Mit „Stayin‘ alive“ im Ohr: Schwimmer im Starnberger See das Leben gerettet
Das war Erste Hilfe in Perfektion: Der Starnberger Josef Zieglmeier zog einen bewusstlosen 83-jährigen Münchner aus dem Starnberger See und rettete ihm mit anderen und einer Herzdruckmassage das Leben. Ihm half, dass seine Kinder gerade den Führerschein machen.
Starnberg - Wann immer Josef Zieglmeier im Sommer frei hat, geht er zum Schwimmen in den Starnberger See. „Fast bei jedem Wetter“, sagt er. „Das Wasser tut mir einfach gut.“ Am vergangenen Samstag war es verdammt gut, dass der Starnberger, 60 Jahre alt, gegen 18 Uhr im Wasser war. Überlebenswichtig – für einen 83-jährigen Münchner.
Josef Zieglmeier ist unter der Woche beruflich viel im Raum Stuttgart, er arbeitet in der Marktforschung beim Schokoladenproduzenten Ritter-Sport, wie er dem Starnberger Merkur erzählt. Das Wochenende nutzte er wieder mal zum Baden, am idyllischen Böhler-Grund an der Possenhofener Straße, dort ist er meistens. Mit seiner Frau schwamm Zieglmeier am frühen Abend hinaus. „Beim Zurückschwimmen habe ich circa 30 Meter vom Ufer entfernt einen Haarschopf gesehen. Ich dachte erst, das ist ein Kind, das taucht“, schildert er.
Lebensretter aus Starnberg: „Er lag da wie tot“
Doch es war ein älterer Mann. Er lag mit dem Gesicht im Wasser, leblos. Zieglmeier schwamm hin, hob den Kopf des Mannes an und blickte in offene, reglose Augen. „Das sah ganz komisch aus.“ Der Starnberger packte den schlaffen Körper, schleppte ihn, Rücken an Rücken, zur Treppe am Ufer. Zum Glück sei es im Wasser nicht weit bis zu dem Bereich gewesen, wo er wieder stehen konnte, erinnert er sich. Während sich seine Frau um den Notruf kümmerte, eilte eine andere Frau am Ufer mit ihrer Tochter zu Hilfe. Zieglmeier ist wichtig, dies zu erwähnen. Sie hätte schließlich den gleichen Anteil daran, dass der 83-Jährige, dessen Herz aufgehört hatte zu schlagen, am Ende überleben sollte.
Zu dritt zogen sie den Mann aus dem Wasser. „Er lag da wie tot“, berichtet der Starnberger. Besonders für die Kinder der Frau sei der Anblick erschreckend gewesen, sie habe sie dann weggeschickt. Zieglmeier schrie den Mann an, brüllte seinen Namen, den er von dessen völlig aufgelöster Frau erfahren hatte, und gab ihm ein paar Watschn ins Gesicht. Schnell begannen die beiden Retter mit der Herzdruckmassage. Zieglmeier hatte gleich die Bee Gees im Ohr. „Stayin‘ alive“. Der Song gibt den passenden Rhythmus vor, um ein Herz wieder in Gang zu bringen. So lernt das jeder im Erste-Hilfe-Kurs. Das Problem ist nur oft, dass der Kurs viel zu lange her ist – und dass er nie wieder aufgefrischt wurde.
Das Verrückte ist doch, dass man in so einer Situation den Unterschied machen kann. Dass das reichen kann.
Josef Zieglmeier hatte bessere Voraussetzungen. Er machte vor fünf Jahren den Motorradführerschein. Und: „Mein Sohn und meine Tochter machen gerade den Führerschein“, erzählt er. „Da spricht man über sowas.“ Also über „Stayin‘ alive“ und darüber, dass es im Notfall nicht schlimm ist, wenn bei der kraftaufwendigen Herzdruckmassage Rippen brechen. Dies sei irgendwann passiert, sagt Zieglmeier. Das Zeitgefühl dafür, wie lange sie massiert haben, fehle ihm völlig.
Schöner Zufall: Lebensretterin im Krankenhaus wieder getroffen
Als „mechanisch“ beschreibt der 60-Jährige die Art, wie er in der Situation funktioniert hat. Wichtig war ja nur, den Puls des Mannes wiederzubekommen. Und er kam wieder. Der Rettungsdienst übernahm. Laut Starnberger Polizei ist der 83-Jährige, der sich am Montag noch im Krankenhaus aufgehalten habe, wieder stabil. Bleibende Schäden seien nicht zu erwarten. Ein schöner Zufall: Die Frau, die mit Zieglmeier gemeinsam das Leben des Seniors rettete, arbeite als Krankenpflegerin genau auf der Station, auf der der 83-Jährige untergebracht wurde. Die beiden hätten einander schon gefunden, berichtet die Polizei auf Nachfrage. Die Frau des Geretteten hat auch Zieglmeier bereits angerufen, um sich bei ihm zu bedanken.
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Gut möglich, dass die Pflegekraft und der Ritter-Sport-Marktforscher eines Tages als Lebensretter ausgezeichnet werden. Der Starnberger macht sich darüber überhaupt keine Gedanken. „Ich habe ja selbst nichts riskiert“, sagt Zieglmeier. Auch will er die Tatsache nicht zu hoch hängen, dass er in Stresssituationen „komischerweise“ ruhiger werde, nicht in Panik verfalle, sich gut konzentrieren könne. Vielmehr ist er noch aufgewühlt von dem Vorfall. „Es war gut, dass meine Frau dabei war. So konnten wir alles bereden.“ Und am Abend grillte die Familie noch. „Eine gute Ablenkung.“ Mit zwei Tagen Abstand sagt Zieglmeier: „Das Verrückte ist doch, dass man in so einer Situation den Unterschied machen kann. Dass das reichen kann.“
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