Meilenstein in der Alzheimer-Forschung: Atmung weist auf Alzheimer-Risiko hin – „Völlig neue Welt in der Forschung“

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Eine neue Alzheimer-Studie offenbart, dass eine veränderte Hirndurchblutung ein Schlüsselelement zur Diagnose sein könnte. Ein neuer Therapie-Ansatz?

Lancaster – Sie kommt langsam, schleichend wie im Schlaf, und ist doch einer der heimtückischsten Krankheiten unserer Zeit: Alzheimer. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und betrifft Millionen Menschen weltweit Laut World Health Organisation (WHO) leiden mehr als 55 Millionen Menschen weltweit an Demenz, eine Zahl, die bis 2030 voraussichtlich auf 78 Millionen steigen wird.

Trotz intensiver Forschung sind die genauen Alzheimer-Ursachen bis heute noch nicht vollständig geklärt. Eine neue Studie, geleitet von der Lancaster University und veröffentlicht in Brain Communications, stellt einen innovativen Ansatz zur Diagnose in den Fokus: Veränderungen in der Gehirndurchblutung könnten eine entscheidende Rolle bei der Krankheit spielen.

In der Alzheimer-Forschung gibt es neue Methodik-Ansätze. Weltweit leiden über 55 Millionen Menschen an Demenz. © Westend61/Imago

Neue Alzheimer Ansätze: Das neurovaskuläre System im Zentrum der Forschung

Laut der Studie basiert die Funktion des Gehirns auf der präzisen Abstimmung zwischen Blutgefäßen, Nervenzellen und sogenannten Astrozyten, die zusammen das sogenannte neurovaskuläre System bilden. Dieses System sorgt für eine optimale Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Energie. Forschende der Lancaster University haben nun nachgewiesen, dass diese Kopplung bei Alzheimer-Patientinnen und -Patienten gestört ist: „Alzheimer kann als Folge einer unzureichenden Nährstoffversorgung des Gehirns durch die Blutgefäße betrachtet werden“, erklärte Professorin, und Hauptautorin der Studie, Aneta Stefanovska von der Lancaster University in einer Pressemitteilung.

Für die Studie wurde eine neuartige Messmethode entwickelt, bei der elektrische Hirnaktivität und Sauerstoffversorgung gleichzeitig erfasst wurden. Dabei setzten die Forschenden auf eine Kombination aus Elektroenzephalografie (EEG), funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) und Herzfrequenzmessungen. Ziel war es, die „neurovaskuläre Phase Coherence“ – also die Synchronisation zwischen neuronaler Aktivität und Blutfluss – zu analysieren.

„Eine revolutionäre Entdeckung“: Alzheimer-Patienten atmen im Schnitt mehr

Die Ergebnisse waren eindeutig: Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte die Alzheimer-Gruppe eine deutlich reduzierte Synchronisation zwischen Gehirnaktivität und Blutfluss. Zudem wiesen Alzheimer-Patientinnen und -Patienten eine erhöhte Atemfrequenz auf – im Durchschnitt 17 statt 13 Atemzüge pro Minute. Ein bisher wenig beachteter Faktor. Dieser Unterschied könnte auf eine gestörte Sauerstoffversorgung des Gehirns zurückzuführen sein, da Alzheimer offenbar die Kopplung von Blutfluss und neuronaler Aktivität beeinträchtigt. Die Forschenden vermuten zudem entzündliche Prozesse im Gehirn als mögliche Ursache. „Dies ist eine interessante – meiner Meinung nach revolutionäre – Entdeckung, die eine völlig neue Welt in der Erforschung der Alzheimer-Krankheit eröffnen könnte“, betonte Professorin Stefanovska.

Diese Erkenntnis könnte zu neuen Therapieansätzen führen, da eine frühzeitige Erkennung die Behandlungschancen erheblich verbessern könnte. Bisher lag der Fokus vieler Alzheimer-Therapien auf der Bekämpfung von Proteinablagerungen im Gehirn, insbesondere Beta-Amyloid und Tau-Proteinen. Doch diese Ansätze blieben bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Die neuen Ergebnisse legen nahe, dass das neurovaskuläre System eine wesentlich größere Rolle in der Krankheitsentstehung spielt als bisher angenommen.

Die Rolle der Blutgefäße in der Alzheimer-Entstehung

Laut Dr. Bernard Meglič vom University Medical Centre Ljubljana, einem der klinischen Koordinatoren der Studie, könnte die gestörte Gehirndurchblutung dazu führen, dass schädliche Eiweiße schlechter abgebaut werden. Dies würde eine Kettenreaktion auslösen, die den Krankheitsverlauf beschleunigt.

Ein großer Vorteil der neu entwickelten Methode ist ihre Einfachheit und Kosteneffizienz. „Wir haben gezeigt, dass Alzheimer einfach, nicht-invasiv und kostengünstig diagnostiziert werden kann. Die Methode hat wirklich ein großes Potenzial“, so Stefanovska. Neben der Verbesserung der Diagnostik könnte eine gezielte Stärkung des neurovaskulären Systems ein neuer Therapieansatz sein.

Noch reichen Atemmuster allein nicht für eine sichere Alzheimer-Diagnose aus, doch sie liefern wertvolle Hinweise für weitere Forschungen. Derzeit diskutiert ihr Team die Gründung eines Start-ups, um die Technologie weiterzuentwickeln und für den klinischen Einsatz zu optimieren. Die medizinische Alzheimer-Forschung setzt, neben neuen Methodiken zur Prävention, aktuell viel Hoffnung in einen neuen Bluttest, die allerdings zahlreiche Nebenwirkungen haben können. (ls)

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