Neue Standorte, neuer Zündstoff: Windkraft-Pläne im Ebersberger Forst „schreiten voran“

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Nicht wie ursprünglich im Westen, sondern zentral im Forst sind die fünf Anlagen nun geplant (Grün). Im Umweltausschuss ringt der Kreistag um ein Vorranggebiet (Blau), größer als die bisherigen Potenzialflächen (Rot). Es sollen dennoch nicht mehr als fünf Anlagen bekommen, wie im Bürgerentscheid abgestimmt.
Nicht wie ursprünglich im Westen, sondern zentral im Forst sind die fünf Anlagen nun geplant (Grün). Im Umweltausschuss ringt der Kreistag um ein Vorranggebiet (Blau), größer als die bisherigen Potenzialflächen (Rot). Es sollen dennoch nicht mehr als fünf Anlagen bekommen, wie im Bürgerentscheid abgestimmt. © Grafik: OpenStreetMaps-Mitwirkende/MM (Abenthum)

Fünf Rotoren für den Ebersberger Forst, dabei soll es bleiben. Obwohl dort ein Vorranggebiet Windkraft entsteht. Die beteiligten Unternehmen haben die Standorte nun festgezurrt.

Landkreis – Nur ein paar Stunden vor der Sitzung des Kreis-Umweltausschusses lässt am Dienstagvormittag der Landrat eine Pressemitteilung los: „Die Planungen für den Windpark im gemeindefreien Gebiet im Ebersberger Forst schreiten voran“, heißt es darin. Am Nachmittag wird der Ausschuss über das geplante Vorranggebiet Ebersberger Forst beraten, mit dem Windenergieanlagen dort privilegiert gebaut werden könnten.

Standorte stehen fest: Zentral im Forst statt „Perlenkette“ im Westen

In der Mitteilung vom Vormittag sind die fünf Standorte eingezeichnet, wie sie laut einer Mitteilung der Projektträger „Qualitas Energy“, „ALP.X (ehemals Surplus Energy) und dem Eberwerk, ebenfalls vom Dienstag, nun feststehen. Neu ist: Sie liegen zentral im Forst. Die ursprüngliche „Perlenkette“, eine gerade Linie im westlichen Teil auf Höhe Pöring bis Purfing ist offenkundig Geschichte.

10-H-Abstandsregel zu Wohnbebauung, Wildruhezone, Wasserschutz und FFH-Gebiet seien bei der Standortfindung berücksichtigt. Ebenso in der Vereinbarung mit Surplus und den Bayerischen Staatsforsten als Grundeigentümer verankert wie die im Bürgerentscheid 2021 abgestimmte Beschränkung auf maximal fünf Rotorentürme. „Dass die Bayerischen Staatsforsten die vom Kreistag beschlossenen Kriterien in dem bestehenden Vertrag verankert haben, ist ein starkes Zeichen. Damit wird nochmals deutlich, dass auf die Belange der Anwohner rund um den Forst und die besonderen Rahmenbedingungen des Bürgerentscheids Rücksicht genommen wird“, lobt der Landrat in der Pressemitteilung.

Ausschuss debattiert zu Vorranggebiet

Im Ausschuss wiederum ging es am Dienstag darum, 2659 Hektar des Ebersberger Forsts als „Vorranggebiet“ für die Windenergie auszuweisen, beziehungsweise das entsprechende Vorhaben des Regionalen Planungsverbands München (RPV) abzusegnen. Das geplante Gebiet umfasst die für die geplanten fünf Rotoren definierten Potenzialflächen und geht darüber hinaus. So soll der Landkreis dem Flächenziel von 1,8 Prozent seiner Gesamtfläche als Vorranggebiet gerecht werden, im Sinne des „Wind-an-Land-Gesetzes“ der Bundesregierung.

Die Grünen im Kreistag hatten Niedergesäß und dem Landratsamt vorgeworfen, es handle sich bei den RPV-Planungen um eine „Scheinausweisung“, weil durch Bürgerentscheid und Standortsicherungsvertrag die Zahl der Anlagen auf fünf begrenzt ist. Der Landkreis solle Flächen außerhalb des Forstes als Vorranggebiete benennen. Gegenüber Journalisten sagte Niedergesäß zu dem Vorwurf: „Wir tricksen nicht.“ Der RPV wolle nun mal nicht kleinteilig ausweisen, sondern größere Flächen benennen – weitere etwa im Hofoldinger Forst (Kreis München) und um Buch am Buchrain (Kreis Erding).

Nach intensiver Debatte stimmte der Umweltausschuss am Dienstagabend einem Vorschlag des Landratsamtes für eine erste Stellungnahme zu dem Vorabentwurf des RPV mit großer Mehrheit zu, auch mit den Stimmen der Grünen (Bericht folgt). Enthalten ist die Fünf-Anlagen-Deckelung.

Staatsforsten und Landrat versprechen Vertragstreue

An die Vorgabe aus dem Bürgerentscheid fühle sich Niedergesäß „politisch gebunden“. Und zum Standortsicherungsvertrag sagt er: „Ich gehe davon aus, dass wir uns auf unsere Vertragspartner verlassen können.“

Für diesen spricht Heinz Utschig, Chef des Staatsforstbetriebs Wasserburg und damit Hausherr im Ebersberger Forst. „Wir halten uns an den Standortsicherungsvertrag, da braucht Ebersberg keine Angst zu haben“, sagte er der EZ am Telefon. Allerdings sagt er mit Blick auf das geplante Vorranggebiet auch: „Das hat eine rechtliche Bedeutung.“ Schließlich werde die Windkraft damit im betreffenden Gebiet zum privilegierten Bauvorhaben. Die Fünf-Anlagen-Grenze sei ein „Coup des Landrats, um Druck vom Wald zu nehmen“. Aber: Sollte der politische Wind sich drehen, und sei es nach der Amtszeit Niedergesäß, könne das Folgen haben: „Wer weiß, was man mit so einer Ausweisung anfangen kann?“, fragt Utschig rhetorisch.

Stellungnahme: Umweltausschuss betont Fünf-Anlagen-Deckel

Rein räumlich betrachtet böten die RPV-Planungen schließlich Raum für wesentlich mehr Windenergieanlagen – mit Blick auf 40 geplante Rotoren im Staatsforst bei Altötting bringen die Gegner des Vorhabens im Forst nun ähnlich hohe Zahlen ins Spiel, wohl wissend um ihre politische Hebelwirkung. Im Sinne des Bürgerentscheids heißt es dagegen in der verabschiedeten Stellungnahme des Umweltausschusses vom Dienstag: „Allerdings befürwortet der Kreistag lediglich die Verwirklichung von maximal fünf WEA auf dem Gebiet des LSG (Landschaftsschutzgebietes) Ebersberger Forst.“ Außerhalb des Forstes sollten die Kommunen die Planungshoheit behalten.

Innerhalb des Forstes haben bei den Planungen für die fünf Rotoren übrigens die Worte „gemeindefreies Gebiet“ und „Landschaftsschutzgebiet“ Gewicht, das zeigt die geplante Vorrangfläche des RPV: Diese enthält neben dem inneren Ebersberger Forst auch drei weitere Flächen südöstlich der Mülldeponie Schafweide, die respektive auf Ebersberger, Hohenlindener und Steinhöringer Flur liegen. Auch hier könnte also privilegiert Windkraft geplant werden. Mindestens in Ebersberg ist längst klar, dass dies Realität werden soll.

Staatsforsten-Chef lobt Standort nahe Anzinger Straße - Bürgerbeteiligung läuft an

Zufrieden zeigt sich übrigens Forsten-Chef Heinz Utschig mit der Standortwahl für die fünf Rotoren im Landschaftsschutzgebiet. „Das finde ich ganz gut.“ Zwar lägen diese nun näher am FFH-Gebiet, doch dafür weiter weg von der Wildruhezone – und zehn Meter höher. „Jeder Meter zählt“, so Utschig. Dank der räumlichen Nähe zur Anzinger Straße müssten wohl auch weniger Bäume für die Bauarbeiten weichen, da diese doppelt so breit sei wie ein normales Forstgeräumt.

In der Pressemitteilung von Qualitas Energy, ALP.X und Eberwerk heißt es nun: „Die Projektbeteiligten wollen die Windenergieanlagen so schnell wie möglich in Betrieb nehmen.“ Im Raum stand zuletzt abhängig vom Genehmigungsverfahren das Jahr 2027. Bereits jetzt bietet das Eberwerk die Möglichkeit zur Vormerkung für eine Bürgerbeteiligung an, unter dem Namen „Bürgerwindpark Ebersberger Forst“. Wie genau das Modell funktionieren soll, „werden wir im weiteren Projektverlauf noch im Detail definieren“, zitiert die Mitteilung den Eberwerk-Geschäftsführer Markus Henle.

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