Statt des suspendierten Pfarrers Martin Weber leitet nun Erwin Sergel, stellvertretender Dekan und Miesbacher Pfarrer, übergangsweise die evangelische Kirchengemeinde Tegernseer Tal. Die Gottesdienste finden statt, fürs Pfarrbüro ist eine Aushilfe gefunden. Unterdessen stocken Projekte wie die Renovierung der Friedenskirche.
Tegernsee – „Wir müssen auf Sicht fahren“, sagt der evangelische Dekan Florian Gruber. Wie berichtet, ist dem Dekanat Bad Tölz mit der vorläufigen Suspendierung des Tegernseer Pfarrers Martin Weber am 1. September eine große Aufgabe zugefallen. Die evangelische Kirchengemeinde Tegernseer Tal mit rund 2500 Gemeindemitgliedern aus Tegernsee, Rottach-Egern, Kreuth und Bad Wiessee steht ohne Führung da, weshalb das Dekanat Unterstützung leisten muss. Inzwischen ist ein offizieller Stellvertreter für Weber benannt: Pfarrer Erwin Sergel, stellvertretender Dekan und Leiter der evangelischen Kirchengemeinde Miesbach.
Verhandlung schon im Oktober oder November
Ob und gegebenenfalls wann Weber wieder auf seinen Posten in Tegernsee zurückkehrt, ist offen. Vorläufig suspendiert wurde der Pfarrer wegen eines Strafbefehls des Amtsgerichts Miesbach, der am 20. August wegen Besitzes jugendpornografischen Materials erlassen wurde. Weber hat Widerspruch eingelegt, weshalb es zur Verhandlung kommt. Die soll schnell stattfinden. Eine Sprecherin des Amtsgerichts erklärte gestern, es bleibe bei der Absicht, einen Termin noch im Oktober oder im November anzusetzen.
Aushilfe im Pfarrbüro
Der evangelischen Kirchengemeinde vor Ort fehlt nicht nur Pfarrer Weber. Seine Stellvertreterin, die Wiesseer Pfarrerin Sabine Arzberger, befindet sich im Krankenstand, ebenso die Pfarrsekretärin Petra Fischl. Die Mitarbeiterschaft der Tegernseer Kirchengemeinde ist somit auf zwei Personen geschrumpft: Religionspädagoge Klaus Beckel und Kantor Peter Wolf.
Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub hat Dekan Gruber für Nothilfe gesorgt. Birgit Oberleitner, Pfarrsekretärin in Schliersee, springt ein und ist nun montags und donnerstags von 9 bis 13 Uhr im Tegernseer Pfarrbüro tätig. Aktuell läuft dort noch ein Anrufbeantworter, der aufs Dekanat Bad Tölz verweist. Das werde geändert, erklärt Gruber. Ansprechpartner sei jetzt der Kollege in Miesbach.
„Wir helfen alle zusammen“
„Wir helfen alle zusammen“, berichtet Pfarrer Sergel. „Es geht darum, dass die Seelsorge ganz normal stattfinden kann.“ Bislang gelinge das auch. Das evangelische Gemeindeleben geht dank des gemeinschaftlichen Einsatzes mit Gottesdiensten, Trauerfeiern und Taufen weiter, auch der Konfirmandenunterricht ist gesichert. Seit Jahresbeginn 2024 sind die evangelischen Gemeinden im Tegernseer Tal zusammengeschlossen – bis auf die Gemeinde Gmund/Schaftlach, die mit Pfarrer Andreas Kopp-von Freymann vorerst eigenständig geblieben ist.
Die kirchliche Alltagsarbeit läuft, aber bei großen Projekten herrscht Stillstand. Eigentlich sollte das Tegernseer Pfarrbüro gerade jetzt in ein Übergangsdomizil im ehemaligen AOK-Gebäude an der Bahnhofstraße umziehen, um den Weg für den Abriss und Neubau der Gebäude an der Hochfeldstraße frei zu machen. Wie es mit den Bauplänen jetzt weitergeht, weiß auch der Kirchenvorstand nicht.
Renovierung der Friedenskirche stockt
Es hakt auch bei der Sanierung der evangelischen Friedenskirche in Bad Wiessee, seit einem Jahr wegen Bauarbeiten geschlossen. Mit riesigem Engagement hatte Pfarrerin Arzberger Spenden gesammelt, um die auf 810 000 Euro kalkulierten Kosten stemmen zu können. Es gelang, mit Sponsoring eine Finanzierungslücke zu schließen. „Aber die Schäden sind umfangreicher als gedacht“, berichtet Dekan Gruber. Die Sanierung wird somit teurer, der Zeitplan ist dahin. „Es ist unser aller Anliegen, dass die Kirche wieder eröffnet wird“, versichert Gruber. Aber man müsse über das weitere Vorgehen beraten. Einen Termin für den Abschluss der Arbeiten könne er derzeit nicht nennen.
Noch kein Termin für die Wiedereröffnung
Die denkmalgeschützte Friedenskirche ist mit 400 Sitzplätzen eine der größten evangelischen Kirchen in Oberbayern. Erbaut wurde sie 1935 von Architekt Bruno Bichler, der auch für die Wandelhalle verantwortlich zeichnet. Zur Verfügung hat die Kirchengemeinde jetzt noch die Tegernseer Christuskirche und die Rottacher Auferstehungskirche. Wenn Raum fehlt, hilft auch die Ökumene: So fand die Trauerfeier für den bekannten Wiesseer Erwin Tontsch in der katholischen Kirche Maria Himmelfahrt statt. Nach Absprache mit den katholischen Kollegen vor Ort sei dies zum Glück möglich, meint Dekan Gruber: „Da ist man sehr gastfreundlich.“