Stolzer Blick auf 700 Jahre Marktrecht

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Bartholomäusmarkt 1929: Auf diesem Bild sieht man, wie die Marktstände rund um das Rathaus - auch im Bereich des „Marktplatzes“ - aufgebaut sind. © Marktarchiv Dießen/Fotosammlung Elisabeth Jaschhof

Im August vor genau 700 Jahren wurde der Ammerseegemeinde Dießen von König Ludwig IV. das Marktrecht zugesprochen. In einer Pressemitteilung erinnert das Marktgemeindearchiv nun an dieses besondere Jubiläum und die damaligen Hintergründe dazu.

Dießen - Ein unscheinbares Blatt von kaum DIN-A4-Größe, klein zusammengefaltet, ist eines der wertvollsten Dokumente im Marktarchiv Dießen: Der deutsche König Ludwig IV., später bekannt als Kaiser Ludwig der Bayer, verleiht darin dem Markt Dießen das Recht, einen Wochenmarkt abzuhalten. Auf diesen kleinen „Schatz“ verweist die Marktgemeinde in einer Pressemitteilung aus Anlass des 700. Jahrestages. Das Recht, einen Wochenmarkt abzuhalten, ist die Kurzversion des Inhalts, doch dahinter verberge sich bei näherem Hinsehen noch viel mehr – nämlich ein bedeutendes Kapitel der deutschen Geschichte.

Der Streit um die Krone

Im Jahr 1324 streitet sich der römisch-deutsche König Ludwig IV. mit dem ebenfalls zum römisch-deutschen König gewählten Habsburger Friedrich dem Schönen schon seit zehn Jahren um die Krone. Da er wegen dieser Sache auch im Konflikt mit dem Papst liegt, ist Ludwig IV. seit dem Frühjahr dieses Jahres exkommuniziert – und mit ihm alle, die zu ihm halten. In weiten Teilen Deutschlands herrscht daher Bürgerkrieg, und es gibt weder Gottesdienste noch werden Sakramente gespendet.

Ludwig IV. versucht in dieser heiklen Lage, Adelige, Geistliche und besonders auch Städte und Märkte auf seine Seite zu ziehen: Er benötigt dafür aber dringend politische und militärische Hilfe. Im Jahr 1322 war ihm und seinen Verbündeten bei der Schlacht von Mühldorf zwar ein entscheidender Sieg über Friedrich gelungen, doch er ist weiterhin auf Unterstützung angewiesen. Zum Dank für ihre Dienste und um sie weiter an sich zu binden, verteilt er Privilegien.

Die Urkunde über Verleihung eines Wochenmarktes aus dem Jahr 1324.
Nur zehn Zeilen: Die Urkunde über Verleihung eines Wochenmarktes aus dem Jahr 1324. © Marktarchiv Dießen

Der spätere Markt Dießen hat ihn offenbar tatkräftig unterstützt, denn „durch dienst, die vns die bescheiden laeute die Gemain der purger zuo Dyessen getan habent“ erhalten sie 1324 das Recht, „alle Wochen einen Margt zehaben an dem Erttage“, jeden Dienstag einen Wochenmarkt abzuhalten. Das war in der damaligen Zeit ein seltenes Privileg und für die Entwicklung der Ammerseegemeinde maßgeblich.

Deutsch löst Latein in juristischen Texten ab

Die Urkunde, die aus so „chaotischen Zeiten“ stammte, wurde über die Jahrhunderte hinweg entsprechend sorgfältig aufbewahrt. Das Dokument ist nicht, wie im Mittelalter üblich, in lateinischer, sondern in gut verständlicher deutscher Sprache verfasst. Das kommt einerseits den darin in erster Linie angesprochenen Bürgern entgegen, da sie den Inhalt ohne Übersetzung verstehen konnten und eine emotionale Nähe zwischen dem König und seinen Verbündeten erzeugt wurde. Es ist andererseits auch ein Zeichen der Zeit – die deutsche Sprache ist im Spätmittelalter endlich auch für juristische Texte tauglich und löst allmählich das gelehrte Latein ab, heißt es in der Mitteilung aus dem Gemeindearchiv. Nach und nach entwickelt sich so in den fürstlichen Kanzleien die neuhochdeutsche Sprache.

Ein kleines Blatt mit zehn Zeilen

„Unsere Urkunde steht noch am Anfang dieses Prozesses: „chunich“ für „König“, „habent“ für „haben“ und „Rich“ für „Reich“ sind noch eindeutig spätmittelhochdeutsche Wortformen, die es im heutigen Hochdeutsch nicht mehr gibt“, schreibt Petra Freund, im Rathaus zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Das kleine Blatt mit den nur zehn Zeilen Text sei daher nicht nur wegen seines hohen Alters bedeutend, sondern erzähle auch eine Menge über die Ammerseegemeinde Dießen, über Ludwig den Bayern und die damaligen Verhältnisse in Deutschland und Europa. Es wurde von der königlichen Kanzlei ausgefertigt „an vnser frawen tage als si verschiet“ – also am 15. August, Mariä Himmelfahrt, im Jahr 1324.

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