Neues Bus-System in Egling und Dietramszell bringt ÖPNV von 0 auf 100
Es ist ein Angebot, das den Öffentlichen Personennahverkehr in Egling und Dietramszell von 0 auf 100 bringen würde. Das hat allerdings auch seinen Preis: Rund eine Million Euro pro Jahr.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Dietramszell und Egling sind große Flächengemeinden mit insgesamt 93 Ortsteilen. Tatsächlich erstrecken sich die beiden Kommunen, in denen gut 11 000 Menschen leben, über 15 Prozent der Landkreisfläche. All diese Ortsteile an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) anzubinden, erscheint fast unmöglich. Ein großer Linienbus „kann nicht an jeder Milchkanne halten“, verdeutlichte Landrat Josef Niedermaier in der Sitzung des Kreis-Infrastrukturausschusses. Entsprechend schlecht (oder nicht vorhanden) sind derzeit die Verbindungen. Vorgestellt wurde nun aber ein On-Demand-System (Auf-Nachfrage-System), das die beiden Gemeinden beim ÖPNV von 0 auf 100 bringt.
115 Haltestelle in den beiden Gemeindegebieten
Erprobt wird das Flex-System ohne festen Fahrplan und Linienführung bereits seit etwa einem Jahr im Landkreis München. Ähnlich soll es nun in den beiden Gemeinden funktionieren. Die Handhabung ist einfach: Der Fahrgast trägt in der MVV-App ein, wann und von wo nach wo er in Dietramszell oder Egling fahren möchte. Das System zeigt ihm an, wann das nächste Flex-Fahrzeug – ein Sechs- bis Neunsitzer – zur Verfügung steht und wo die nächste Haltestelle ist. Von Letzteren wird es 115 im gesamten Gebiet geben: Die bestehenden 61 Bushaltestellen werden um 54 „virtuelle Haltestellen“ ergänzt, die mit einem kleinen Flex-Schild markiert werden.
93 Prozent der Bürger haben einen „haustürnahen Zugang“ zum ÖPNV
Das heißt auch, dass 93 Prozent der Bewohner im Umkreis von 400 Metern eine Haltestelle haben werden und damit „einen haustürnahen Zugang in den ÖPNV“, sagte Benedikt Bauer vom zuständigen Sachgebiet in der Sitzung. Die Betonung liegt aber auf „nah“, denn eine Beförderung von Haustür zu Haustür ist eben nicht möglich. Das bleibt weiterhin Taxis vorbehalten.
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Neben den 115 Haltestellen in den beiden Gemeinden werden auch noch drei Satellitenhaltstellen außerhalb angesteuert: Die Bahnhöfe in Wolfratshausen und Holzkirchen, um die Anbindung an S-Bahn und BRB zu ermöglichen, sowie die Haltestelle „Am Stern“ in Geretsried, wo der X-Bus nach Bad Tölz hält.
Vier Fahrzeuge sollen im Einsatz sein. Die Wartezeit soll bei etwa 30 Minuten liegen. Gefahren wird im MVV-Tarif – lediglich der günstige Kurzstreckentarif für 1,90 Euro wird nicht angeboten. Buchungen, die in etwa auf der selben Strecke liegen oder nur einen zeitlich vertretbaren Umweg bedeuten, werden in einem Fahrzeug gebündelt. Unterwegs sind die Busse unter der Woche zwischen 5 und 22 Uhr, am Wochenende zwischen 7 und 22 Uhr. Neben der Buchung via App soll auch eine telefonische Buchung möglich sein.
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Barrierefreiheit wird gewährleistet
Wolfgang Werner (SPD) wollte wissen, ob die Fahrzeuge auch für Rollstuhlfahrer oder Familien mit Kinderwagen geeignet seien. „Wir sind zu einem barrierefreien Zugang verpflichtet“, sagte Bauer. Vermerken könne man derartige Anforderungen auch direkt bei der Buchung. „Da kann man auch angeben, wenn man beispielsweise einen großen Koffer dabei hat.“
Ob man die Zeiten abends nicht noch etwas ausweiten sollte, fragte Michael Lindmair (FW). Der X-Bus fahre schließlich auch länger. „Bestellen können wir alles, aber zahlen müssen wir es dann auch“, antwortete Niedermaier. Und schon jetzt sind die Kosten hoch. Etwa eine Million Euro wird das Ganze den Landkreis pro Jahr kosten – Fahrgasteinnahmen nicht eingerechnet.
Eine Kostenbeteiligung der beiden Gemeinden ist nicht vorgesehen
Ob sich denn die beiden Gemeinden an den Kosten beteiligen würden, wollte Werner wissen. Das sei nicht vorgesehen, sagte Niedermaier. Die Bürger aus den beiden Gemeinden hätten bislang über die Kreisumlage den ÖPNV in den Ballungsräumen mitfinanziert, ohne vom System zu profitieren, erinnerte Michael Häsch (CSU). Das betonte auch Matthias Schmid, am Landratsamt für den ÖPNV zuständig. An den Wochenenden gebe es in den beiden Gemeinden bislang gar kein Busangebot, unter der Woche fast nur Schülerverkehr. „Ja, es ist ein Sprung von 0 auf 100. Aber letztlich heben wir die Gemeinden auf ein Niveau, das andere schon haben.“
Gute Erfahrungen im Landkreis München
Die Erfahrungen aus dem Landkreis München sind positiv, berichtete Gesa Volpers vom MVV. Die Fahrgastzahlen steigen stetig, die Gesamtzufriedenheit der Kunden sei hoch. Für viele sei das Flex-Angebot eine echte Alternative zum Pkw. 10 Prozent der Befragten gaben aber auch an, dass sie den Weg ohne Flex-Bus gar nicht hätten machen können. „Das System ermöglicht also Mobilität für alle“, sagte Volpers.
Der Ausschuss stimmte grundsätzlich für das System. Jetzt wird das Konzept konkretisiert – unter Einbeziehung der Gemeinden. Die finalen Beschlüsse der Kreisgremien sollen im Herbst/Winter fallen. Dann muss die Ausschreibung ein Jahr vorab angekündigt werden. Geht alles glatt, könnten die ersten Flex-Fahrzeuge ab Dezember 2026 unterwegs sein.
Weniger großzügig zeigte sich der Ausschuss in der Sitzung beim Bergbus in die Eng. Dieses Angebot wird 2025 aus Kostengründen wohl pausieren müssen. Sehr zum Ärger der Gemeinde Lenggries.