Neuer Schlüssel gegen Alzheimer: Forscher entdecken Zucker-Schalter im Gehirn
Gehirnzellen nutzen Zucker auf völlig überraschende Weise – eine Entdeckung, die den Kampf gegen Alzheimer revolutionieren könnte.
Frankfurt – Wissenschaftler haben einen bahnbrechenden Mechanismus in Gehirnzellen entdeckt, der neue Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer und andere Demenzformen weckt. Wie Forscher des Buck Institute for Research on Aging in einer in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlichten Studie berichten, spielt der Abbau von Glykogen – einer gespeicherten Form von Glukose – in Neuronen eine entscheidende Rolle beim Schutz vor toxischen Proteinablagerungen und Gehirndegeneration.
Glykogen-Ansammlung als versteckter Schlüssel bei Alzheimer-Erkrankungen
Dieser spezielle Zucker wird normalerweise in Leber und Muskeln als Energievorrat gespeichert. Im Gehirn gab es bisher nur geringe Mengen – und niemand dachte, dass sie wichtig sind. „Diese neue Studie stellt diese Sichtweise infrage, und das mit beeindruckenden Konsequenzen“, erklärt Professor Pankaj Kapahi, leitender Wissenschaftler der Studie.
Das Forschungsteam unter der Leitung von Doktorand Sudipta Bar entdeckte sowohl bei Versuchstieren als auch in menschlichen Gehirnzellen von Alzheimer-Patienten, dass die Nervenzellen übermäßig viel Zucker ansammeln.
Bar erklärt, dass das berüchtigte Tau-Protein, das sich bei Alzheimer-Patienten zu Verklumpungen zusammenballt, physisch an Glykogen zu binden scheint, es dadurch einfängt und seinen Abbau verhindert. Wenn Glykogen nicht abgebaut werden kann, verlieren die Neuronen einen essentiellen Mechanismus zur Bewältigung von Zellschäden.
Hoffnung gegen Demenz: Forscher entdecken körpereigenen Zucker-Schutzschalter im Gehirn
Die Wissenschaftler fanden heraus, wie sie einen natürlichen Schutzschalter in Gehirnzellen aktivieren können. Normalerweise nutzen Zellen Zucker als Brennstoff. Doch die Forscher entdeckten: Wenn ein bestimmtes Enzym aktiv wird, leitet es den Zucker in einen anderen Weg um – einen, der die Zellen vor Schäden schützt. Auch interessant dazu: Schutz vor Alzheimer: Gehirn „reinigt“ sich selbstständig.
Besonders spannend: Wer weniger isst, aktiviert diesen Schutzschalter automatisch. Das Team konnte zeigen, dass Kalorienrestriktion – also bewusst weniger zu essen – den Schutzmechanismus verstärkt. Die Forscher zeigten mit einem bereits bekannten Molekül namens 8-Br-cAMP, dass die Vorteile der Kalorienrestriktion auch medikamentös nachgeahmt werden könnten.
„Diese Arbeit könnte erklären, warum GLP-1-Medikamente, die heute weit verbreitet zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden, Hoffnung gegen Demenz zeigen, möglicherweise durch Nachahmung der Kalorienrestriktion“, erläutert Kapahi. Die Erkenntnisse funktionieren nicht nur bei Versuchstieren, sondern auch bei menschlichen Gehirnzellen von Patienten mit frontotemporaler Demenz (FTD).
Mögliche therapeutische Strategie für altersbedingte Erkrankungen wie Alzheimer
Kapahi betont, dass diese Studie nicht nur den Glykogenstoffwechsel als unerwarteten Helden im Gehirn hervorhebt, sondern auch eine neue Richtung in der Suche nach Behandlungen gegen Alzheimer und verwandte Krankheiten eröffnet. „Durch die Entdeckung, wie Neuronen Zucker verwalten, haben wir möglicherweise eine neuartige therapeutische Strategie aufgedeckt: eine, die auf die innere Chemie der Zelle abzielt, um altersbedingte Verschlechterung zu bekämpfen“, erklärt er.
„Da wir als Gesellschaft weiter altern, bieten Erkenntnisse wie diese Hoffnung, dass ein besseres Verständnis – und vielleicht eine Neuausrichtung – des versteckten Zuckercodes unseres Gehirns mächtige Werkzeuge zur Bekämpfung von Demenz freisetzen könnte.“
Warum diese Entdeckung ein echter Alzheimer-Durchbruch ist
Diese Forschung gilt als potenzieller Schlüssel gegen Alzheimer, weil sie einen völlig neuen Behandlungsansatz eröffnet. Während bisherige Therapien meist erst bei fortgeschrittener Erkrankung ansetzen, könnte dieser Mechanismus das Gehirn bereits vor Krankheitsausbruch schützen. Bis konkrete Behandlungen daraus entstehen, werden jedoch noch Jahre vergehen. Die Forscher müssen zunächst weitere Studien durchführen und die Erkenntnisse in klinischen Tests am Menschen überprüfen.
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