Deutschlands niedrigste Arbeitslosenquote

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Blickten in einem Pressegespräch auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt in der Region: (v. li.) Karsten Höhn, Michael Preisendanz und Nicole Cujai von der Bundesagentur für Arbeit. © Pröhl

Kein Landkreis bundesweit hat eine niedrigere Arbeitslosenquote als Bad Tölz-Wolfratshausen. Mit 2,2 Prozent teilte er sich im Juni den Spitzenplatz mit drei anderen. Miesbach liegt mit 2,5 Prozent kaum schlechter. Dennoch hat sich auch in der Region die Stimmung etwas eingetrübt.

Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach – „Oberbayern ist schon noch die Insel der Glückseligkeit“, sagte Nicole Cujai in einem Pressegespräch am Freitag. Sie ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Rosenheim, zu deren Geschäftsbereich auch der Landkreis gehört. Seit dem Herbst mache sich die wirtschaftliche Schwächephase allerdings etwas bemerkbar. „Im Vergleich mit den letzten beiden Jahren hat sich die Situation ein bisschen eingetrübt.“ So liege die Arbeitslosenquote um die 0,2 Prozent höher als in den Vergleichsmonaten. „Das Risiko arbeitslos zu werden, ist aber nicht gestiegen“, sagt Cujai. Sprich: Unternehmen entlassen keine Mitarbeiter, „sie sind aber ein bisschen vorsichtiger mit den Neueinstellungen.“ Die Stellenmeldungen sei etwas gesunken. Allerdings, betont sie, „befinden wir uns immer noch auf einem historisch hohen Niveau“. Daher „klagen wir natürlich auf hohem Niveau“, sagt Cujai.

Bei allem unter 3 Prozent spricht man von Vollbeschäftigung

Das gilt auch für die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. „Wir hatten hier sehr gute Wachstumsraten. Jetzt haben wir immer noch Wachstum, aber nur noch zwischen 0 und einem Prozent.“ Die Saisonarbeitslosigkeit habe sich aber sehr gut entwickelt, die Zahlen seien zurückgegangen, ergänzte der stellvertretende Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Bad Tölz, Karsten Höhn.

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Mit einer Arbeitslosenquote von 2,2 Prozent liegt Bad Tölz-Wolfratshausen deutschlandweit auf dem Spitzenplatz. Miesbach liegt mit 2,5 Prozent knapp dahinter. Generell spricht man bei allem unter 3 Prozent von Vollbeschäftigung. „Der Arbeitsmarkt in der Region ist sehr robust“, sagt Cujai. Er biete eine große Vielfalt an Branchen mit vielen kleinen und mittleren inhabergeführten Betrieben. Sie alle haben allerdings zunehmend mit Fach- und Arbeitskräftemangel zu kämpfen. „Vielen gelingt es nicht mehr, Stellen zu besetzen“, sagt Cujai. Immer mehr zu einem Standortkriterium werde, dass sich manche Arbeitnehmer das Leben in der Region immer schwerer leisten können, sagte Höhn.

Arbeitskräftemangel wäre ohne Zuwanderung deutlich größer

Noch größer wäre der Mangel ohne Zuwanderung. „Das Wachstum wird vor allem durch ausländische Kräfte gespeist“, sagt Cujai. Zwischen 2010 und 2023 habe sich der Anteil ausländischer Arbeitskräfte verdoppelt. „Und wir brauchen dieses Potenzial, weil es sonst unseren Arbeitsmarkt in Bedrängnis bringt.“ Gerade im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Gastronomie, aber auch im verarbeitenden Gewerbe sei man dringend auf diese Unterstützung angewiesen. „Das sichert Wachstum und Wohlstand“, sagt Cujai.

64 Prozent der 2015 nach Deutschland Geflüchteten arbeiten

Bei der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt ist für Cujai „das Glas eher halbvoll als halbleer“. Natürlich brauche Integration Zeit. Da sei einmal als Hürde das Erlernen der Sprache, dann das Problem, dass Abschlüsse nicht anerkannt werden. Auch persönliche Rahmenbedingungen – von fehlender Kinderbetreuung bis zu Traumata – können Hindernisse darstellen. Von den 2015 nach Deutschland Geflüchteten waren aber sieben Jahre später 64 Prozent in Lohn und Brot. „Bei den Männern waren es sogar 75 Prozent.“

Ausbildungsmarkt: Viele Betriebe sind noch auf der Suche

Michael Preisendanz, Geschäftsführer operativ, warf einen Blick auf den Ausbildungsmarkt. Für Suchende sei die Situation hervorragend. „Die jungen Menschen können sich aussuchen, wo sie anfangen wollen.“ 282 (Miesbach: 287) Bewerber haben noch nichts gefunden, auf der anderen Seite sind aber noch 667 (562) Ausbildungsstellen offen – und das sind nur die, die der Agentur gemeldet werden. „Einige haben resigniert und melden nicht mehr“, sagte Preisendanz. Gerade im Handwerk sei die Lage schwierig. Hier arbeite man eng mit den Kammern zusammen. Preisendanz betonte, „dass es ein sehr qualifizierter Einstieg ist, wenn man einen Beruf von Grund auf lernt“. Danach gebe es vielfältige Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Er wirbt dafür, sich vielleicht doch für eine Ausbildung zu entscheiden. „Zu diesem Zeitpunkt sind noch viele Betriebe auf der Suche.“

Ältere Arbeitssuchende immer noch schwieriger zu vermitteln: „Trauriges Thema“

Dass die Agentur überhaupt noch Jugendliche in der Vermittlung hat, liegt mitunter an der fehlenden Mobilität und der Unmöglichkeit, eine Ausbildungsstelle zu erreichen. Manchmal passen auch die Noten beziehungsweise die eigenen Fähigkeiten nicht mit dem angestrebten Berufswunsch zusammen oder es passt einfach irgendwie nicht zwischen Arbeitgeber und künftigem Azubi. „An allem kann man arbeiten“, sagt Cujai.

Herausforderungen für den Arbeitsmarkt im Landkreis seien zuletzt die Schließungen von Haupt Pharma in Wolfratshausen und des Heilbrunner Pflegeheims gewesen, sagte Höhn. „Wir haben aber festgestellt, dass, wenn Betriebsschließungen in der Presse angekündigt werden, die Personalverantwortlichen anderer Firmen direkt dort anrufen und sagen: ,Wir haben Bedarf‘“, ergänzte Cujai.

Die Agentur für Arbeit hilft nicht nur bei der Arbeitssuche, sondern auch bei der Weiterqualifizierung. Das reiche vom Staplerschein bis zum kompletten Berufsabschluss, so Höhn. Ein „trauriges Thema“ ist für Cujai die schwierigere Vermittelbarkeit von älteren Arbeitssuchenden. Angesichts des großen Fachkräftemangels setzt sie hier auf einen „Bewusstseinswandel“ bei den Unternehmen.

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