Staffelsee: Paddler geht gegen Verbot vor

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Paradies für Paddler: Kajakfahrer sind auf dem Staffelsee unterwegs. © Angelika Warmuth/dpa

Ein Seehauser Kanufahrer zieht gegen ein Bade- und Paddelverbot des Landratsamts gerichtlich zu Felde, das im Winter auf Teilen des Staffelsees gilt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wird sich am 28. Januar damit befassen. Es geht um den Schutz der freien Natur auf der einen Seite und das beschnittene Recht, diese zu betreten, auf der anderen.

Seehausen/München – Das Paddeln gehört zu seinem Leben, seit er Kind war. Heute, als Großvater, sitzt er mit seiner Frau immer noch leidenschaftlich gerne im Doppel-Kanadier; in Uffing liegt eines seiner Boote. Harald G. stammt aus Seehausen, auch wenn er mittlerweile in einem Dorf in der Nähe lebt, er ist am und mit dem Staffelsee groß geworden. Und er sagt auch: „Ich bin im Boot aufgewachsen.“ Harald G. kennt gefühlt jeden See-Winkel, er betont, dass er weiß, wie er sich zu verhalten habe und umschreibt seinen Anspruch an sich, geschriebene und ungeschriebene Gesetze zu achten, damit Flora und Fauna keinen Schaden nehmen. „Naturschutz ist mir wichtig.“

Paddler schützt Natur und zieht gegen Naturschutz vor Gericht

Von außen betrachtet wirkt G. also wie ein personifizierter Widerspruch, und das bringt ihn bisweilen in Erklärungsnöte. Denn der gebürtige Seehauser zieht gegen eine Regelung des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen, die seit Anfang 2021 eben genau Natur schützen soll, vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), der den Fall am Dienstag, 28. Januar, ab 10 Uhr verhandelt. Der im Sommer wie im Winter aktive Kanufahrer wendet sich, wie das VGH zusammenfasst, auf dem Wege „der Normenkontrolle“ gegen die Verordnung, mit der auf Teilen des Staffelsees Ruhezonen für Wasservögel geschaffen werden sollen. Der Antragsteller greife insbesondere das zu diesem Zweck erlassene Bade- und Paddelverbot an, das jährlich vom 15. Oktober bis zum 31. März auf Teilen des Obersees greift, und mache geltend, „eine solche Beschränkung des Gemeingebrauchs sei rechtswidrig, weil eine Beeinträchtigung der Tier- und Pflanzenwelt in den Wintermonaten nicht zu erwarten sei“. Es fehle an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass gerade das Befahren dieser Teile des Obersees mit kleinen Wasserfahrzeugen ohne eigene Triebkraft überwinternde Wasservögel aufscheuchen würde.

In den vergangenen Jahren „immer mehr Erholungssuchende“ am Staffelsee

Die Winterverbotszone, die auf den Prüfstand kommt, grenzt an ein ganzjähriges Schutzgebiet und erweitert dieses. Sie umfasst Bereiche des Obersees, die westlich der Ostspitze der Insel Kleine Birke liegen. Im Landratsamt hält man die „Beschränkung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs“, wie es in Behördendeutsch heißt und in diesem Fall heißen soll, dass insbesondere Baden, der Betrieb von Modellbooten oder von Wasserfahrfahrzeugen ohne Motor, etwa Kanus oder SUPs, tabu bleibt, für angebracht: „Durch die stetige und in den letzten Jahren ansteigende Zahl an Erholungssuchenden“, die ganzjährig den Staffelsee nutzen, sei die Verordnung „notwendig, um dem Schutz dieses bedeutenden Lebensraums besser gerecht zu werden“, erklärt Sprecher Stephan Scharf.

Vogel-Schutz vor Störungen, die Flucht auslösen

Das Argument: Wasservögel reagierten bei der Annäherung eines Kajaks oder SUPs ab einer bestimmten Distanz mit Flucht, die zu einem erhöhten Energiebedarf führe. Im Winter würden dabei weitere Wege zurückgelegt als im Sommer. In der kalten Zeit sammelten sich größere Trupps von Wasservögeln auf dem See, „um dort auf eisfreien Flächen zu rasten und zu überwintern. Hierunter finden sich auch viele seltene und in ihren Beständen bedrohte Arten“, erläutert Scharf.

In den Ruhezonen sollen Vögel während der Brut-, Mauser- und Durchzugszeit sowie im Winter vor Störungen geschützt werden. Zudem will man verhindern, dass die Wasservegetation Schaden nimmt. „Die Schutzmaßnahmen haben auch das Ziel, die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivität auf ein für die betroffenen Vogelbestände verkraftbares Maß zu reduzieren“, sagt Scharf. Die Behörde vertritt den Standpunkt, dass die Regelungen „auf die sensibelsten Bereiche und jahreszeitlich auf das Nötigste beschränkt werden und so der Erholung weiterhin großzügig Raum gelassen wird“. Am Untersee und in der Murnauer Bucht könne man das ganze Jahr über paddeln.

Paddler sieht aktuell „keinen Zwang“ für derartige Maßnahmen

Harald G., der gerne zehn Kilometer zurücklegt, sagt, er wisse genau, wo sich im Staffelsee Vögel aufhalten, welche Bereiche er meiden und wie er sich in der Brutzeit verhalten muss. „Rücksicht auf die Natur hat für mich Priorität.“ Er vertritt die Meinung, die Zahl der Arten und Individuen am Staffelsee nehme zu und sieht „keinen Zwang“, sofort mit „solch strengen Maßnahmen zu handeln. Die Situation rechtfertigt es nicht, das Recht des Gemeingebrauchs, den Aufenthalt in der Natur und den Erholungswert derart einzuschränken“. Es ist gerade die Ruhe in bestimmten Seebereichen, die Harald G. sucht. „Sie ist für mich seit der Kindheit schon eine so tiefe Erfahrung.“ Handlungsbedarf sieht er vielmehr im Sommer, wenn Menschenmassen an den See strömen, Tohuwabohu herrsche und viele in eigentlich geschützte Ufer- und Brutbereiche paddelten.

Kanu-Funktionär spricht von „Alibi-Maßnahme“

Dr. Stefan Schmidt vertritt dieselbe Meinung. Das Paddelverbot im Winter „ist aus unserer Sicht eine Alibi-Maßnahme“, sagt der Vorsitzende der Bayerischen Einzelpaddler-Vereinigung, die als Verein dem Bayerischen Kanu-Verband angegliedert ist. Schmidt, im Verband Ressortleiter für Umwelt und Gewässer, besitzt eine gewisse Vorerfahrung, was VGH-Verhandlungen auf diesem Gebiet angeht, weil er sie in anderen Fällen initiierte. Nun konnte er Harald G., Mitglied in seiner Vereinigung, als direkt Betroffenen dafür gewinnen. Schmidt sitzt vor Gericht im übertragenen Sinn mit im Boot. „Im Sommer würde man sich mit einem Verbot unbeliebt machen bei der Bevölkerung“, sagt Schmidt. Im Winter besitze das Paddeln seinen eigenen Reiz, sei extrem schön. Dann seien aber nur einzelne Enthusiasten unterwegs. „Damit hat man die Leute ausgesperrt, die sich ganzjährig vernünftig und per se umweltbewusst verhalten. Die Verbote im Winter treffen die wenigen, die diesen Sport ernsthaft betreiben.“

Wird mit Verbot zu sehr in Rechte eingegriffen?

Das Landratsamt sieht sich erstmals damit konfrontiert, dass ein Wassersportler am Staffelsee gegen eine Verordnung mit einem Antrag auf Normenkontrolle vorgeht. Die Entscheidung lässt sich nicht grundsätzlich auf andere Seen übertragen, hängt von Gewässer und Einzelfall ab: Der Senat, erläutert VGH-Pressesprecher Felix Nürnberger, werde „im Verfahren anhand der konkreten Umstände zu entscheiden haben, ob durch die Regelungen dieser Verordnung die Natur am Staffelsee in einer Weise geschützt wird, ohne dass unverhältnismäßig in die Rechte des Antragstellers eingegriffen wird.“

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