„Mar-a-Lago-Abkommen“ - Mafia statt Marktwirtschaft: Trumps unfassbarer Schutzgeld-Plan für Europa

In einem atemberaubenden Tempo schleift der 47. US-Präsident Institutionen, alte Allianzen – und die in Jahrhunderten etablierten Regeln des Welthandels. Manche fragen sich, ob hinter Donald Trumps scheinbar erratischen Entscheidungen – Zölle hoch, Zölle runter, dann verdoppeln – ein langfristiger Plan steckt. Die beunruhigende Nachricht lautet: Es gibt tatsächlich einen – und der ist sogar schon seit November 2024 bekannt.

Damals, kurz nach Trumps Sieg bei der Präsidentschaftswahl, veröffentlichte der Stephen Miran, leitender Stratege bei der Investmentfirma Hudson Bay Capital, ein 40-seitiges Dossier mit dem Namen „A User’s Guide to Restructuring the Global Trading Sytem“. Miran ist nicht irgendein Ökonom: Trump will ihm den Vorsitz seines Beratergremiums in Wirtschaftsfragen übertragen. Mittlerweile zeigt sich: Stephen Miran hat damals das Drehbuch formuliert, das Donald Trump seit seiner Vereidigung im Januar 2025 nahezu detailgetreu umsetzt.

 „Die Wurzel der wirtschaftlichen Ungleichgewichte“

Schon im Einstieg steht ein Satz, den man in den vergangenen Wochen so ähnlich diverse Male aus dem Mund des US-Präsidenten gehört hat: „Die Wurzel der wirtschaftlichen Ungleichgewichte liegt in der anhaltenden Überbewertung des Dollars, die einen Ausgleich des internationalen Handels verhindert.“ Der Wunsch, das globale Handelssystem zu reformieren und gegenüber dem Rest der Welt fairer zu gestalten, sei „seit Jahrzehnten ein ständiges Thema für Präsident Trump“.

Das Papier listet diverse Instrumente auf, wie man diese angeblichen Ungleichgewichte korrigieren könnte. Dabei geht es um Zölle, Inflation, Wechselkurse und internationale Devisen- und Handelsströme.

„Wechselkursveränderung und Zoll gleichen sich aus“

Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass Trumps Zölle die Inflation in den USA anheizen werden – also zu Lasten der US-Verbraucher gehen. Miran fegt diese Bedenke beiseite: Die Betrachtungen der Kritiker seien „zu kurzfristig“ oder „nicht zu Ende“ gedacht. Stattdessen gelte: „Die Wechselkursveränderung und der (Zoll-)Tarif gleichen sich fast vollständig aus.“ Das sei schon 2018 so gewesen, als Trump in seiner ersten Präsidentschaft Zölle gegen China verhängte. 

Kritik, wonach die Preise damals nur deshalb nicht gestiegen seien, weil Importeure die höheren Preise nicht an ihre Kunden durchreichen konnten, also Geld verloren, lässt der Ökonom nicht gelten. Es sei „bizarr“ anzunehmen, dass in Volkswirtschaften mit ausreichendem Wettbewerb die Importeure im Laufe der Zeit ihre Gewinnspannen nicht wiederherstellen würden, „indem sie ihre Lieferanten wechseln“. Das brauche nur Zeit.

Diese Passage passt genau zu Trumps jüngsten Aussagen, dass die Amerikaner noch Geduld haben müssten, weil sich die Wirtschaft in einer „Übergangsphase“ befinde. So wie damals im Konflikt mit China.

Drei Probleme stehen dem Einnahmeplan im Weg

Der Aufsatz zeigt auch: Das Trump-Lager sieht in Zöllen eine Quelle für dauerhaft höhere Staatseinnahmen. Die braucht Donald Trump, damit er seine Wahlversprechen umsetzen kann. 

Das geht aber nur, wenn die Menge der importierten Waren trotz Zöllen nicht nennenswert sinkt. Und es gibt zwei weitere Probleme: Weil auch durch die Zölle nicht genug Geld zusammenkommen wird, um die angekündigten Steuersenkungen komplett umzusetzen, muss Trump hunderte Milliarden Dollar neue Schulden machen. 

Ein starker Dollar und hohe Zinssätze laufen diesem Plan jedoch zuwider. Schon in diesem Jahr werden die USA erstmals eine Billion Dollar Zinsen für ihre Staatsschulden aufwenden müssen. Deshalb muss sein anderer Mechanismus her, um den Dollarkurs zu drücken; ein nicht-wissenschaftlicher. 

Reagans „Plaza-Abkommen“ als Vorbild

Es hat diesen Versuch – in freundlicher Form  - schon einmal gegeben: 1985 überredete der damalige US-Präsident Ronald Reagan die befreundeten Staaten Großbritannien, Japan, Deutschland und Frankreich dazu, gemeinsam den Dollar abzuwerten. Reagans Ziel damals: die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der USA zu stärken. Das Treffen fand im New Yorker Plaza-Hotel statt, was dem Abkommen seinen Namen gab: „Plaza-Accord“ (deutsch: „Plaza-Abkommen“).

Trumps Team hat sich während seiner Präsidentschaftskampagne und in der Zeit zwischen seiner zweiten Wahl und der Vereidigung regelmäßig in seiner Residenz Mar-a-Lago in Florida getroffen – und dabei einen neuen Plan ausgetüftelt. Miran nennt ihn den „Mar-a-Lago“-Accord. 

 „Mar-a-lago-Abkommen“ könnte aus einem Mafia-Film stammen

Im Kapitel „Multilaterale Währungsansätze“ ab Seite 28 entwirft der Autor ein Szenario, das auch aus einem Mafia-Film stammen könnte: Ich schütze dich nur noch, wenn du bezahlst.

Trumps neuer Chefberater präsentiert dort ein ganzes Gruselkabinett an Maßnahmen, die den USA und ihre Notenbank zur Verfügung stünden, um den Handel mit US-Staatsanleihen, das Anlegen von Dollar-Reserven und den Dollarkurs selbst zu beeinflussen. Sie reichen von Gebühren auf das Halten von Staatsanleihen über die willkürliche Kürzung von zugesagten Zins-Zahlungen bis hin zu einem Verbot des Weiterverkaufs.

Was Miran konkret vorschwebt: Verschiedene Länder sollen, wie anno 1985, mithelfen, den Dollar zu drücken – und den USA trotzdem weiterhin Staatsanleihen abkaufen. Damit aber gleichzeitig die Menge der im Ausland gehorteten Dollar abnimmt (um das Leistungsbilanz-Defizit zu drücken), müssen diese Staatsanleihen weniger wert sein als ihre Vorgänger. Wie macht man das? Indem die bisherigen Besitzer zwingt, werthaltige, gut verzinste Anleihen in Null-Prozent-Anleihen mit einer Restlaufzeit von 100 Jahren umzutauschen („century bonds“). Man könnte auch sagen: in nahezu wertlose Papiere. 

Der Ex-Chefökonom der Crédit Suisse lieferte die Basis

Aus Sicht der USA wäre das genial: Der Staat, der in diesem Jahr allein eine Billion Dollar nur für Zinsen ausgeben muss, hätte schlagartig Spielraum im Haushalt. 

Aber wie bringt man die Beteiligten dazu, an so einem offenkundig unrentablen Geschäft mitzuwirken? Den Plan hat der ungarisch-stämmige Ökonom Zoltan Poszar, bis 2023 Chefökonom der Crédit Suisse, im Jahr 2024 für Trumps Team entworfen. Wenn ein Land anderen militärischen Schutz gewähre, müsse dieser von denen, die ihn nutzen, auch bezahlt werden – durch den Kauf von US-Staatsanleihen. Miran nimmt den Ball nun auf: Alle Länder außerhalb der USA müssten sich entscheiden, ob sie als Freunde der USA gelten wollen, als neutrale Unbeteiligte oder als Feinde. Nur die „Freunde“ stünden noch unter dem Schutz des US-Nuklearschirms. Im Gegenzug erfüllen sie die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen der USA.

Es geht also um nichts anderes als Schutzgeld – und zwar über Jahrzehnte. Und es klingt so einfach – vermutlich ganz nach Trumps Geschmack.

So bringt man Länder wie China auf Linie 

Was Miran dabei unter den Tisch fallen lässt: Die größten ausländischen Besitzer von US-Staatsanleihen sind die Chinesen. Rund drei Billionen Dollar halten das kommunistische Regime in Peking und seine Banken. China dürfte aber kaum an militärischem Schutz durch die USA interessiert sein. Dahinter kommen Japan mit 1,2 Billionen und die Schweiz mit 800 Milliarden Dollar. In der Euro-Zone liegt der Fall anders: Hier sind nur US-Treasuries im Wert von etwa 280 Milliarden Dollar versammelt. Dafür ist Europa – noch - umso stärker auf den militärischen Schutz der USA angewiesen. Allerdings liegen die Papiere in allen demokratischen Ländern nicht nur bei Notenbanken, sondern auch bei Geschäftsbanken, Versicherungen und anderen Vermögensverwaltern – die politisch völlig unabhängig sind. 

Doch das ist Miran egal. 

Und wie bringt man all diese Länder auf Linie? Da schließt sich der Kreis: „Es ist leichter vorstellbar, dass Handelspartner wie Europa und China nach einer Reihe von Strafzöllen empfänglicher für eine Art Währungsabkommen im Gegenzug für eine Senkung der Zölle werden“, steht im Dossier.

Eine erste Einteilung in drei Klassen gibt es schon

Zu absurd, um wahr zu sein? Tatsächlich denkt die Trump-Administration an anderer Stelle schon ähnlich. Am Freitag meldete die „New York Times“ unter Berufung auf Regierungskreise, die Administration habe eine Liste mit 43 Ländern erstellt, für die unterschiedlich strenge Einreisebeschränkungen gelten sollen. Laut NYT gibt es drei Listen: eine rote (Einreiseverbot), eine orangene (Einreise nur für „wohlhabende Geschäftsleute“) und eine gelbe.

Bisher geht es nur um Länder wie Afghanistan, Iran, Jemen, Kuba oder Nordkorea (rote Gruppe) oder Belarus, Eritrea, Haiti, Pakistan oder Russland (orange). Aufhorchen lässt jedoch die Definition der dritten, der gelben Gruppe. Diese Staaten sollen laut „NYT“ 60 Tage Zeit bekommen, um Bedenken der US-Regierung auszuräumen. Andernfalls werden sie in die rote oder orangefarbene Liste einsortiert.

Noch sind nur 43 der weltweit 191 Länder betroffen. Aber die Einteilung in drei Gruppen korrespondiert wohl nicht zufällig zu dem oben genannten Schutzgeld-Vorschlag. Und es wäre ein Leichtes, auch europäischen Staaten den gelben Status zu verpassen, wenn man sie unter Druck setzen will. 

Die Selektion in Freund und Feind hat womöglich längst begonnen.