel leistete – und weiter leistet. Zwar gab es Zuschüsse der Stadt Weilheim (70 000 Euro), der hiesigen Böhm-Stiftung (60 000), der Bayerischen Landesstiftung (90 000) und der Diözese Augsburg (100 000), doch der weitaus größte Teil des Millionenprojekts musste und muss von der Pfarrei selbst bezahlt werden. Über viele kreative Aktionen und rund 40 Benefizkonzerte wurden dafür bis dato über 400 000 Euro private Spenden akquiriert.
Es fehlen noch 135 000 Euro
Gänzlich finanziert ist das Projekt damit noch nicht. Rund 135 000 Euro müssen laut Bracker noch gesammelt werden – weil „die Kosten der baulichen Maßnahmen an Empore, Elektrik, Heizung, Schreiner, Schlosser, Gerüstbauer und Malerarbeiten das veranschlagte Budget weit übersteigen“. So bleibe die Finanzierung der Orgel auch nach ihrer Weihe eine Daueraufgabe. Eine Möglichkeit der Unterstützung ist, für Beträge ab 80 Euro eine Patenschaft für eine Orgelpfeife, einen oder mehrere der 2860 verschiedenen Töne zu übernehmen. Ein eigenes Faltblatt, das in der Kirche ausliegt und auch online heruntergeladen werden kann, erklärt Näheres dazu. Zudem gibt es viele weitere Benefizkonzerte mit der Bitte um Spenden: Mit dem Festkonzert zur Orgelweihe am kommenden Sonntag, 16. Juni, beginnt ein „Internationaler Weilheimer Orgelsommer“ in Rekordumfang. Bis weit in den Herbst konzertieren im Wochentakt renommierte Organisten aus ganz Deutschland, aus Frankreich, Italien, Polen, Portugal, Österreich und der Schweiz in der Stadtpfarrkirche (wir berichteten).
Was sie kann, diese neue „Königin der Instrumente“ mitten in Weilheim, das wird in den nächsten Monaten also auf vielseitige und eindrucksvolle Art zu erleben sein. Dabei ist das Bauwerk mit der Weihe nicht unbedingt gänzlich vollendet. In der Intonation, über die es in den vergangenen Wochen unterschiedliche Ansichten gab, sind noch Anpassungen möglich. Die kommenden Konzerte dienen auch dazu, damit Erfahrungen zu machen. Das Ergebnis, so wünschen sich alle Beteiligten, wird dann für Generationen von Weilheimern und Besuchern ein Quell der Freude, des Trostes und der Stärkung sein. Was die Anstrengungen der vergangenen sechs Jahre und auch den finanziellen Kraftakt gewiss rechtfertige, so Bracker: „Die Orgel soll ja 100 Jahre halten.“