Risiko Bauwirtschaft: Was ein Bauträger tut, wenn viele Käufer lieber abwarten

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Vorsichtig optimistisch: Die Geschäftsführer Johannes Groß (l.) und Carsten Freitag sehen nach Jahren der Unsicherheit wieder mehr Stabilität kommen. © Thomas Plettenberg

„Bauen ist heute faktisch unmöglich“, so hat es der Immobilienweise Andreas Mattner formuliert. Doch ganz so pauschal stimmt das nicht, findet die Firma Gross aus Holzkirchen.

Holzkirchen – Vier Wochen lang stand die Baustelle der sechs Mehrfamilienhäuser in Hausham still – wegen der Pleite eines Generalunternehmers. Nur ein Beispiel von vielen, das zu dem Bild passt, das kürzlich Branchenvertreter Andreas Mattner gezeichnet hat. „Wer heute baut, geht bankrott“, ließ sich der Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses bei einem Termin mit der Bauministerin in Berlin zitieren – und sorgte damit für Wirbel. Ganz so schlimm ist es im Landkreis aber offenbar nicht, wie das Holzkirchner Bauunternehmen Gross exemplarisch einordnet. Die Nachfrage sei zwar erheblich eingebrochen, bestätigt Geschäftsführer Carsten Freitag. Insgesamt gehe die Stimmung aber in Richtung „vorsichtiger Optimismus“.

Die 1970 gegründete Gross GmbH hat ihren Sitz vor einem Jahr aus Sauerlach nach Holzkirchen verlegt. Von dort setzen 130 Mitarbeiter Aufträge als Bauunternehmen um. Gleichzeitig tritt die Firma als Bauträger auf: „Wir kaufen und entwickeln auch selbst“, erklärt Freitag. Bis vor einigen Jahren habe man sich noch aussuchen können, wen man als Kunde nehme, ergänzt Geschäftsführer Johannes Groß. Mittlerweile sei die Auslastung aber nicht mehr so, dass man sich entspannt zurücklehnen könne, sagt Freitag. „Wir müssen unsere Aufträge akquirieren.“

Herausforderungen

Viele potenzielle Bauherren ließen sich zwar Angebote unterbreiten, erklärt Freitag. „Aber die Entscheidung, ob und wann gebaut werden kann, wird eher mal zurückgestellt.“ Anders als früher seien mehrere Verhandlungsrunden üblich, um den Preis zu drücken. Insgesamt sei die Nachfrage in der Zeit vor dem Zinsanstieg wohl um 20 bis 30 Prozent höher gewesen.

Als Bauträger ist derweil die Vermarktung von Wohnungen schwieriger geworden. „Vor allem größere Geschichten sind gefährlich“, sagt Groß. Aus Quartieren in München mit 100 bis 200 Wohneinheiten halte sich das Unternehmen raus. „Es ist nahezu unmöglich, so viele Käufer zu finden, dass man das Projekt starten kann“, erklärt Freitag. Geeigneter sei eine Größenordnung von acht bis zwölf Wohneinheiten – Projekte, die schon mit drei bis vier gefundenen Käufern starten können.

Die Zurückhaltung der Käufer liegt neben den Zinsen freilich auch an den Kosten. Freitag spricht von einer „Aufwärtsspirale“ aus Inflation, Bauzins und Materialpreisen, die dazu führe, dass manche Endkunden die Kosten nicht mehr stemmen könnten. „Bei der Finanzierung wurden alle Parameter ins Minus gedreht“, fasst Freitag zusammen. Für das Unternehmen besonders spürbar wird das bei Lieferantenpreisen. Faktoren wie die Maut und die CO2-Steuer müssen einkalkuliert werden, gleiches gilt für höhere Energiestandards, die mehr Dämmung erfordern.

Getroffen werden können von diesen Umständen auch Bauträger, wie Freitag aufzeigt. Im Hintergrund steht das Prinzip, Grundstücke einzukaufen, zu entwickeln und Wohnungen zu verkaufen. „Viele Bauträger stellen jetzt aber fest, dass sie früher Grundstücke zu teuer eingekauft haben“, sagt Freitag. Die hohen Preise müssten jetzt beim Vertrieb einkalkuliert werden. Zusammen mit den hohen Baukosten werde das zum Problem. „Dabei geht’s nicht um Marge, sondern um die Gefahr, auf Grundstücken sitzen zu bleiben.“

Aussichten

Pauschale Aussagen wie die des Branchenvertreters Mattner wollen die Geschäftsführer aber nicht unterschreiben. Materialpreise seien schon immer um sieben bis zehn Prozent jährlich gestiegen, sagt Freitag. Und der Markt habe sich ein wenig normalisiert: „Die Inflation ist rückläufig, die Zinsen haben sich eingependelt.“ Ob sich der private Häuslebauer die Preise leisten könne, stehe auf einem anderen Blatt. Aber zumindest seien die Kosten greifbarer geworden, ergänzt Groß. Die Schwankungen ließen sich kaum mehr mit jenen vergleichen, die es zu Kriegsbeginn in der Ukraine oder in der Pandemie gab. Wohl auch wegen steigender Mieten sei die Nachfrage immer noch da – und damit die Auslastung des Unternehmens. „Der ein oder andere wagt sich wieder aus der Deckung“, meint Freitag. Einen richtigen Impuls für eine Wende könne aber nur die Politik liefern – etwa durch veränderte Abgaben. „Es ist Licht am Ende des Tunnels“, meint Freitag, „aber der Tunnel ist sehr lang.“

Umgang

Bis dahin müsse man die Talsohle aussitzen, sagt Freitag. Für Bauträger, die – wie die Gross GmbH – keine Banken im Rücken haben, sei das die beste Möglichkeit. „Wir können nichts verschenken“, sagt Groß, dafür sei der Spielraum zu klein. Beim Überbrücken helfen Zeitkonten, deren Guthaben Mitarbeiter aufbrauchen können. „Und wir sind vorsichtiger in Sachen Neueinstellungen“, sagt Freitag. Trotz des Fachkräftemangels würden Überkapazitäten drohen. Eine Tendenz, weniger qualitativ zu bauen, spürt das Unternehmen indes nicht. Auch serielles Bauen, wie zuletzt politisch gefordert, spiele in der Region kaum eine Rolle. Hier müssen Grundstücke aus wirtschaftlichen Gründen meist maximal bebaut werden – früher oder später jedenfalls. nap

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