Blumengruß aus Moskau: Shahed-Drohne hat kleine Schwester – das kann die „Gerbera“
Kriegsgerät aus dem Hobbykeller – Wladimir Putin läutet die nächste Runde der Drohnen-Entwicklung ein mit einer absoluten Low-Budget-Konstruktion.
Kiew – „Die Shahed 136 ist in ihrer Einfachheit genial. Dies, kombiniert mit ihrer fast unheimlichen Genauigkeit, ihrer großen Reichweite und ihren niedrigen Kosten, macht sie zu einer einzigartigen strategischen Distanzwaffe“ – Uzi Rubin ist fasziniert von der iranischen Drohne. „Ihr Flugzeugrahmen aus Kohlefasergewebe und Waben kann praktisch von jedem Heimwerker hergestellt werden“, schwärmt der Analyst des britischen Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) – jetzt hat die Shahed von Wladimir Putin offenbar eine kleine Schwester bekommen – die „Gerbera“, wie das Magazin Defense Express berichtet. Kleiner, primitiver – und dennoch ernstzunehmen: Sie hat gegen die Ukraine eigene Aufgaben zu erfüllen.
„Das allgemeine Leistungsniveau der Drohne kann als mangelhaft beschrieben werden, was auf eine niedrige Produktionskultur und die Verwendung von Materialien zurückzuführen ist, die üblicherweise in Baumärkten erhältlich sind“, schreibt Defense Express. Zwei dieser kleinen Deltaflügler waren offenbar 20. Juli sowie am 24. Juli über der Ukraine gesichtet und abgeschossen worden – der erste davon über Kiew. Die ukrainische Abwehr geht davon aus, dass die Russen mit neuen Drohnentypen (UAV – Unmanned Aerial Vehicle) in die Offensive gehen wollen – der Plan für die neue Waffe scheint zu sein: kostengünstig und dennoch multifunktional einsetzbar.
Putins Humor: Blumennamen für tödliche Waffen
„Gerbera“ scheint die Drohne zu heißen – bekannt wurde die neue Waffe offenbar durch ein Video, dass die Drohnen-Spezialeinheit „Stalins Falken“ auf X (vormals Twitter) gepostet hat. Laut dem staatlich finanzierten Online-Magazin Russia Beyond haben Blumenbezeichnungen für Waffen Tradition in der russischen Armee: „Im Allgemeinen sind Militäringenieure, wenn man die vielen Namen betrachtet, der Sentimentalität nicht abgeneigt. Die trübe Grauheit des Armeealltags bedrückt sie und Ingenieure sehnen sich nach geistigem Erwachen und Aufregung“, schreibt das Magazin.
„Diese Menschen kaufen nicht nur auf eigene Kosten ein und transportieren regelmäßig Lebensmittel, Medikamente, Ausrüstung, Ausrüstung usw. an die Front, sondern haben auch eine handwerkliche Produktion vieler Dinge etabliert – von Socken und Tarnnetzen bis hin zu Drohnen und Wärmebildkameras.“
Die Informationen aus dem Video deckten sich dann offenbar mit den Funden der abgeschossenen Exemplare – wobei die Verblüffung groß gewesen sein muss: Die Demontage ergab, dass die Drohne hauptsächlich aus Schaumstoff besteht, „einem Material, das für sein geringes Gewicht und seine Hochfrequenztransparenz bekannt ist“. wie Defense Express schreibt. Navigations- und Kontrollsysteme sollen demnach in einem Fach aus Sperrholz gesteckt haben – daneben Batterien und ein 4G-Modem mit einer SIM-Karte eines ukrainischen Mobilfunkbetreibers.
Obwohl sich die beiden gefundenen Drohnen in „aerodynamischer Konstruktion und im Herstellungserfahren“ unterschieden haben sollen, scheint sich Defense Express sicher zu sein, dass sie von handwerklich begabten Amateuren zusammengebaut worden sind. In der Hinsicht versuchen sich die beiden Kriegsgegner offenbar zu übertreffen. Jedenfalls will auch die Ukraine die private Initiative massiv stärken: Mychajlo Fjodorow ermutigt die ukrainischen Bürger demnach, kostenlose Online-Kurse zu belegen und Drohnen zu Hause zusammenzubauen.
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Russlands aktuelle Innovation: Die Gerbera soll spionieren, täuschen und töten
Der stellvertretende Ministerpräsident der Ukraine und Minister für digitale Transformation möchte, dass die Ukrainer jährlich eine Million Geräte bauen, wie der US-Sender CBS berichtet. Mit dem Schaumstoff-Flieger scheint aber Wladimir Putin wieder die Nase vorn zu haben – das Modell soll womöglich in drei unterschiedlichen Versionen mit drei unterschiedlichen Aufgaben an die Front geworfen werden.
Aus dem veröffentlichten Video schließt Defense Express, dass die Gerbera als Signalaufklärungsdrohne fliegen soll, als explosive Kamikaze-Drohne und als Drohne für Täuschungsmanöver – in der Funktion würde sie Impulse für gegnerisches Luftabwehr-Radar setzen und den Start von Flugabwehrlenkflugkörpern auslösen. Als Signal Intelligence (SIGINT)-Drohne würde sie Funksignale abhören können sowie anderweitige Signale auffangen und weitergeben. Aus der gefundenen SIM-Karte will die Ukraine erkannt haben, dass ihre Gerbera grundsätzlich spionieren konnte.
Putins Promo-Video: Seine Piloten wollen zeigen, was sie können – und das ist wenig
Besonders interessiert zeigt sich Defense Express für die im Video angedeutete Angriffs-Variante. Aus den Bewegtbildern will das Magazin schließen, dass die Kamera von ziemlich mieser Qualität ist; aus dem Video selbst ergäbe sich danach, dass die Drohne als First-Person-View-Konstruktion vom Können des Piloten abhängt. Im Video selbst landet die Kamikaze-Drohne kurz vor dem Ziel. Dass Russland so einen Fehlschuss publiziert, motiviert das Magazin zu der Vermutung, dass Putins Truppen nur wenige dieser Exemplare zur Verfügung hätten – zu wenige offenbar, um ein anständiges Video zu produzieren. Allerdings scheinen die Russen ihre Gegner wissen lassen zu wollen, was sie können – in der Theorie.
Im Gegensatz zu ihren Kompetenzen in der Elektronischen Kriegführung sind die Russen dem Westen und der Ukraine in der Entwicklung von Drohnen offenbar deutlich unterlegen; das jedenfalls behauptet Isabelle Facon, obwohl Russland ihrer Meinung nach angesichts seiner nachgewiesenen Fähigkeit, komplexe Luft- und Raumfahrtsysteme zu entwickeln, theoretisch in der Lage sein müsste, die für die Entwicklung und Herstellung von UAV erforderlichen Kompetenzen zu beherrschen. „Allerdings müssen Defizite bei Schlüsseltechnologien im Zusammenhang mit der Drohnenentwicklung (Optik, elektronische Systeme für Leichtflugzeuge, Verbundwerkstoffe und so weiter) überwunden werden“, schreibt die Analystin für den Thinktank Center for a New American Security.
Putins Problem: Für große technische Sprünge fehlt offenbar das Geld
Die Ambitionen der russischen Regierung, die Integration von UAV in den Bestand der Streitkräfte zu beschleunigen, würden durch Engpässe in der russischen Industrie behindert, schreibt sie weiter. Die Low Budget-Konstruktion mag also eher der Not geschuldet zu sein, als echtem Innovationsgeist. Die Drohne selbst soll eine Rumpflänge von etwa zwei Metern bieten und eine Flügelspannweite von etwa 2,5 Meter – laut der Meldung von Defense Express wird sie von einem Verbrennungsmotor samt Propeller angetrieben – möglicherweise liegt die Reichweite des UAV bei 300 Kilometern.
Fraglich ist das Alleinstellungsmerkmal der Drohne: Die Gerbera ist deutlich kleiner als die Shahed, sie kann also letztendlich auch weniger Sprengstoff tragen. Möglicherweise ist sie auch nur ein Prototyp für eine neue Materialkombination und die neue Benchmark im Wettbewerb um die kostengünstigste Möglichkeit der Kriegführung. Defense Express vermutet eine „zentralisierte Initiative“ innerhalb der Russischen Föderation, um unabhängige Drohnenhersteller für die Entwicklung neuer Waffen zum Einsatz gegen die Ukraine zu gewinnen, wie das Magazin schreibt. Auch Russland arbeitet verstärkt an der Entwicklung von Drohnen mit Künstlicher Intelligenz.
Ukraine offenbar pfiffiger als Russland: Bei Künstlicher Intelligenz noch die Nase vorn
Wie die Nachrichtenagentur Reuters ausführt, bedeute die Entwicklung von KI-Drohnen im Ukraine-Krieg im Wesentlichen die Optimierung visueller Systeme, die bei der Identifizierung von Zielen und im Anfliegen dieser Ziele mit Drohnen helfen; daneben die Optimierung von Geländekartierungen für die Navigation sowie die Realisierung komplexerer Programme, die den UAV ermöglichen, in miteinander verbundenen Schwärmen zu operieren. Menschliche Operatoren würden da schnell an ihre Grenzen stoßen, sagt Serhii Kupriienko, der Geschäftsführer des ukrainischen Drohnen-Start-ups „Swarmer“.
Russland will aufholen und nutzt dazu den Krieg als Laborsituation. Das behaupteten noch im Januar Samuel Bendett und Jane Pinelis im Magazin War on the Rocks: „Heute testet Russland seine kommerziellen Systeme aktiv in Live-Militäroperationen und erhält so Einblicke in ihre praktische Wirksamkeit“, schreiben sie. Die Analysten stützen sich dabei auch auf Berichte des russischen Online-Magazins lenta.ru.
Demnach werden Putins Truppen an der Heimatfront von verschiedenen Freiwilligen-Verbänden unterstützt. „Diese Menschen kaufen nicht nur auf eigene Kosten ein und transportieren regelmäßig Lebensmittel, Medikamente, Ausrüstung, Ausrüstung und so weiter an die Front, sondern haben auch eine handwerkliche Produktion vieler Dinge etabliert – von Socken und Tarnnetzen bis hin zu Drohnen und Wärmebildkameras“, schreibt das Magazin. Absolventen einer Militärschule in Moskau sollen mit IT-Spezialisten ein Designbüro zur Entwicklung von Drohnen gegründet haben – oder wie das Magazin triumphiert: „Unsere Designer sind junge, autodidaktische Leute.“