Werden Panzer knapp? Russland steht unter Druck – und wiederholt zugleich Fehler

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Russland behauptet, genügend Panzer für den Ukraine-Krieg zu haben. Fachleute sehen das anders. Besonders ein Fehler mache Russland zu schaffen.

Kiew – Sollte sich der russische Krieg gegen die Ukraine in den nächsten Jahren fortsetzen, könnten Russland laut neuen Einschätzungen seine Kampffahrzeuge und Panzer ausgehen. Moskau behauptet, trotz hoher Verluste jedes Jahr hunderte Panzer zu reparieren oder neu zu bauen. Fachleute schätzen die Zahl aber weitaus niedriger ein. Erst zuletzt verloren die russischen Streitkräfte offenbar zahlreiche Panzer, weil sie einen taktischen Fehler nicht erkannten.

Wie die US-Nachrichtenplattform Forbes unter Berufung auf Zählungen von Analysten berichtet, sei Russland im Februar 2022 mit 2987 Panzern in die Ukraine einmarschiert. Davon sollen mittlerweile 2619 Panzer zerstört, beschädigt, aufgegeben oder von ukrainischen Streitkräften gekapert worden sein. Wäre der Kreml nicht in der Lage, gleichzeitig Panzer zu reparieren und zu bauen, würden dem Land nur noch 368 Panzer zur Verfügung stehen.

 Ein russischer Panzer Typ T-72B3 feuert während einer Truppenübung auf dem Schießplatz Kadamowskij in der Region Rostow im Süden Russlands.
Ein russischer Panzer Typ T-72B3 feuert während einer Truppenübung in der Region Rostow im Süden Russlands. (Archivfoto) © --/AP/dpa

Russland verzeichnet hohe Verluste bei Panzern - das behauptet der Kreml über die Neubeschaffung

Russland ist aber durchaus in der Lage, Kampffahrzeuge zu erneuern oder neu zu bauen. Im Süden des Landes befindet sich die Uralwagonsawod-Fabrik, in der neue Panzer vom Typ T-90M hergestellt werden. Zudem gibt es einige weitere Fabriken, in denen Kampffahrzeuge repariert werden. Vor diesem Hintergrund hat Moskau laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass allein im Jahr 2023 rund 1500 neue Panzer in die Ukraine geschickt. Dabei soll die Fahrzeugproduktion bis 2023 ungefähr verdreifacht worden sein. Stimmt die Angabe des Kremls, wurden 2022 etwa 500 neue Panzer hergestellt. Das ergibt eine Lieferung von insgesamt 2000 Panzern in den letzten zwei Jahren.

2987 Panzer zu Beginn des Krieges, ein Verlust von 2619 Panzern und eine Nachrüstung von 2000 Panzern: Russland müssten demnach wieder 2368 Panzer zur Verfügung stehen. Eine erstaunliche Summe. Doch Experten zweifeln an den russischen Angaben. Die in Kiew ansässige Organisation Militarnyi verwies in einem Bericht vom 10. Januar auf eine Analyse der französischen Geheimdienstzelle ARI und schrieb: „Laut ARI ist das Arbeitstempo deutlich geringer als in der russischen Propaganda behauptet.“ Den Schätzungen zufolge sei die russische Industrie in der Lage, etwa 390 Panzer pro Jahr zu produzieren, einschließlich neuer, modernisierter und restaurierter Panzer aus Lagerbeständen.

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Das würde bedeuten, dass Russland in den vergangenen zwei Jahren insgesamt nur 780 statt 2000 Panzer in die Ukraine schicken konnte. Angesichts der Annahme, dass seit Ausbruch des Krieges 2619 Panzer zerstört oder beschädigt wurden, wäre das für Russland auf Dauer eine sehr schlechte Bilanz.

Andere Analysen kommen auf ähnliche Ergebnisse. So schätzt das schwedische Forschungsinstitut FOI, dass Russland jährlich 560 neue Panzerfahrzeuge zur Verfügung hat, das wären immerhin etwas mehr. Wie viele Panzer aktuell tatsächlich im Ukraine-Krieg im Einsatz sind oder in Russland bereitstehen würden, werden weiterhin nur Schätzungen bleiben. Oft wird versucht, anhand Satellitenbildern die Anzahl der Panzer in der Ukraine festzustellen. Eine exakte Angabe ist daher nahezu unmöglich.

Russland steht wegen hoher Panzerverluste unter Druck – und wiederholt zugleich taktischen Fehler

Gleichzeitig soll das russische Militär lange Zeit einen entscheidenden Fehler bei ihrem Panzereinsätzen übersehen haben. Das erklärt Riley Bailey, Russland-Analyst am Institute for the Study of War, in einem Gespräch mit dem Business Insider. Sowohl Russland als auch die Ukraine hätten vorübergehend große Kolonnen an gepanzerten Fahrzeugen losgeschickt, um feindliche Linien zu durchbrechen.

Laut Bailey ist das eine schlechte Idee: Panzerkolonnen seien leicht zu durchkreuzen, weil sie sich auf einem offenen Gelände fortbewegen und ein Angriff somit gut vorhersehbar ist. Zudem würden beide Seiten über gute Panzer-Abwehrsysteme verfügen. Während die Ukraine den Fehler schnell erkannte, soll Russland viel länger für die Erkenntnis gebraucht haben. Ein Beispiel für den Fehler sei laut dem Analysten der russische Angriff auf die Stadt Awdijiwka. Nach Angaben des US-Geheimdienstes vom letzten Monat hat Russland seit Beginn der Offensive vor Ort im Oktober mehr als 220 Panzer und 13000 Streitkräfte verloren. Erst in den letzten Wochen sei Russland dazu übergegangen, die Region um Awdijiwka mit Infanterie anzugreifen und mehr Fahrzeuge zurückzulassen. (nz)

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