Gnettner: Mitarbeiter haben das Nachsehen

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Lückenschluss im Gnettner-Areal: Das Archivfoto vom Juli 2022 zeigt die letzte große Baustelle am heutigen Lena-Christ-Weg. © Hans-Helmut Herold

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden: Die Gnettner-Mitarbeiter haben (noch) kein Anrecht auf die letzte Sozialplan-Rate. Erst müssen private Gläubiger bedient werden. „So schäbig konnten wir vor 20 Jahren gar nicht denken, wir haben uns auf einen seriösen Kaufmann verlassen“, ärgert sich Helmut Dinter (IG Metall).

Schongau – 14 Seiten lang ist der Beschluss des Landesarbeitsgerichts München, die Entscheidung ist unanfechtbar. Die ehemaligen Mitarbeiter der Schongauer Firma Kurt Gnettner Holzindustrie dürften ebensowenig zufrieden sein wie Helmut Dinter, Bevollmächtigter der IG Metall Weilheim. „Ich war gerade eben bei der Belegschaft und habe das Urteil erklärt – und ich habe in sehr frustrierte Gesichter geschaut“, so der für die Schongauer zuständige Gewerkschafter.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts aus dem Dezember 2022 ist endgültig zurückgewiesen, die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit die dritte Rate des vor mehr als 20 Jahren ausgehandelten Sozialplans an die ehemaligen Mitarbeiter oder inzwischen sogar deren Erben ausbezahlt wird, ist somit dahin.

Rate erst fällig, wenn alle Verbindlichkeiten befriedigt sind

Worum geht es? Kern der Auseinandersetzung ist die Frage, ob wirklich alle Verbindlichkeiten der Firma, deren Betrieb im Jahr 2000 eingestellt worden war, befriedigt sind, ein Gewinn entstand und daher die letzte Rate in Höhe von 500 000 Mark des Sozialplans für die Mitarbeiter fällig wird – umgerechnet sind dies rund 256 000 Euro. Dem ist nicht so, wie schon die Richterin der Weilheimer Kammer des Arbeitsgerichts München festgestellt hatte. Zwar seien bereits 2006 die Verpflichtungen gegenüber Banken und Lieferanten beglichen worden. Im Gegenzug hätten aber Gesellschafter und Familienangehörige Darlehen gewährt. Verbindlichkeiten bestanden – zumindest bis zum Jahresabschluss 2020 – fort. Auch seien damals nur 46 der 49 Grundstücke im Gnettner-Areal in Schongau verkauft gewesen.

Rund 2,1 Millionen Euro standen also vor drei Jahren offenbar noch rot in den Büchern. Die letzte Rate des Sozialplans wird aber erst fällig, wenn eben alle Schulden beglichen sind und ein Überschuss bleibt, wie das Gericht wieder feststellte. „Auf der Arbeitsrechtsschiene ist nun Ende“, fasst es Dinter zusammen, und bleibt bei den Vorwürfen in Richtung des ehemaligen Arbeitgebers, dass er schäbig gehandelt habe. „Zwischen Rechtsprechung und Rechtsgefühl lässt sich keine Vermittlung herstellen“, bedauert Dinter. „Gnettner hat das große Glück, dass er nun schwarz auf weiß hat, dass er lediglich die Schulden gegenüber der Familie behalten muss, und sei es nur ein Euro, damit die letzte Sozialplanrate nicht fällig wird.“

Auch Gesellschaftlerdarlehen sind Darlehen

Die Arbeitgeberseite argumentiert, dass man nie erklärt habe, Gesellschafter- und Familiendarlehen unberücksichtigt zu lassen. Der Betriebsrat sei bei Abschluss des Interessenausgleichs sowohl gewerkschaftlich wie anwaltlich vertreten gewesen. Die Arbeitgeber-Seite schiebt die Schuld nach den Unterlagen aus dem Gericht deutlich in Richtung Arbeitnehmervertretung: Der Betriebsrat sei vorsätzlich bzw. zumindest grob fahrlässig das Risiko eingegangen, dass sich die Zahlung der dritten Rate aus dem Sozialplan auf unbestimmte Zeit verzögere bzw. überhaupt nicht realisieren lasse.

Rege Bautätigkeit: Das Gnettner-Areal in Schongau in einer Luftaufnahme aus dem April 2015.
Rege Bautätigkeit: Das Gnettner-Areal in Schongau in einer Luftaufnahme aus dem April 2015. © Hans-Helmut Herold

Der Lückenschluss im Gnetter-Areal erfolgte ab 2022.
Eine böse Überraschung erlebte man zwischendurch auch mit dem Gnettner-Areal, denn bei genauem Hinsehen stellte sich heraus, dass der Namensgeber des letzten Weges mit unbebauten Grundstücken ein ehemaliger Nazi-Dichter war.

Betriebsrat in misslicher Lage

Auf Nachfrage der Schongauer Nachrichten erinnert Dinter noch einmal an die missliche Lage des damaligen Betriebsrats: Er sei von der Geschäftsleitung vor die Entscheidung gestellt worden, einer freiwilligen Abwicklung des Betriebs zuzustimmen oder man wolle in die Insolvenz gehen. Der Betriebsrat hatte sich für Ersteres entschieden, da er sich gesagt habe, besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, so Dinter. Der Betriebsrat habe so gerechnet, dass schon die beiden ersten Raten des Sozialplans höher seien, als es im Insolvenzfall für die Mitarbeiter geben werde. 1,2 von 1,7 Millionen Mark war an die Beschäftigten dann auch tatsächlich ausbezahlt worden. „Aber bei einer Insolvenz hätte Gnettner auch mit seinem gesamten Privatvermögen gehaftet“, so Dinter rückblickend. „Ich werfe mir vor, dass wir es damals nicht geschafft haben, den Betriebsrat von diesem Weg zu überzeugen.“

Ein Funke Hoffnung bleibt aber noch für die Mitarbeiter

Ein klitzekleiner Funke Hoffnung für die ehemaligen Mitarbeiter bleibt aber noch. Denn Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren die Jahresabschlüsse inklusive dem Jahr 2020, die Ergebnisse 2021 bis 2023 lagen dem Betriebsrat laut Dinter bisher noch gar nicht vor, seien nun aber angefordert. Die letzte Lücke im Gnettner-Areal ist mittlerweile geschlossen, alle laut Stadt Schongau verwertbaren Grundstücke verkauft.

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