„Was man nicht wiederverwertet, kostet mehr“: Berühmter Musiker für Sanierung ausgezeichnet

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Hans Well vor seinem Haus in Polling. Für die Sanierung wurde er jetzt von der EWO ausgezeichnet. © Energiewende Oberland

Fast jeder hat ihm geraten, das Haus in Polling abzureißen, anstatt es zu sanieren. Der 71-Jährige hat sich trotzdem dafür entschieden; jetzt kann er stolz sein Werk betrachten. Im Juli wurde das Gebäude von der Energiewende Oberland zum „Haus des Monats“ gekürt.

Polling - Eigentlich sollte das Gebäude abgerissen und an seiner Stelle Reihenhäuser gebaut werden. Der Bauträger hat darauf gewartet, dass das Gebäude einstürzt, bereits seit zehn bis 15 Jahren, als Well ihm das Haus abkaufte. So lange gestanden hatte das Haus nur, weil die Wände von Stützen und einem Stahlseil aufrecht und zusammengehalten wurden, erzählt er. Viele Räume trugen noch die Spuren ihrer früheren Nutzung als Stall und Heulager, als Well mit der Sanierung begann.

Drei Jahre später, 2022, war es geschafft, nun wird das Haus als Ferienwohnung vermietet. Die Räume sind kaum wiederzuerkennen; den alten Stall hat Well „um ein paar Meter“ vertieft und daraus eine Küche mit Esszimmer gemacht, in die Wände ist eine Wandheizung eingebaut und neue, moderne Möbel wechseln sich mit alten Holzbalken und Türen ab. Die hatte man erst von der braunen Farbe befreien müssen, mit der sie übermalt waren: „Das war halt die Nazi-Zeit, da hat man alles braun gestrichen“, meint der Hausbesitzer dazu.

Sanierungsbudget um die Hälfte gedrückt

Darunter kamen Holz und Farbe aus der Biedermeier-Zeit hervor, 100 bis 150 Jahre alt, schätzt Well. Die Türen wurden teilweise an die neuen Türrahmen angepasst und sind jetzt wieder im Haus verbaut. Auch der Boden besteht aus wiederverwendeten Holzplanken, die schon vor der Sanierung Teil des Hauses waren.

Es brauchte schon viel Phantasie, um das Schöne im Chaos zu sehen - hier die Tenne. Hans Well Polling
Es brauchte schon viel Phantasie, um das Schöne im Chaos zu sehen - hier die Tenne. © EWO

Vieles im Haus hat eine Vorgeschichte, von den Balken des alten Stalls bis zu neuen Fichtenholz-Tischplatten aus Wells eigenem Wald. Zahlreiche Möbelstücke hat Well auf Flohmärkten und von Bekannten erhalten, Fliesen für die Gänge hat er online gebraucht gefunden. „Es ist kein Widerspruch, es ergänzt sich“, sagt er mit Blick auf die renovierte Holzwand im Bad. Hier hängen neue Handtuchhaken neben alten, handgeschmiedeten Haken aus dem früheren Stall. „Alles, was man nicht wiederverwertet, kostet mehr“, ist sein Motto. Da scheint was dran zu sein, die geschätzten 1,5 Millionen Sanierungskosten konnte er nach eigener Aussage beinahe halbieren.

Wärmepumpe heizt im Winter und kühlt im Sommer

Besonders wichtig ist Well die Energieeffizienz. Er hat sich für eine Wärmepumpe und PV-Anlagen entschieden, geplant ist noch ein Stromspeicher. Eine Öl- oder Gasheizung hat für ihn laut eigener Aussage keinen Sinn ergeben. Damit er mit der Wärmepumpe gut heizen kann, hat Well auf die Isolierung des Hauses geachtet. Vom Material der Fenster bis zur 28 Zentimeter dicken Holzfaserdämmung des Dachs und Aerogel für die Außenwand – Well hatte für alles eine Lösung. Einen Bonus hat die Wärmepumpe außerdem noch, erzählt er: Im Sommer kann er statt warmer Luft einfach kalte nutzen, und so das Haus kühlen. Er hofft, dass er damit eine Signalwirkung hat und anderen Leuten zeigen kann, dass energieeffizientes Bauen nicht schwer, sondern nur durchdacht sein muss.

Die Tenne nach dem Umbau - ein modernes, schickes Zimmer mit Stil und Geschichte. Hans Well Polling
Die Tenne nach dem Umbau - ein modernes, schickes Zimmer mit Stil und Geschichte. © EWO

Er betont auch die Unterstützung der Baufirmen. Im Umkreis von Polling finden sich zahlreiche gute Handwerker, sagt er. Auch bei der Beratung zu den Materialien habe er sich auf sie verlassen können. Außerdem hat er vom Staat und der Kommune Zuschüsse bekommen, sowie viel Unterstützung bei den Behörden. Besonders lobt er den Denkmalschutzbeauftragten im Landkreis. Dieser sei ihm stets zur Seite gestanden. Die Herausforderung war, so Well, welche Teile des Hauses man lässt, wie sie sind und welche man verändern muss, um das Haus nutzbar zu machen. „Wenn’s nicht genutzt wird, verkommt‘s“, so der Hausbesitzer.

Bereits das achte Gebäude, das er saniert hat

Genutzt wird das Haus inzwischen, nämlich als Ferienwohnung. Eigentlich war es für Wells Tochter gedacht, aufgrund der Arbeit ihres Mannes ist der Umzug zurzeit aber noch unpraktisch. Irgendwann vielleicht, meint Well. Solange fährt er mit seiner Familie gerne hierher für einen kurzen Urlaub. Für die große Familie mit drei Kindern, Enkelkindern und der Verwandtschaft sei hier genug Platz.

Hans Well ist eigentlich Musiker. 35 Jahre lang spielte er mit seinen Brüdern als „Biermösl Blosn“ bayrische Volksmusik mit satirischen Texten, nach der Auflösung der Band 2012 spielt er nun bei „Hans Well & Wellbappn“, zusammen mit seiner Tochter Sarah und Musiker Komalé Akakpo. Das Haus in Polling ist bereits das achte Gebäude, das er saniert hat. Mit jedem Projekt hat er mehr Erfahrung gesammelt und neue Materialien entdeckt. Bei den ersten zwei bis drei Häusern hat er noch viele Anfängerfehler gemacht, erzählt er, aber so langsam hat er den Dreh bei der Sanierung raus.

Von Diana Daniker

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