Heute endet die Kino-Ära in Weilheims Innenstadt
Am 14. August endet die Kino-Ära in der Weilheimer Innenstadt: Um 20 Uhr ist die letzte Vorstellung im „Starlight“, danach werden aus dem Filmtheater Büros und Lagerräume. Wir blicken mit Betroffenen und Besuchern – und mit Wehmut – zurück: Was hat Ihnen dieses Kino bedeutet?
Weilheim – 44 Jahre alt würde es im kommenden Herbst, das kleine Kino an der Schützenstraße 4 in Weilheim. Doch die Schnapszahl wird es nicht mehr erleben, und nach Feiern ist in diesem Zusammenhang eh niemandem zumute: Wie berichtet, schließt dieses Filmtheater, das 1980 vom Herrschinger Willi Velten als „Film-Casino“ gegründet wurde und seit 1996 „Starlight“ heißt, nun für immer seine Pforten. Am Mittwoch, 14. August, 20 Uhr, läuft dort letztmals ein Film (die französische Sommerkomödie „Liebesbriefe aus Nizza“). Danach werden Büros und Lagerräume aus dem Filmtheater.
Das kleine Kino sollte ursprünglich sogar zwei Säle bekommen
Damit endet die durchaus ruhmreiche Kino-Ära in der Weilheimer Innenstadt – wo es vor Jahrzehnten sogar noch drei große Lichtspielhäuser gleichzeitig gab, ehe in einem ehemaligen Teppichgeschäft an der Schützenstraße das kleine „Film-Casino“ eröffnet wurde. Eigentlich sollte dieses sogar zwei Säle bekommen, erinnert sich der langjährige Theaterleiter und Filmvorführer Helmut Wertebach; doch ein zusätzlicher Saal im Keller scheiterte an Bauvorschriften.

Freilich: In den vergangenen Jahren hat der eine Saal stets ausgereicht für die Besucherzahlen des letzten Lichtspielhauses in der Innenstadt. Das Kino mit seinen 100 Plätzen sei „ja nie wirklich ausverkauft“ gewesen, erinnert sich Georg Werner, der das „Starlight“ seit April 2012 betreibt. „Aber zweimal war es so, dass 30 bis 40 Personen wieder heimgeschickt werden mussten. Und das immer mit Dokumentarfilmen über Bienen – mit zwölf Jahren Zeitabstand: ,More than honey‘ 2012 und dann ,Ein Himmel voller Bienen‘ 2024.“
„Das Weilheimer Publikum ist auch für anspruchsvolle Filme aufgeschlossen“
Werner, der in Peiting lebt und auch das „Lagerhaus-Kino“ in Schongau betreibt, hat im Weilheimer „Starlight“ seit 2012 „mindestens 1000 Filme gezeigt“, wie er schätzt. Die meisten waren deutsche und europäische Produktionen, darunter viele so genannte Arthaus-Filme. Und jeden Monat war zumindest ein Dokumentarfilm zu sehen. Werners Erfahrung: „Das Weilheimer Publikum ist auch für anspruchsvolle Filme aufgeschlossen.“ Und wer kam eigentlich in dieses Kino? „Das ,Starlight‘-Publikum ist älter“, erklärt der Inhaber: „ab 45 Jahre nach oben offen, meine Mutter war mit 89 Jahren wöchentlicher Stammgast“. Den Anteil der Frauen unter seinen Besuchern taxiert Werner auf rund 65 Prozent.
Eine in jeder Hinsicht „typische ,Starlight‘-Besucherin“ ist also die frühere Weilheimer Stadträtin Monika Propach. Die 87-Jährige kam regelmäßig in dieses Kino – weil es, anders als das „Kinocenter Trifthof“, „gut zu Fuß oder mit Fahrrad zu erreichen ist“, wie sie erklärt. Und weil Werner „immer wieder gute Filme gebracht“ habe, die im Programm der Multiplexe oft fehlen. Mit der Suche nach Mitstreitern, Gesprächen und Treffen hat Proprach sogar versucht, „das ,Starlight‘ zu retten“. Dass dies letztlich scheiterte, findet sie „jammerschade“.
Weilheims Kulturreferentin trauert: „Wieder geht eine Kulturstätte verloren“
So geht es auch Ragnhild Thieler, der Kulturreferentin des Weilheimer Stadtrates. „Jetzt geht da wieder eine Kulturstätte in der Stadt verloren“, das sei ihr erster Gedanke gewesen, als sie vom Aus des „Starlight“ hörte. Thieler schätzte, dass hier „nicht die kommerziellen Filme, sondern etwas Spezielles, eine bunte Mischung“ zu sehen und auch Aktionen mit einheimischen Künstlern möglich waren.
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Sowohl Thieler als auch Propach heben zudem das „Agenda-Kino“ hervor, die monatliche Filmreihe der Weilheimer Agenda 21, die sich insbesondere sozialen, ökologischen und kulturellen Themen widmete und stets auch Filmgespräche mit Fachleuten anbot. Kino-Chef Werner sei „sofort bereit gewesen“, diese Idee umzusetzen, sagt Heiner Putzier, Mitorganisator der 2019 begonnenen Reihe. Der Agenda-Aktive mag den „besonderen Charme“ dieses Filmtheaters, das ihn „an die ersten Kinobesuche in meiner Jugend“ erinnerte: „Vielleicht kann man das ,Starlight‘ am besten mit einem Tante-Emma-Laden vergleichen, bei dem die Inhaberin selbst an der Kasse stand. Ganz anders hingegen die modernen Kinocenter, die wohl eher etwas mit einem Discounter oder Verbrauchermarkt zu tun haben.“

Ein Angebot von der Chefin des „Kinocenter Trifthof“
„Immer war Zeit. Immer herrschte Ruhe, kein Rummel.“ So fasst der Pollinger Hans-Peter Grünebach zusammen, was ihn und seine Ehefrau Marianne regelmäßig ins „Starlight“-Kino zog. Zusammen mit Freunden hätten sie dieses Programmkino auch genutzt, „um Themenabende zu gestalten und hinterher beim Griechen darüber zu diskutieren“. Einer der besonderen Filme, der dabei in Erinnerung blieb, war „Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“. Und: „Meine Frau Marianne saß einmal ganz alleine im ,Starlight‘ und war glücklich, dass der Film trotzdem abgespielt wurde.“
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Besondere Erinnerungen mit dem Kino an der Schützenstraße verbindet auch die Weilheimerin Roswitha Zellner: Sie hatte nach dem Tod des Gründers 1986 das damalige „Film-Casino“ übernommen und zehn Jahre lang betrieben. Für sie war das „der Start in die Weilheimer Kinoszene“, ehe sie 1996 ins neu gebaute „Kinocenter Trifthof“ wechselte, das fünf Säle umfasst und ab morgen das einzige Filmtheater in Weilheim ist. „Es ist immer schade, wenn Kinos schließen müssen, weil zu wenig Nachfrage besteht“, sagt Zellner gegenüber der Heimatzeitung. „Wenn jedoch seitens des Publikums Interesse besteht, einige Reihen oder auch besondere Filme im Trifthof sehen zu können, würde ich mich über entsprechende Hinweise freuen.“
Gern ins heimelige Dunkel verkrochen
Der Musiker Florian Appel (50), Dirigent des Weilheimer Kammerorchesters, hat das „Starlight“-Kino schnell liebgewonnen, als er vor Jahren nach Weilheim zog. Hier seine Erinnerungen an diesen Kultur-Ort – und an das Kino überhaupt: „In Düsseldorfs Deutscher Oper am Rhein, meiner ersten Station als junger Musiktheatermann, bin ich zunächst ein Jahr lang zum Abschluss eines jeden meiner Arbeitstage in die abendliche Vorstellung gegangen. Dann, plötzlich und ohne erkennbaren Anlass, war ich der Oper überdrüssig geworden. Stattdessen zog es mich nun mit Anbruch der Dunkelheit in eines der Lichtspielhäuser, in dem ich den Tag vergessen und mich in alle erdenklichen Welten hineinträumen konnte. Das Kino galt mir für eine Zeit lang als der maßgebliche Kulturort. Solche Einseitigkeiten haben sich inzwischen wieder ausgewachsen. Die Begeisterung fürs Kino aber ist geblieben. Und in Weilheim war es selbstverständlich das Starlight-Kino mit seiner erlesenen Programmauswahl, in dessen heimeliges Dunkel ich mich gern (und leider zu selten) verkrochen habe. Besonders in Erinnerung ist mir die sonntägliche Privataufführung eines Westerns, geschrieben, inszeniert, gedreht und geschnitten von dem damals ganz jungen Lenz Defregger, der sich inzwischen aber, ähnlich virtuos und selbstbewusst, ganz dem Cellospiel verschrieben hat.“