Woher die 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur kommen – und wofür sie ausgegeben werden
Noch steht eine Koalition zwischen CDU, CSU und SPD nicht fest, doch ein gemeinsames Projekt haben die Sondierungsgespräche bereits ergeben. Um die Infrastruktur im Land zu verbessern, sollen in den kommenden zehn Jahren insgesamt 500 Milliarden Euro über ein neues Sondervermögen ausgegeben werden.
Beschließen wollen die möglichen Partner dies noch mit dem alten Bundestag, denn für das Sondervermögen ist eine Grundgesetzänderung nötig. Die wiederum verlangt nach einer Zweidrittelmehrheit im Parlament und die wiederum gibt es im neuen Bundestag nur mit Stimmen der AfD oder der Linken, was keiner möchte. In der alten Besetzung, die spätestens bis zum 25. März noch im Amt ist, würde es reichen, die Grünen oder die FDP zu überzeugen. Ist das Sondervermögen beschlossen, hätten Union und SPD also allein in den kommenden vier Jahren ihrer Regierung 200 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben zur Verfügung. Mindestens zwei weitere Regierungen könnten in künftigen Legislaturperioden weitere 300 Milliarden Euro ausgeben. Das führt zu vielen Fragen rund um diese enormen Summen.
Warum muss das Sondervermögen genau 500 Milliarden Euro groß sein?
Auf den ersten Blick könnte „500 Milliarden“ einfach eine schöne runde Zahl sein. In den USA hatte zuletzt etwa auch Präsident Donald Trump versprochen, „eine halbe Billion Dollar“ an unnötigen Staatsausgaben einzusparen. Während der sich diese Zahl aber tatsächlich aus der Luft gegriffen hat, stammt sie im deutschen Kontext aus der Wissenschaft. Medienberichten zufolge soll Noch-Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) dazu bei den Sondierungsgesprächen einen überzeugenden Vortrag gehalten haben. Er stützte sich dabei auf die Berechnungen mehrerer Ökonomen.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hatten bereits im vergangenen Mai eine gemeinsame Studie verfasst. Darin nennen die Ökonomen sogar die Summe von 600 Milliarden Euro, die in den kommenden zehn Jahren investiert werden müsste. Allerdings sind darin auch Ausgaben enthalten, die über klassische Investitionen des Staates hinausgehen. Das sind etwa Subventionen für private Unternehmen für den Ausbau des Stromnetzes oder die energetische Sanierung von Gebäuden. Ebenfalls fassen IW und IMK in ihrer Studie Ausgaben für den Bildungsbereich in Höhe von 41,4 Milliarden Euro mit ein und viele Ausgaben, die eigentlich Aufgabe der Kommunen wären – etwa der Ausbau des ÖPNV. Allerdings kann der Bund solche kommunalen Ausgaben natürlich bezuschussen.
Regulärer Bundeshaushalt enthält Infrastruktur-Investitionen
Gut möglich ist also, dass Union und SPD für ihren Plan einige der Ausgaben aus der Studie herausgenommen haben, weil sie nicht über das Sondervermögen finanziert werden sollen. Zu beachten ist zudem, dass auch im regulären Bundeshaushalt Infrastruktur-Investitionen enthalten sind. Ifo-Präsident Clemens Fuest, der der Studie im Allgemeinen zustimmt, mahnte denn nach ihrer Veröffentlichung auch, dass ein neues Sondervermögen nicht dazu führen dürfte, dass Ausgaben aus dem Haushalt gestrichen würden. Im schlussendlich nicht umgesetzten Bundeshaushalt für 2025 hatte die Ampel-Regierung mit Ausgaben von knapp 30 Milliarden Euro für die Infrastruktur geplant. Darin sind allerdings auch alle Wartungs- und Reparaturarbeiten enthalten, die nicht als Investitionen zählen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatte in einer Berechnung kurz vor der Bundestagswahl ein Investitionspaket von 100 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre vorgeschlagen. Das wären 25 Milliarden Euro pro Jahr, also rund halb so viel wie von Union und SPD nun geplant.
Die Wirtschaftsweisen, fünf Ökonomen, die die Bundesregierung beraten, hatten in ihrem Jahresgutachten vergangenes Jahr bereits einen Infrastrukturfonds vorgeschlagen, aber keine genauen Zahlen dafür genannt.
Wie viel sind 500 Milliarden Euro wirklich?
500 Milliarden Euro klingt erst einmal nach einer irren Summe. Es ist etwas mehr Geld als die Bundesregierung in einem Jahr ausgibt. Gestreckt auf 10 Jahre wird die Summe schon kleiner, aber auch 50 Milliarden Euro pro Jahr sind noch viel – eben rund zehn Prozent des Bundeshaushaltes. Ökonomen messen solche Ausgaben aber meist nicht am Staatshaushalt – der kann politisch beliebig verändert werden – sondern an der Wirtschaftskraft eines Landes. Verglichen mit dem deutschen Bruttoinlandsprodukt von zuletzt rund 4,3 Billionen Euro machen 50 Milliarden Euro also nur rund 1,2 Prozent aus. Zum Vergleich: Das Ziel der Nato für die Verteidigungsausgaben sind 2,0 Prozent, also deutlich mehr.
Um diese 1,2 Prozent würde sich die bisherige deutsche Investitionsquote in der Infrastruktur erhöhen. Das ist im internationalen Vergleich bitter nötig. Noch in den 1970er Jahren investierte Deutschland zwischen 4 und 6 Prozent seines BIP jährlich. Seit der Jahrtausendwende stagniert diese Quote bei rund 2,5 Prozent, nur in der Corona-Krise gab es einen kleinen Knick nach oben. Im internationalen Vergleich der OECD-Länder liegt Deutschland damit auf dem 38. von 45 Plätzen. Mit dem geplanten Sondervermögen würden wir uns auf das Level von Frankreich und Kanada rund um Platz 20 verbessern – und über den OECD- und EU-Durchschnitt steigen.
1,5 Prozent höheres Wirtschaftswachstum möglich
Zudem zahlen sich solche Investitionen auch durch höhere Einnahmen aus, denn eine bessere Infrastruktur nutzt der Wirtschaft und verbessert entsprechend den Konsum und die Steuereinnahmen. Das DIW schätzt, dass selbst seine 25 Milliarden Euro pro Jahr schon für 1,5 Prozent höheres Wirtschaftswachstum sorgen würden. Nach 10 Jahren mit einem so gesteigerten Wachstum läge das BIP 18 Prozent höher als ohne Sondervermögen – das könnte ein Unterschied von bis zu 750 Milliarden Euro sein. „Der Effekt dürfte sogar so groß sein, dass die höhere Wirtschaftsleistung und die damit verbundenen zusätzlichen Steuereinnahmen die Ausgaben finanzieren würden“, schreibt das DIW als Schlussfolgerung.
IW und IMK haben in ihrer Studie mit mehr als doppelt so hohen jährlichen Ausgaben keine solche Berechnung angestellt, teilen aber die Schlussfolgerung: „Bei einer solchen kreditfinanzierten öffentlichen Investitionsoffensive istt mittel- bis langfristig sogar mit einer niedrigeren Schuldenquote zu rechnen als ohne eine solche Erhöhung der öffentlichen Investitionen.“
Wofür könnte das Geld ausgegeben werden?
500 Milliarden Euro für die Infrastruktur klingen gut, aber die Bundesregierung muss dazu auch einen detaillierten Plan machen, wofür dieses Geld ausgegeben werden soll. Dafür ist erst einmal zu erklären, was alles zur Infrastruktur gehört. Gemeinhin wird diese definiert als der komplette organisatorische Unterbau einer Gesellschaft und Wirtschaft – also alle Systeme, die Akteure nutzen können, um damit zu arbeiten.
Am ehesten denken wir bei diesem Begriff an die Verkehrs-Infrastruktur, also Straßen, Schienen, Wasserwege, Häfen und Flughäfen. Hier wird wohl auch ein großer Teil des Sondervermögens eingesetzt werden. IW und IMK schätzen den Investitionsbedarf auf 166 Milliarden Euro. 60 Milliarden Euro müssten in das Schienennetz, 39 Milliarden Euro in Autobahnen und Bundesstraßen sowie 28 Milliarden Euro in den lokalen und regionalen ÖPNV investiert werden. Hinzu kommen knapp 39 Milliarden Euro, die die Kommunen laut KfW-Kommunalpanel von 2023 in den Ausbau ihrer Straßen investieren müssten.
Auch in der Bildungs-Infrastruktur ist der Bedarf enorm
Ein zweiter großer Punkt ist die Bildungs-Infrastruktur, also Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Auch hier ist der Bedarf enorm. IW und IMK schätzen die gesamten Ausgaben auf rund 101 Milliarden Euro. Sie setzen sich zusammen aus kommunalen Ausgaben von 47 Milliarden Euro für Schulen, Bundesausgaben von 35 Milliarden Euro für Hochschulen, kommunalen Ausgaben von 12 Milliarden Euro für Kitas und 7 Milliarden Euro des Bundes für den Ausbau von Ganztagsschulen.
Einen großen Posten macht der Klimaschutz aus. Hier geht es etwa dem Ausbau der Energie-Infrastruktur, also vornehmlich den Ausbau des Stromnetzes. Hinzu kommen aber Posten wie der Aufbau eines Wasserstoffnetzes, einer Ladeinfrastruktur für Elektroautos, die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Ausbau von Wärmenetzen. Auch die Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden fällt hierunter. IW und IMK rechnen diesen Posten auf 200 Milliarden Euro hoch. Genau aufgegliedert wird er nicht. Das Kommunalpanel rechnet zudem mit rund 20 Milliarden Euro für den Umbau von Verwaltungsgebäuden.
Die restlichen Milliarden verteilen sich auf 36,8 Milliarden Euro des Bundes für die Förderung des Wohnungsbaus und auf zahlreiche kleinere Ausgabenposten der Kommunen, angeführt von 13,2 Milliarden Euro für die Klima-Anpassung (etwa Begrünung und Flächenentsiegelung), 12,3 Milliarden Euro für die Feuerwehr, sowie Ausgaben für die Modernisierung der Wassernetze, des Internets, Sport, Kultur und Sonstiges.
Was fehlt in den 500 Milliarden Euro noch?
Aufmerksame Leser haben gemerkt, dass hier noch einige wichtige Punkte einer gesellschaftlichen Infrastruktur nicht berührt wurden. Dazu gehört etwa das gesamte Gesundheitssystem. IW und IMK haben das in ihrer Studie absichtlich ausgelassen, weil die Kosten hier nicht allein vom Staat, sondern von den Krankenkassen und privaten Investoren getragen werden. Der Breitbandausbau, sei es Glasfaser oder Mobilfunk, fehlt, weil die Ökonomen davon ausgehen, dass dies auch aus dem normalen Bundeshaushalt bezahlt werden kann.