Angst in Rafah wächst: Tausende suchen Schutz vor Israels geplanter Offensive
Nach Israels Ankündigung, Rafah zu evakuieren, flohen allein am Samstag Hunderttausende aus der Stadt im südlichen Gazastreifen. Doch wohin sollen sie nun?
Gaza/Tel Aviv – Zu Wochenbeginn initiierte Israel den Einsatz von Bodentruppen in den Außenbezirken der Stadt Rafah im südlichen Teil des Gazastreifens. Mittlerweile sind dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) zufolge 150.000 Palästinenserinnen und Palästinenser aus Rafah geflohen. Nach Darstellung des israelischen Militärs sollen sogar schon 300.000 Menschen die Stadt verlassen haben.
Nun hat die israelische Armee Bewohnerinnen und Bewohner Rafahs dazu aufgefordert, weitere Stadtgebiete umgehend zu verlassen, berichtete unter anderem die Deutsche Presse-Agentur (dpa). In einer Botschaft, die das Militär in arabischer Sprache über den Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter), sowie auf Flugblättern verbreitete, zählten die Streitkräfte Stadtgebiete auf, die von der Evakuierung betroffen sind. Unter ihnen befinden sich auch zwei Flüchtlingslager.
Die rund 300.000 betroffenen Menschen müssten sich unverzüglich in die Ortschaft Al-Mawasi an der Mittelmeerküste begeben, hieß es. Hilfsorganisationen bezweifeln unterdessen, dass dort eine große Zahl von Menschen angemessen versorgt werden kann. Auch das letzte intakte Krankenhaus Rafahs ist inzwischen von der Evakuierung betroffen. Infolge der Ankündigung Israels wächst nicht nur in Rafah, sondern auch international die Befürchtung, Israel könnte die nächste Eskalationsstufe im Krieg gegen die islamistische Hamas schon bald einläuten.
Hunderttausende verlassen Rafah in teils kilometerlangen Autokolonnen
Allein am Samstag sollen mehr als Hunderttausend Menschen auf Israels Warnung hin aus Rafah geflohen sein. Kilometerlange Kolonnen überladener Pick-Up-LKW, Autos und Pferdefuhrwägen säumten laut dem britischen Guardian die Straßen, die aus der Stadt herausführen. Daneben hätten viele Menschen Rafah auch zu Fuß verlassen müssen und all ihr Hab und Gut unter der sengenden Sommersonne aus der Stadt befördert. Einige seien in Rollstühlen geschoben oder sogar getragen worden.
Auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter), beschrieb Louise Wateridge, eine Mitarbeiterin des UNRWA am Samstag, wie sichtbar die massenweise Flucht von Menschen aus Rafah bereits ist: Überall in der Stadt packten Familien aktuell ihre Sachen. „Die Straßen sind deutlich leerer“, betonte sie.
Die Stadt „leert sich jetzt“, unterstrichen laut Guardian auch UN-Botschafter. Aktuell wird erwartet, dass im Rahmen einer der schwerwiegendsten Massenvertreibungen der vergangenen Monate am Sonntag eine weitere große Zahl von Menschen Rafah verlassen könnte. Wo die massenhaft fliehenden Menschen nun hin sollen, bleibt fraglich. Es ist eine der drängendsten Fragen, die Israels Vorgehen in Rafah aktuell aufwirft.
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Nach Warnung der israelischen Großoffensive leert sich Raffah – doch wohin soll seine Bevölkerung nun?
Bis zuletzt nämlich drängten sich in Rafah mehr als eine Million Menschen zusammen. Sie waren bereits zuvor infolge des seit sieben Monaten andauernden Konflikts zwischen Israel und der Hamas aus anderen Teilen Gazas hier her geflohen. Auf Seiten von Hilfsorganisationen wird nun befürchtet, eine nochmals verstärkte israelische Offensive in Rafah könnte dazu führen, dass Hunderttausende palästinensische Zivilisten zwischen die Fronten geraten.

Auch wächst die Sorge, die ohnehin schon prekäre Versorgung der Menschen in Gaza mit Lebensmitteln oder medizinischer Infrastruktur könnte infolge einer verstärkten Offensive Israels in Rafah völlig zusammenbrechen. Erschwert wird die Versorgung in Gaza seit Kurzem nämlich auch durch das Faktum der Schließung Palästinas einziger Grenze zu Nachbarland Ägypten. Grund hierfür war die Befürchtung Israels, Waffenlieferungen könnten so nach Gaza gelangen. Doch nun erreichen auch Hilfsgüter seine Bewohnerinnen und Bewohner nur noch in begrenztem Maß.
Netanjahu widersagt Druck von Joe Biden trotz gestrichener Waffenlieferung
Die Israelian Defense Forces (IDF) betonten, ihre Streitkräfte werden „weiterhin gegen die Terrororganisation Hamas vorgehen, die die Bewohner des Gazastreifens als menschliche Schutzschilde für ihre terroristischen Aktivitäten und ihre Infrastruktur benutzt“. Damit reagierte Israel bislang nicht auf zahlreiche internationale Forderungen, auf eine neue Eskalation im Krieg gegen die Hamas zu verzichten.
Zuvor hatte auch US-Präsident Joe Biden Druck auf Israels Ministerpräsident Netanjahu ausgeübt, Rafah nicht umfassend anzugreifen und entsagte ihm so eine geplante Lieferung über rund 3.500 Waffen. Bidens Druck wies Netanjahu zurück, da die Hamas die meisten ihrer führenden Köpfe und verbleibenden Truppen in und um Rafah stationiert hätten. Das mache einen israelischen Einsatz notwendig. Vergangene Woche bereits erklärte Netanjahu, Israel werde im Kampf gegen die Hamas „alleine stehen“ und notfalls mit „Fingernägeln“ kämpfen. (fh)