Trotz AfD-Geheimtreffen: Söder bleibt skeptisch wegen Verbot – und die Deutschen auch
Es ist eine Partei, die mit demokratischen Mitteln die Demokratie aushöhlen will. Experten diskutieren daher: AfD verbieten – ja oder nein? CSU-Chef Söder ist dagegen.
München – Wären am kommenden Sonntag Wahlen in Deutschland, käme die AfD auf 24 Prozent der Stimmen. Das ergab eine am Donnerstag (11. Januar) veröffentlichte YouGov-Umfrage. Schon seit Monaten liegen die Umfragewerte der rechtspopulistischen Partei bei über 20 Prozent. Angesichts dieser Zahlen debattieren Experten das Für und Wider eines Verbotes der AfD. Doch auch nach dem jüngst bekannt gewordenen Geheimtreffen rechter Kreise mit AfD-Funktionären sprach sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder weiterhin gegen ein solches Verbot aus.
CSU-Chef Markus Söder spricht sich gegen AfD-Verbot aus
Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt CSU-Chef Söder vehement ab. Doch ein Verbotsverfahren geht ihm zu weit. „Ich glaube, dass das Verbot einfach verfassungsrechtlich extreme Hürden hat. Und ein solches Verbot anzustreben, führt zu einem ziemlich sicheren Scheitern“, sagte der bayerische Ministerpräsident in einem am Donnerstag vom Deutschlandfunk veröffentlichten Auszug aus einem Radiointerview. Damit würde man der AfD einen Freibrief geben und sie derart stärken, dass sie „wahrscheinlich in demokratischen Wahlen kaum mehr zu stoppen“ sei. Ähnlich hatte sich Söder bereits in der Vergangenheit geäußert.
Die deutsche Bevölkerung ist in der Frage indes gespalten: 42 Prozent würden die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD befürworten, ebenfalls 42 Prozent sind dagegen. Das ergab eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos. Deutliche Unterschiede zeigen sich von Ost nach West: Während im Osten Deutschlands 32 Prozent der Befragten für ein Verbotsverfahren und 51 Prozent dagegen sind, sprachen sich im Westen 40 Prozent der Befragten dagegen aus und 45 Prozent dafür.
Zur Umfrage „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie wählen?“
29 Prozent der Befragten gaben laut der am Donnerstag veröffentlichten YouGov-Umfrage die CDU/CSU an. Damit erhielt die Union einen Prozentpunkt weniger Wählerstimmen als bei der Umfrage am 8. Dezember. 15 Prozent würden aktuell die SPD (+1) wählen und 12 Prozent die Grünen (-2). 5 Prozent der Stimmen gingen an Die Linke wählen (+1) und weiterhin 6 Prozent an die FDP. 24 Prozent der Wähler würden der AfD ihre Stimme geben.
In der repräsentativen Umfrage unter 2007 Wahlberechtigten teilten 1614 Menschen ihre Wahlabsicht mit. Die Fehlertoleranz für die Gesamtstichprobe beträgt für einen Anteilswert von 50 Prozent +/-2.19 Prozentpunkte und für einen Anteilswert von 5 Prozent +/- 0.95 Prozentpunkte.
Geheimtreffen zwischen Rechtsextremisten und AfD-Funktionären: Darum ging es
Neue Nahrung erhalten hat die Debatte um ein AfD-Verbot durch ein Geheimtreffen, das Vertreter der Rechtspopulisten mit Rechtsradikalen abgehalten haben sollen. Das Treffen zwischen AfD-Funktionären, finanzstarken Unternehmern und Rechtsextremen hatte im November stattgefunden. Das ergab eine am Mittwoch veröffentlichte Recherche des Medienhauses Correctiv. Bei der Zusammenkunft in Potsdam stellte der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner, Konzeptideen zur „Remigration“ vor - also zur Rückführung von Zugewanderten, wie er der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Dabei sei es auch um die Ausweisung von Deutschen mit ausländischen Wurzeln gegangen, insgesamt Millionen von Menschen.
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Berlin nimmt das Bekanntwerden des Geheimtreffens sehr ernst. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‚Wir‘ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag auf der Plattform X (vormals Twitter). Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei ein Fall für „unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, so Scholz weiter. „Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“ Experten werten die Vorgänge als weitere Radikalisierung der AfD im Vergleich zu ihrem Parteiprogramm für die jüngste Bundestagswahl.
Söder verurteilt Deportationspläne der AfD: „Erinnert als Vorstufe an das Düsterste“
CSU-Chef Söder verurteilte die „Deportationspläne übelster Form“ aufs Schärfste: „Das erinnert wirklich als Vorstufe an das Düsterste, was man sich überhaupt noch vorstellen kann und das Ekligste.“ Die AfD müsse, so Söder, politisch bekämpft werden, dazu gehöre klar zu benennen, dass deren Ziel nichts anderes sei als eine Art Machtübernahme durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Deutschland. „Und das müssen wir viel tiefer und härter und klarer auch erklären, was das bedeutet.“ Neben der Benennung der Probleme brauche es auch vernünftige Konzepte und Lösungen, gerade im Bereich Migration. Es sei machbar, die AfD deutlich zu reduzieren, sagte er. „Übrigens auch vor diesen Landtagswahlen, wenn es in Deutschland eine bessere Politik gibt.“
Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz warnt vor Gefahr für die Demokratie
Indes warnt der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, vor einer Gefahr für die Demokratie. Die Deutschen nähmen die Bedrohung nicht ernst genug, so Haldenwang im Gespräch mit dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“. Man habe sich sehr im komfortablen Privatleben eingerichtet und nehme „nicht hinreichend wahr, wie ernsthaft die Bedrohungen für unsere Demokratie inzwischen geworden sind.“ Man müsse wach werden „und auch endlich klar Position bezieht gegen Extremismus in Deutschland.“
Der Antisemitismus in Deutschland habe seit den Terrorangriffen der Hamas deutlich zugenommen. Während man im gesamten Jahr 2022 2600 antisemitische Straftaten registriert habe, habe es allein seit dem 7. Oktober 1200 solcher Vorfälle gegeben. „Es ist eine Schande, es ist beschämend, wie in dem Land, von dem der Holocaust ausgegangen ist, wie offen inzwischen Antisemitismus gezeigt wird“, so der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz weiter. „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis“, versprach indes Kanzler Scholz auf der Plattform X. (bme)