Stefanie Knittl bringt neues Buch raus: „Die lange Geschichte eines kleinen Hauses“
Für Rückbesinnung und respektvollem Umgang mit alter, historischer Bausubstanz möchte Stefanie Knittl Öffentlichkeit und Verantwortliche in Politik und Verwaltung mit ihrem zweiten Buch sensibilisieren. Darin lässt sie als alter ego ein ehemaliges Arbeiterhäuschen über seine eigene Geschichte und die Baukultur erzählen.
Tutzing – Stefanie Knittl ist Spross der gleichnamigen Tutzinger Baumeisterfamilie, die einst als größtes Bauunternehmen am Starnberger See vier Generationen lang (1872 bis 1987) das Bauen und Wohnen in Oberbayern geprägt hat. Die Recherchen zu ihrem 2018 in erster Auflage – zweite Auflage 2021 – erschienenen Buch über die Geschichte ihrer Familie und den von ihr erbauten Häusern haben sie beflügelt, nochmals tiefer in die „faszinierende Welt der historischen Bauten und ihre Geschichten einzutauchen“, schreibt sie im Vorwort ihres jüngst herausgegebenen zweiten Werkes. In dem in der „baumeisteredition“ erschienenen, knapp 130 Seiten umfassenden Buch lässt Knittl „Die lange Geschichte eines kleinen Hauses“ von diesem selbst erzählen: eine Geschichte über die Baukultur am Starnberger See aus der Sicht eines historischen Arbeiterhäusls.
Auch wenn die Baufirma Knittl schon seit bald vier Jahrzehnten Geschichte ist, das Stammhaus und der Firmensitz des Unternehmens ist allen Tutzingern und den vorbeikommenden Besuchern der Seegemeinde präsent: das Baudenkmal, Hauptstraße 93, eine stattliche Villa. Sie hatte der aus Tirol stammende Maurermeister Joseph Knittl errichten lassen. Sein ältester Sohn Xaver baute 1905 auf dem weitläufigen Gelände des Bauunternehmens ein Arbeiterhäusl. Das bot nicht nur den Mitarbeitern der Firma ein Dach über dem Kopf, sondern war auch Unterstand für die Pferde, die vor die Fuhrwerke zum Transport der Gerätschaften und des Baumaterials zu den Arbeitsstätten gespannt wurden.
Nachdem die Pferde in den 1920er-Jahren durch motorisierte Zugmaschinen ersetzt worden waren, erlebte das Arbeiterhäusl einen spannenden Aufschwung zu einer Kultstätte. Ein Kriegsflüchtling aus Böhmen etablierte in dem vormaligen Pferdestall einen Getränkehandel mit Ausschank von Bieren des Bräuwastl aus Weilheim – ohne Konzession. Dieser Fauxpas führte womöglich zum Namen „Schwarze Gans“ für die Kneipe, die bis Anfang der 1980er Jahr beliebter Treffpunkt war – ursprünglich für Bau- und andere Handwerker, später auch für andere Gäste, die die kultige Atmosphäre liebten.

In den folgenden Jahren verkam das Gebäude an der Von-Kühlmann-Straße mehr und mehr. 2018 entschloss sich Stefanie Knittl zur Sanierung des historischen Gemäuers. Mit viel Liebe fürs Detail und Bewahrung und Suche nach Ursprüngen des Hauses zogen sich die Arbeiten bis kurz vor Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hin.
Das Ergebnis ist ein kleiner, aber atmosphärisch über schwellender Ort baumeisterlicher Kultur geworden. „Unter dicker Erdschicht haben wir die aus dem Baujahr stammende mosaikartige Pflasterung im Eingangsbereich zum Pferdestall freigelegt“, erzählt Stefanie Knittl. Dort ist auch die Preußische Kappendecke erhalten worden, ein aus aneinandergereihten flachen Segmenten bestehendes Tonnengewölbe. In diesem Gewölbe stecken auch noch die Befestigungsringe zur Anleinung der Pferde.
Unter diesem Gewölbe hat die aus Frankreich stammende Künstlerin Danielle Vochims ihr Atelier eingerichtet. Im Frühjahr vorigen Jahres war sie dort eingezogen, nachdem sie ihr bisheriges Domizil als Untermieterin von Richard von Rheinbaben in der Kustermann-Villa hatte räumen müssen. Wie berichtet, hatte die Gemeinde den Pachtvertrag für das Ensemble am Seeufer aufgekündigt. Der Umzug hat sich für die Künstlerin gelohnt. „Wer mich hier besucht, ist angenehm überrascht“, sagt die Französin und ergänzt: „Das historische Ambiente lebt, sagen die Besucher.“
Dieses Gefühl scheinen auch die Mitnutzer des früheren Arbeiterhäusls zu teilen. Zwei kleine Wohnungen sind belegt. Und unterm Dach betreibt ein junger Unternehmer in einem lichtdurchfluteten Loft seine Werkstatt für selbstgefertigte Rücksäcke und Schulranzen.
Meine news
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Starnberg-Newsletter.)
Stefanie Knittl hatte für das sanierte Gebäude Denkmalschutz beantragt – um Baukunst, Nachhaltigkeit, Historie und Rückbesinnung darauf Wertschätzung zu ermöglichen. Die Politik habe das abgelehnt, sagt sie. Eine noch zu gründende Stiftung soll das staatliche Desinteresse ersetzen und den Erhalt des Bauwerks ihrer Ahnen sichern.
Wer die Hintergründe weiterer Baustätten rund um den Starnberger See und darüber hinaus erfahren möchte, dem sei das neue Werk von Stefanie Knittl empfohlen.
Von Stephan Müller-Wendlandt