Vorwürfe gegen Pfarrer Weber: „Die Wahrheit muss ans Licht“

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In der Christuskirche hält Urlaubspfarrer Günter Wagner den Sonntagsgottesdienst. © Christina Jachert-Maier

Es ist ein fröhlicher Gottesdienst in schwierigen Zeiten. Urlaubspfarrer Günter Wagner, ein Franke, spricht in der evangelischen Christuskirche vom Vertrauen in den Glauben und die Zukunft. Am Ende wünscht er seinem vorläufig suspendierten Kollegen Martin Weber Kraft und Mut. Es gibt Applaus.

Tegernsee - Ruhestandspfarrer Günter Wagner, ein verschmitzt lächelnder Franke mit grauem Pferdeschwanz, sieht gern mal was Neues. Seit zehn Jahren schon verlässt er mit seiner Frau im Sommer seine Heimat Kitzingen bei Würzburg, um als Kurpfarrer an hübschen Orten Gottesdienste zu feiern, als Urlaubsvertretung. Anfang des Jahres hat er sich drei Wochen lang für Tegernsee verpflichtet, sein erstes Mal dort. Damals war nicht abzusehen, wie dringend sein Einsatz gefragt sein würde. Wie berichtet, hat die Landeskirche Martin Weber, Pfarrer der evangelischen Gemeinde Tegernsee, nach einem Strafbefehl gegen ihn vorläufig suspendiert. Es geht um den Vorwurf des Besitzes jugendpornografischen Materials. Seine Stellvertreterin, Pfarrerin Sabine Arzberger aus Bad Wiessee, ist wegen Krankheit nicht im Dienst.

Urlaubspfarrer spricht Kollegen Mut zu

Jetzt steht Pfarrer Wagner in der evangelischen Christuskirche Tegernsee und hält den Sonntagsgottesdienst – den ersten seit Webers Suspendierung. Knapp 30 Besucher sind gekommen, eine gute Zahl. Wagner spricht davon, dass die besten Zeiten die sind, die noch vor uns liegen. Es ist ein Gute-Laune-Gottesdienst, der gut ankommt. Kantor Peter Wolf sorgt für Musik. „Treib aus, o Licht, all Finsternis“, lautet eine Zeile.

Am Ende des Gottesdienstes berichtet Pfarrer Wagner von einer E-Mail, in der ihm Pfarrer Weber seine Situation schilderte. Auch, dass er sich und seine Familie schützen müsse. Er habe ihm in der Antwort sein Bedauern ausgedrückt, ihm Kraft und Mut gewünscht, sagt Wagner und empfiehlt den Besuchern: „Man darf nicht immer alles glauben, was die Leute erzählen.“

„Es gilt die Unschuldsvermutung“

Nach dem Gottesdienst finden sich draußen vor der Kirchentüre Grüppchen zusammen. Mit dabei ist der Rottacher Klaus Fresenius. Die evangelischen Gemeinden im Tegernseer Tal sind eins, bis aufs eigenständige Gmund mit Pfarrer Andreas Kopp-von Freymann. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagt Fresenius über die Causa Weber. Die gesamte Situation sei eine Belastung: „Es ist kein gutes Gefühl.“ Ähnlich empfindet es Bernd Kuntze-Fechner aus Bad Wiessee: „Mir tut das alles sehr leid.“

Mitleid, das ist das vorherrschende Gefühl in dieser Gruppe. Im kleinen Kreis der Kirchgänger an diesem Sonntagmorgen ist trotz des Strafbefehls des Amtsgerichts niemand zu finden, der glaubt, dass die Vorwürfe gegen Pfarrer Weber gerechtfertigt sind. „Wir stehen hinter Martin Weber als Mensch und als Pfarrer, das gilt für seine ganze Familie“, sagt Peter Friedrich Sieben, Vertrauensmann des Kirchenvorstands. Den Posten teilt er sich mit Alexandra Kirmayr, die ebenfalls mit dabei ist und zu seinen Worten nickt. Man ist sich einig, dass Pfarrer Weber gar nicht anders könne, als gegen den Strafbefehl Widerspruch einzulegen. Auch wenn das Juristische vermutlich lange dauern wird, was bedeutet, dass die Kirchengemeinde entsprechend lange ohne ihren Pfarrer auskommen muss. „Die Wahrheit muss ans Licht“, meint Sieben. Wie die anderen in der Gruppe ist er davon überzeugt, dass der Pfarrer rehabilitiert werden wird. Man wünscht sich, dass er zurückkommt.

Ruhestandspfarrer erhebt Vorwürfe gegen Kirchenobere

„Es war ein Schock“, sagt Ruhestandspfarrer Eckhard Arzberger (85) aus Bad Wiessee über den Umstand, dass nach vielen widerlegten Vorwürfen am Ende doch ein Strafbefehl und damit die Suspendierung kam. Altes werde aufgewärmt, die gleiche böse Suppe immer wieder umgerührt: „Das macht uns alle fertig.“ Seiner Tochter Sabine, Pfarrerin von Bad Wiessee, habe das so zugesetzt, dass sie körperlich und seelisch erkrankt sei, das müsse einmal offen gesagt werden. Die Schuld sei in der Leitung der Kirche „ganz oben“ zu suchen.

Arzberger senior selbst ist weiter aktiv, zwei Beerdigungen stehen in den nächsten Tagen an. Dass die Wiesseer Friedenskirche seit über einem Jahr wegen Sanierung geschlossen ist, macht die Situation nicht leichter. Die Fertigstellung verzögere sich, seufzt er.  

Nur noch zwei Mitarbeiter im Dienst

Kurpfarrer Wagner bleibt bis zum 17. September, dann sind seine drei Wochen um. „Die Kurpfarrer haben uns bis jetzt gerettet“, sagt Religionspä㈠dagoge Klaus Beckel. Mit Kantor Peter Wolf bildet er derzeit die gesamte Mitarbeiterschaft der evangelischen Kirchengemeinde Tegernsee. Pfarramtssekretärin Petra Fischl ist schon seit Monaten wegen Krankheit absent. Das Dekanat hat dem Duo Unterstützung zugesagt, aber wie die konkret aussehen wird, ist offen.

„Wir leben von Tag zu Tag“, sagt Beckel. Jetzt, in den Sommerferien, ist weniger zu tun, aber mit Schulbeginn wird sich das ändern. Fehlen wird Pfarrer Weber vor allem als Macher. „Wir haben ihm den Rücken immer freigehalten, damit er sich um die großen Sachen kümmern kann“, berichtet Beckel. Es stehen große Projekte an: die Kirchen-Kita in Kreuth, Abriss und Neubau des Pfarrzentrums in Tegernsee, Umzug in ein Übergangsdomizil im ehemaligen AOK-Gebäude.

Krippenbetrieb läuft weiter

Doch trotz aller Verwerfungen: Der Kirchenvorstand ist enger zusammengerückt, stärkt Pfarrer Weber und Ehefrau Tina, der Krippenleiterin, den Rücken. Der Krippenbetrieb gehe weiter wie gewohnt, versichert Sieben: „Die Eltern müssen sich keine Sorgen machen.“

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