Schlagabtausch vor Österreich-Wahl: Letztes Aufeinandertreffen der Kandidaten im ORF

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ORF lädt zur letzten Diskussion vor der Österreich-Wahl: Inflation, Migration und Hochwasser sind Kernthemen des Wahlkampfes. Niemand will mit Kickl koalieren.

Wien – Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Nationalrat. Am Donnerstagabend steht die letzte Elefantenrunde mit den Spitzenkandidatinnen- und Kandidaten beim Sender ORF2 an. Es ist der Abschluss eines besonders dichten Fernsehwahlkampfes in der Alpenrepublik. Allein der ORF lud die Spitzen der fünf Parlamentsfraktionen zu zehn TV-Duellen, Privatsender veranstalteten weitere Duelle und Elefantenrunden. Ein Überblick, wer Österreich vor der Nationalratswahl streitet – und welche Themen im Fokus stehen.

TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten bei der Österreich-Wahl: Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPO, rechts).
TV-Duell zwischen zwei Spitzenkandidaten bei der Österreich-Wahl: Karl Nehammer (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ, rechts). © Georges Schneider/photonews.at/Imago

ORF will vor Österreich-Wahl debattieren, „was die Menschen bewegt“

Am Donnerstag kündigte ORF-Moderatorin Alexandra Maritza Wachter in den Morgennachrichten bereits an, über die Wirtschaftspolitik, den Staatshaushalt und die Inflation sprechen zu wollen. Es solle um das gehen, „was die Menschen bewegt“, sagte Wachter. Inflation und Zuwanderung waren die beiden dominierenden Themen des bisherigen Nationalratswahlkampfes. Österreich war nach Beginn des Ukraine-Krieges 2022 und den damit verbundenen Energiepreisschocks einer der höchsten Inflationsraten der Eurozone ausgesetzt.

FPÖ führt in Umfragen zur Wahl in Österreich – Was ändert das Hochwasser?

Dann traf Mitte September eine Hochwasser-Katastrophe weite Teile Österreichs – und die Parteien politisierten den fortschreitenden Klimawandel und häufiger auftretende Extremwettereignis. Es seien, „so viele Leute in so vielen Regionen unmittelbar betroffen – so kurz vor der Wahl“, dass das Hochwasser möglicherweise zum einflussreichen Wahlkampfthema werde, sagte der Salzburger Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch unserer Redaktion.

Aktuellen Umfragen zur Nationalratswahl zufolge läuft in Österreich noch ein Dreikampf um die Kanzlerschaft. Mit 27 Prozent liegt die rechtsautoritäre FPÖ vorn. Die konservative Kanzlerpartei ÖVP kommt auf knapp 25 Prozent. Die oppositionelle Sozialdemokratie (SPÖ) erreicht aktuell lediglich 20 Prozent. Die Liberalen NEOS würden rund 10 und die Grünen etwa acht Prozent erhalten.

Vor Nationalratswahl: ÖVP-Nehammer betont Kampf gegen Inflation, Babler (SPÖ) Partnerschaft mit Gewerkschaften

In den bisherigen Fernsehauftritten betonte der amtierende Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), dass die von ihm geführte Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen die Inflationsschocks durch Einmalzahlungen und Erhöhung von Sozialleistungen um die Inflationsrate aufgefangen habe. SPÖ-Chef Babler beharrte darauf, dass es die Sozialdemokratie gewesen sei, die „an der Seite der Gewerkschaften“ notwendige Lohnerhöhungen erkämpft habe. FPÖ-Chef Kickl hingegen wollte die Lohnnebenkosten senken, konnte allerdings nicht erklären, wie dies sicher bei den Arbeitnehmern im Geldbeutel ankommen sollte. Stattdessen bezichtigte er alle anderen Parlamentsfraktionen, Teil einer „Einheitspartei“ gegen die FPÖ zu sein.

Nehammer sieht „viele vernünftige Leute“ in FPÖ – Keine Koalition mit Kickl

Kickl könnte aus der Wahl am Sonntag als Fraktionschef der stärksten Kraft im Nationalrat hervorgehen. Bisher will keine Parlamentspartei mit der FPÖ koalieren. Die SPÖ, die liberalen NEOS und die Grünen begründen dies mit der scharf rechten, teils offen antiliberalen Programmatik der Partei und ihren Verbindungen zur extremen Rechten. Nehammer begründete es mit seiner Ablehnung des „radikalisierten“ FPÖ-Chefs Herbert Kickl. Unterhalb Kickls gebe es in der, in den 1950er-Jahren von Altnazis gegründeten, FPÖ „viele vernünftige Leute“, so Nehammer im ORF-Duell mit Kickl.

Analyse vor Österreich-Wahl: FPÖ-Wahllisten durchsetzt mit Rechtsradikalen

Nun zeigte eine Analyse der Tageszeitung Standard in Kooperation mit der österreichischen Plattform „Stoppt die Rechten“, die den Grünen nahe steht, dass der rechtsradikale Parteichef Kickl nicht alleine mit seiner Gesinnung ist. 15 Prozent der Kandidierenden, darunter die beiden Generalsekretäre der Partei, hatten demnach Kontakt zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ oder verteidigten diese öffentlich.

Acht Prozent der Kandierenden gehörten demnach deutschnationalen Burschenschaften an. Diese extrem rechten Studentenverbindungen haben nie verwunden, dass Deutschland und Österreich nach der Niederlage des Nationalsozialismus wieder zu zwei Staaten wurden. Auf der niederösterreichischen Landesliste stünden sogar Kandidaten mit Verbindungen ins offen neonazistische Milieu.

ÖVP koaliert in drei Bundesländern mit FPÖ – Autor beobachtet „blanke Angst“ unter Migranten in Österreich

In drei Bundesländern koaliert die ÖVP bereits FPÖ-Landesverbänden, deren Führungspersonal recht offen rechtsradikal ist. Im Gespräch mit unserer Redaktion warnte der Wiener Autor und Politikwissenschaftler Vedran Džihić bereits davor, der FPÖ und Kickl den Weg ins Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz zu ebnen. Džihić, der selbst vor dem Bosnienkrieg nach Österreich floh, betonte, angesichts der ausländerfeindlichen Programmatik der FPÖ und der bereits geschehenen Entgrenzung der Migrationsdebatte herrsche bereits „blanke Angst“ unter Migranten in Österreich. (kb)

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