Nachdem die Landeskirche den evangelischen Pfarrer Martin Weber (54) vorläufig vom Dienst suspendiert hat, stellen sich viele Fragen zur Zukunft der Kirchengemeinde in Tegernsee. Verwaltungsarbeit und Gottesdienste sind gesichert, aber Projekte wie der Neubau des Pfarrzentrums müssen wohl neu bewertet werden.
Tegernsee - Etwa 2500 Mitglieder zählt die evangelische Kirchengemeinde im Tegernseer Tal, einschließlich Kreuth und Hauserdörfl. Mit der vorläufigen Suspendierung ihres Pfarrers Martin Weber steht sie nun ohne Kirchenoberhaupt da. Das Pfarrbüro neben der Christuskirche an der Hochfeldstraße ist geschlossen, ein Anrufbeantworter verweist auf das Dekanat Bad Tölz. Dieses hat sich auf Nachfrage geäußert. „Wir übernehmen nun die Verwaltungsarbeit und versuchen, alle Kausalien, also Gottesdienste und kirchlichen Amtshandlungen, vertretungsmäßig abzudecken“, sagt Dekanatssekretärin Ulrike Globisch. Die Durchführung der Gottesdienste sei gesichert.
Dekanat Bad Tölz übernimmt Verwaltungsarbeit
Wie sich jedoch die Zukunft der Pfarrgemeinde gestaltet, dazu könne sie nicht Stellung nehmen, so Globisch. „Wir wurden selbst von der Mitteilung der Landeskirche überrascht und konnten nicht absehen, dass die Entscheidung nun getroffen wird“, sagt die Dekanatssekretärin. Weitere Aussagen könne nur Dekan Florian Gruber selbst machen, doch der befinde sich bis 15. September im Urlaub. Allerdings stellt Christine Büttner, Sprecherin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), klar, dass Gruber vorab informiert gewesen und –„wie alle zuständigen Stellen“ – eng eingebunden gewesen sei.
Fest steht: Die Landeskirche hat die Reißleine gezogen, spricht selbst von einer „Vorsichtsmaßnahme mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe“. Die wiegen wohl schwer. Es geht offenbar um jugendpornografische Bilder, die Weber vor über 20 Jahren aus dem Internet heruntergeladen haben soll und die nun Grundlage einer neuen Anklage sein sollen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II konnte dazu am Mittwoch (3. September) keine Stellungnahme abgeben, hat diese aber für die nächsten Tage angekündigt. „Die vorläufige Suspendierung ist ausdrücklich keine Vorverurteilung, auf der anderen Seite ist sie nicht an eine rechtskräftige staatliche Entscheidung gebunden“, stellt Kirchensprecherin Büttner klar.
Nach vorläufiger Suspendierung von Pfarrer Weber: Wie geht‘s weiter mit Bauplänen?
Bereits zum 1. März war Weber mit seiner Familie aus der Wohnung im Pfarrheim ausgezogen – „mit Blick auf den Neubau des Pfarrzentrums Tegernseer Tal und den Abriss des bestehenden Gebäudes“, wie im Gemeindebrief vom März mitgeteilt wurde. Ob es zum geplanten Abriss und Neubau kommt, ist inzwischen fraglich. Dabei hatte Weber wohl schon in die Wege geleitet, dass ein Mietvertrag mit der Stadt zum vorübergehenden Umzug der Pfarrei in das ehemalige AOK-Gebäude an der Bahnhofstraße möglich wird. Noch für September soll dies geplant gewesen sein.
Was weitere Projekte betrifft, etwa die Kita in der Emmauskirche Kreuth, so äußert sich die Sprecherin auch dazu: „Kirchengemeinden sind so organisiert, dass sie auch beim Ausfall oder Wechsel der Pfarrperson ihre Arbeit fortsetzen können.“ Auch sei die finanzielle Ausstattung der Kirchengemeinde durch die Landeskirche nicht von der Pfarrperson abhängig. „Alle Projekte sollen fortgeführt werden“, so Büttner. „Sie sind wichtig für die Gemeinde und die Menschen im Tegernseer Tal.“
Dennoch: „Der Stadtrat muss das Neubau-Projekt jetzt völlig neu bewerten“, sagt Vize-Bürgermeister Michael Bourjau, der aktuell Rathauschef Johannes Hagn vertritt. Die Stadt müsse nachdenken, wie man sich die Zukunft der Pfarrei Tegernsee vorstellt, „und dazu muss sich jetzt das Dekanat äußern“. Nicht nur in Hinblick darauf, dass Dekan Gruber sich gerade im Urlaub befindet, hält Bourjau den Zeitpunkt für die Bekanntgabe der vorläufigen Suspendierung für unpassend. „Ich bedaure, dass es zu einer Vorverurteilung Webers gekommen ist, bevor ein endgültiges Urteil der Gerichte bekannt ist“, sagt Bourjau. „Die unternehmerische Person Weber wird uns fehlen.“
Nicht beeinflusst von der Causa Weber ist der Betrieb der Kinderkrippen. Die vier Einrichtungen in Tegernsee, Rottach-Egern und Gmund werden weiter von Martin Webers Ehefrau Tina sowie Eva Schwarzer geleitet. Träger ist die Kirchengemeinde mit dem Kirchenvorstand.
Weber ist bisher noch Schuldekan. Ob er es bleibt, ist für den Miesbacher Schulamtsdirektor Jürgen Heiß bislang völlig offen. Er hatte aus der Tegernseer Zeitung von der vorläufigen Suspendierung erfahren.