So laut ist es in den Gemeinden
Tausende Landkreisbürger sind von Lärm betroffen, teils bis in den gesundheitsschädlichen Bereich. Das geht aus dem Lärmaktionsplan Bayern hervor, der nur Straßen erfasst.
Landkreis - Wie laut ist es innerorts an großen Straßen, und was lässt sich tun, um für Anwohner die Belastung zu reduzieren? Mit dieser Frage müssen sich Kommunen nach EU-Recht regelmäßig befassen. Die Richtlinie für Umgebungslärm an Hauptverkehrsstraßen schreibt vor, dass Lärmaktionspläne erstellt und regelmäßig fortgeschrieben werden. Das gilt für Autobahnen, Bundesstraßen und Staatsstraßen, auf denen mehr als 8200 Fahrzeuge am Tag fahren. In Bayern übernimmt das der Freistaat mit dem Lärmaktionsplan Bayern für die Kommunen außerhalb von Ballungsräumen. Hauptgegenstand ist eine Lärmkartierung und daraus abgeleitet eine Betroffenenstatistik. Wie viele Menschen in einer bestimmten Gemeinde sind einem bestimmten Schallpegel ausgesetzt? Wie viele Menschen leiden unter potenziell krankmachenden Lärmpegeln? Zudem können sich im Laufe des Verfahrens auch Gemeinden und Bürger einbringen. Auch mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation sollen aufgelistet werden.
Nun hat die bearbeitende Regierung von Oberfranken im Auftrag des Freistaates wieder eine Fortschreibung des Lärmaktionsplanes veröffentlicht. Die Lärmkarten sind im Internet über den Umweltatlas Bayern abrufbar. Auch die Betroffenenstatistiken finden sich online. Angegeben sind Belastungen von 55 und mehr Dezibel (dB(A)). Zur Einordnung: Das Umweltbundesamt schreibt, dass ab 55 Dezibel „zunehmend mit Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Wohlbefindens zu rechnen“ sei. Um die Gesundheit zu schützen, sollte demnach ein „Mittelungspegel von 65 dB(A) am Tage und 55 dB(A) in der Nacht nicht überschritten werden“. Vollständig und besonders aktuell ist das Bild aber nicht. Berücksichtigt sind nur Autobahnen sowie Abschnitte von Bundes- und Staatsstraßen, die durchschnittlich von mehr als 8200 Fahrzeugen am Tag befahren werden.
Für die Gemeinde Andechs liegen keine Angaben vor, offenbar mangels ausreichend hoher Fahrzeugzahlen.
In der Gemeinde Berg sind laut dem aktuellen Lärmaktionsplan Bayern 904 Einwohner mit einem 24-Stunden Mittelpegel von 55 Dezibel oder mehr belastet. Einem belastenden und damit potenziell gesundheitsschädlichem Lärmpegel sind 135 Berger ausgesetzt, 22 einem stark schlafstörenden Nachtlärmpegel. In der Lärmkarte im Umweltatlas erfasst ist lediglich der nördliche Teil der Perchastraße und der Münchner Straße in Kempfenhausen, der Abschnitt der Perchastraße südlich der Isartalstraße und die Isartalstraße selbst fehlen in der Kartendarstellung, möglicherweise wegen zu geringer oder nicht erfasster Fahrzeugzahlen.
Für Feldafing liegen die Zahlen für Lärmbetroffene, auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl, deutlich unter den Werten für Berg. 213 Lärmbetroffene, davon 44 mit mehr als 64 Dezibel, werden aufgeführt. 36 von belastendem sowie sieben von stark schlafstörendem Lärm Betroffene werden aufgeführt. Nicht ganz ersichtlich ist, inwieweit neben der Bundesstraße B 2 und der Staatsstraße St 2067 auch die St 2063 berücksichtigt ist. Lärmkartiert ist sie lediglich im Bereich Garatshausen.
In Gauting kommen die Berechnungen im Auftrag der Regierung von Oberfranken auf 1637 Lärmbetroffene, davon 465 durch Pegel oberhalb 64 Dezibel. Belastenden Lärm erfahren 285 Personen, schlafstörende Belastung 65. Erfasst in der Kartierung ist nur die St 2063 von Norden kommend bis ins Ortszentrum.
Gilching zählt 3247 Lärmbetroffene, davon lediglich 64 Personen im 24-Stunden-Pegelbereich über 64 Dezibel. Die Zahl der Betroffenen von belastendem Lärm ist mit 437 angegeben. Die Ersteller des Lärmaktionsplans gehen von 72 Nachtlärmbetroffenen im stark schlafstörenden Bereich aus. Gilching spielt für den Lärmaktionsplan Bayern aus einem anderen Grund eine Rolle: Dort sitzt die Firma Datakustik, von der die Software für die Berechnungen stammt.
Insgesamt 2034 Lärmbetroffene durch Hauptverkehrsstraßen zählt der Lärmaktionsplan Bayern in Herrsching an der im Ort nach Norden Richtung Seefeld abzweigenden St 2068. Kartiert ist der Staatsstraßenabschnitt vom Kreisel am südlichen Ortseingang bis zum westlichen Ortsende sowie die St 2067 nach Inning. 365 Herrschinger entlang dieser Abschnitte leiden an störendem Lärm, 89 an schlafstörender Belastung.
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Ausgewiesen sind für Inning 1332 Lärmbetroffene, bei nur knapp 5000 Einwohnern. Hauptquelle ist die Autobahn A 96, aber auch die Ortsdurchfahrt auf Herrschinger und Brucker Straße. Anfang 2022 erreichte die Gemeinde, dass auf einem Teil der Ortsdurchfahrt rund um die Uhr Tempo 30 gilt. Dafür hatte die Gemeinde einen detaillierten, eigenen Lärmaktionsplan erstellen lassen. Auf Inning schauen seither auch andere Gemeinden im Landkreis mit ähnlichen Absichten. Denn bisher erlauben übergeordnete Behörden solche Beschränkungen auf Staatsstraßen meist nur nachts oder abschnittweise vor Schulen, Kindergärten oder Altenheimen.
Die Staatsstraße 2063 führt, parallel zur Würm, durch den östlichen Teil Kraillings. Höhere Schallpegel wirken vor allem auf die Häuser in erster Reihe, aber auch jenseits der Würm, an der Margaretenstraße ergeben sich noch 24-Stunden-Mittelwerte von 55 und mehr Dezibel, von denen insgesamt 509 Personen betroffen sind. Mehr als 64 Dezibel im Tagesschnitt müssen 172 Kraillinger hinnehmen, als belastend geltenden Lärm 91 und stark schlafstörenden Lärm 22 Einwohner. Nicht berücksichtigt ist hierbei, wie auch sonst in keinem Ort, die Bahnlinie, die sich etwa 500 Meter weiter westlich parallel zur Staatsstraße durch den Ort zieht.
Für die Betroffenenstatistik zur Gemeinde Pöcking ausschlaggebend ist alleine die B 2. Die Possenhofener Ortsdurchfahrt ist nicht berücksichtigt, und auch wieder die Bahn nicht. Für den Bahnlärm gibt es eigene Verfahren und Kartierungen, die nur schwer vergleichbar sind. Die Zahlen für Pöcking: 79 Betroffene ab 55 Dezibel, davon keiner über 64 Dezibel, zehn Betroffene von belastendem Lärm, einer von schlafstörendem Lärm.
An Seefeld vorbei führt die St 2068. Von ihrem Verkehrslärm tangiert sind 632 Einwohner, nur 40 aber von einem mittleren Pegel jenseits der 64 Dezibel. Als belastenden Pegel ausgesetzt gelten 88 Sefelder, für acht Einwohner wurde eine stark schlafstörende Belastung errechnet.
Spitzenreiter bei der Zahl der Lärmbetroffenen durch Hauptverkehrsstraßen ist knapp vor Gilching die Kreisstadt Starnberg mit 3266 Personen, an deren Wohnstätte im Tagesmittel ein Schallpegel von 55 Dezibel ankommt. Für fast 950 Starnberger liegt dieser Wert über 64, für 36 von ihnen sogar über 75 Dezibel. Entsprechend hoch sind auch die Betroffenenzahlen bei gesundheitlich relevantem Lärm. 591 Starnberger gelten als betroffen. Die Lärmbelastung an ihren Wohnungen reicht, um starke Schlafstörungen zu verursachen. Eingeflossen ist der Verkehr auf der A 952, auf der Berger Straße im Bereich Percha und auf der B 2, auf der abschnittweise bis zu 39 900 Fahrzeuge am Tag ermittelt wurden. Die Staatsstraße 2063, die in Starnberg Possenhofener Straße heißt, ist im Umweltatlas nicht lärmkartiert.
Erst kurz vor Tutzing, ab dem Bereich der Abzweigung zur B 2 in Garatshausen, ist die St 2063 wieder lärmkartiert, bis zur Abzweigung der Lindemannstraße. Relevant für die Tutzinger Betroffenenstatistik ist auch die B 2 im Bereich Traubing. Daraus ergibt sich: Von Lärm ab 55 Dezibel im Mittel betroffen sind 1014 Personen, 286 von ihnen von 65 und mehr Dezibel. Belastendem Lärm im gesundheitlichen Sinne sind 180 Personen ausgesetzt. Schlafstörender Nachtlärm betrifft 42 Tutzinger.
Für Weßling zeigt die Kartierung die Lärmbelastung entlang der Staatsstraße von der Autobahn bis zum Kreisel am Gewerbegebiet Argelsrieder Feld. Zusammen mit Immissionen von der Autobahn ergeben sich folgende Zahlen: 105 betroffene, alle unterhalb eines Pegels von 65 Dezibel. Gesundheitsrelevant ist die Belastung für 16 Weßlinger, stark schlafstörend für vier Personen.
Die Autobahn A 96 hat Auswirkungen vor allem auf die Ortsteile Etterschlag und Waldbrunn, trotz bereits vorhandener Lärmschutzeinrichtungen. So ergibt sich für Wörthsee mit seinen 5100 Einwohnern eine Zahl von 385 Lärmbetroffenen. 53 Einwohner der Gemeinde wohnen dem Lärmaktionsplan zufolge in einem Bereich mit belastenden Lärmwerten, zehn in einem Bereich mit stark schlafstörenden Lärmwerten.
Nicht veröffentlicht wurden von der Regierung von Oberfranken detaillierte Ergebnisse der Bürgerbeteiligung an der aktuellen Runde des Lärmaktionsplans Bayern. Teils geringe Zahlen könnten zu verzerrten Ergebnissen führen, so die Begründung auf Nachfrage. Bayernweit hatten sich in der ersten Phase im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Bürger beteiligt wie beim vorangegangenen Lärmaktionsplan aus dem Jahr 2019. Das waren aber immer noch nur 8194 Bürger aus ganz Bayern. Eine Vergleichbarkeit mit dem vorangegangen Lärmaktionsplan sei übrigens schwer möglich, teilt die Regierung von Oberfranken mit. Denn die vorgeschriebenen Berechnungsmethoden hätten sich zwischenzeitlich geändert, und zwar in Teilen so, dass sich bei gleichbleibender Situation höheren Betroffenenzahlen ergeben würden. Einschränkend für eine Beurteilung der tatsächlichen heutigen Situation vor Ort ist auch, dass die zugrunde liegenden Verkehrszählungsdaten aus den Jahren bis 2019 stammen.