Gastronom beobachtet neues Phänomen: „Lange Öffnungszeiten lohnen sich nicht mehr“

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Kann sich nach wie vor über viele Gäste freuen: Steven Schmager, Betriebsleiter des Restaurants „Papas Kesselhaus“ in Bad Tölz. © pröhl

Trotz gestiegener Preise kommen nach wie vor viele Gäste in die Restaurants im Tölzer Land. Gastronomen beobachten jedoch ein neues Phänomen.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Inflation, steigende Energiepreise und nicht zuletzt die Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie: Essen gehen ist in vielen Fällen teurer geworden. Doch das hält die Menschen im Landkreis nicht von einem Restaurantbesuch ab – auch wenn an mancher Stelle gespart wird.

Neues Phänomen in der Gastro: „Leute gehen gleich, nachdem sie fertig gegessen haben“

„Das Mittags- und Abendgeschäft läuft nach wie vor gut“, sagt Steven Schmager. Er ist Betriebsleiter von „Papas Kesselhaus“ in Bad Tölz. Allerdings habe sich das Ausgehverhalten der Menschen verändert. „Die Leute bleiben abends nicht mehr länger sitzen, sondern gehen gleich, nachdem sie fertig gegessen haben“, berichtet Schmager. Generell sei das Nachtleben fast zum Erliegen gekommen. Das zeige sich besonders an den Wochenenden. „Lange Öffnungszeiten lohnen sich nicht mehr.“

Verantwortlich für diese Entwicklung sind ihm zufolge eher die Nachwirkungen von Corona und weniger die aktuelle wirtschaftliche Lage. „Die Leute, die essen gehen wollen, kommen auch und schauen nicht so aufs Geld“, meint Schmager. Das breite Speisenangebot werde von den Gästen weiterhin vollständig genutzt. Lediglich auf das zweite Getränk werde öfter mal verzichtet.

Die Leute, die essen gehen wollen, kommen auch und schauen nicht so aufs Geld.

Im Lenggrieser „Altwirt“ hat „das To-Go-Geschäft deutlich angezogen“, sagt Inhaber Robert Werner. Statt im Lokal zu speisen, bestellten mehr Gäste ihre Gerichte zum Mitnehmen. „Da spart man sich natürlich das Getränk.“ Wer sich doch für das Essen im Restaurant entscheide, bestelle eher preisgünstigere Gerichte und gebe weniger Trinkgeld. Insgesamt seien die Gästezahlen leicht rückläufig, so Werner. Das liege aber vor allem am frühen Ende des Wintergeschäfts.

Betriebe kämpfen mit steigenden Ausgaben

„Familien müssen sich aktuell überlegen, wo sie Einsparungen vornehmen“, erklärt Monika Poschenrieder. Sie ist Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) und Wirtin des Forellenhofs Walgerfranz in Bad Tölz. Auch wenn sich in ihrem Restaurant die Plätze gut füllen, sei das nicht bei allen Kollegen der Fall. „Teilweise bleiben die Gäste aus“, sagt Poschenrieder.

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Zusätzlich hätten die Betriebe mit steigenden Ausgaben zu kämpfen. Nicht zuletzt die Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer mache den Gastronomen zu schaffen. „Das trifft uns massiv“, so die Kreisvorsitzende. Die Kosten könnten auch nicht eins zu eins an die Gäste weitergegeben werden, ergänzt Robert Werner. Denn auch für die breite Masse soll essen gehen bezahlbar bleiben. „Das Wirtshaus ist ein Treffpunkt für jedermann“, betont der Wirt.

Wenn man nicht weit über Tarif bezahlt, kann man die Mitarbeiter kaum halten

Bei Domenico Miraglia, Inhaber des Kochler Restaurants „La Pineta“, schlagen insbesondere die höheren Miet-, Einkaufs- und Energiepreise zu Buche. Hinzu kommen gestiegene Personalkosten. „Wenn man nicht weit über Tarif bezahlt, kann man die Mitarbeiter kaum halten“, erklärt Miraglia. Bei den Gästezahlen gibt es hingegen keinen Grund zur Klage. Die hätten sich „zum Glück nichts verändert“, sagt der Restaurantinhaber. Und auch bei Pizza, Pasta und Getränken werde weiter kräftig zugelangt. Dass die Menschen irgendwann nicht mehr bereit sind, im Restaurant essen zu gehen, glaubt Miraglia nicht. „Die Gastronomie stirbt nicht, weil keine Gäste mehr kommen“, lautet seine Einschätzung. Für die Branche sei der Fachkräftemangel das deutlich größere Problem.

Dehoga-Kreisvorsitzende sorgt sich um viele kleine Betriebe

Dass viele Wirte aufgeben, weil die Gastronomie zu unrentabel ist, erwartet dagegen Poschenrieder. Erste Anzeichen dafür gebe es schon. Manche Pächter überlegten, ihren Vertrag nicht zu verlängern. „Das wird vor allem langfristig gravierende Auswirkungen haben“, prognostiziert die Dehoga-Kreisvorsitzende. Sie befürchtet, dass viele kleine Betriebe verschwinden und damit die Vielfalt in der Gastronomielandschaft verloren geht.

Deutlich optimistischer blickt hingegen Werner in die Zukunft. Auch wenn er beobachte, dass ringsum immer wieder Wirtshäuser verschwinden, glaubt er an den Fortbestand der Gastronomie. „Ich denke, dass sich die Situation bald wieder erholt und kein Dauerzustand bleibt.“ (Franziska Selter)

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