Kempten: Schwierige Haushaltsjahre ante portas

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Die blauen Balken zeigen den Schuldenstand, die orangenfarbene Querlinie die vom Stadtrat als strategisches Ziel festgelegte Obergrenze der vertretbaren Verschuldung. © Grafik: Stadt Kempten

Die Finanzen sind knapp. Heftig diskutiert ums Geld wird in letzter Zeit in den Ausschüssen des Kemptener Stadtrats. Nun starteten die Haushaltsberatungen.

„Nach zehn Jahren guter Entwicklung muss sich die Stadt auf einige Jahre mit schwierigen Haushalten einstellen“ sagte Oberbürgermeister Thomas Kiechle zu Beginn der Haushaltsberatungen. Das Aufeinandertreffen der verschiedenen Krisen und die Steuergesetzgebung des Bundes führten seinen Worten zufolge zu Nachteilen der Kommunen.

Das Rekorddefizit des Bezirks mit ca. 250 Millionen Euro habe zudem erhebliche Auswirkungen auf die von der Stadt zu leistende Umlage. „Wir haben den Versuch unternommen, einen Haushalt zu präsentieren, der genehmigungsfähig ist. Das war äußerst anstrengend und kompliziert“, so der OB.

Komplizierte Aufgabe in Kempten – wo sind welche Kürzungen vertretbar?

Kempten gehe es noch vergleichsweise gut. Er verwies auf Kaufbeuren, Erlangen, Ingolstadt und Straubing. Dort wurden Haushaltssperren erlassen. Im Mai 2024 erteilte der Haupt-und Finanzausschuss bei der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2025 das Gebot, das Budget auf das Niveau von 2023 zurückzuführen. „Es gab keinen einzelnen Bereich, den wir nicht betrachtet haben. Es wird in allen Bereichen entweder zu Kürzungen oder zu keinen Erhöhungen kommen. Die Kunst die vor uns liegt ist die Grenze zu definieren, wo eine Belastung noch erträglich ist und nicht zu Verwerfungen führt“, erklärte das Stadtoberhaupt.

„Was wir jetzt machen, ist kein Abbild für die kommenden Jahre, es geht um den Haushalt 2025. Man kann nicht mit dem Blick nach innen in die Verwaltung alles lösen, sondern auch mit dem Blick nach außen“, so der OB weiter. Schwierige Entscheidungen sind also zu zu treffen.

Oberbürgermeister ruft den Kemptener Stadträten ihre Vorbildfunktion ins Gedächtnis

„Wir sind Vorbild, haben in Sitzungen einen entsprechenden Umgangston und es gibt klar definierte Grenzen. Was im Sozialausschuss vorgekommen ist, geht nicht. In der Sache ringen – ja, aber Respekt und Vorbild gehört dazu“, so der OB abschließend.

Laut Stadtkämmerer Matthias Haugg waren die Rahmenbedingungen für öffentliche Haushalte selten so ungünstig wie jetzt. „Wir stehen vor enormen Herausforderungen und Verwerfungen. Dreh- und Angelpunkt ist die die Zuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt. Das sind derzeit 1,1 Millionen Euro und das reicht gerade für die vorgeschriebene Mindestzuführung in Höhe von 0,9 Millionen Euro“, so Haugg.

Ob es bei dieser Zuführung bleiben kann, hängt davon ab, welche Auswirkungen die eventuell exorbitante Erhöhung der Bezirksumlage auf den Verwaltungshaushalt hat. Hierzu findet am 20. November ein Spitzengespräch statt. Eine weitere Unwägbarkeit ist die Höhe der Schlüsselzuweisung. „Mit dem Verwaltungshaushalt sind zum größten Teil Pflichtaufgaben zu erfüllen. Diese müssen wir machen, da können wir höchstens an der Qualität Abstriche machen. Größere Spielräume gibt es bei allen Aufgaben, zu denen die Stadt nicht verpflichtet ist. Beispielsweise bei Smart City, Stadttheater, Sing- und Musikschule, Museen, Allgäuer Festwoche, Big Box, Eisstadion, ÖPNV, Bädern oder Weihnachtsmarkt. Es geht nicht darum, dass man sparen darf-sondern sparen muss“, so Haugg.

So will man zu Einkünften kommen

Um mehr Einnahmen zu generieren, wurde die Grundsteuer angehoben, ebenso die Straßenreinigungsgebühren. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer lehnte er ab, da das Gift für die Wirtschaft sei. Es wurden Kürzungen bei zahlreichen Zuschüssen (gegenüber Beteiligungen wie dem Kemptener Kommunalunternehmen, den Eigenbetrieben sowie im sozialen und kulturellen Bereich), die Reduzierungen von Ausgaben bei der Wahrnehmung von freiwilligen Aufgaben (im Bereich der Kultur, im sozialen Bereich und bei den städtischen Beteiligungen) sowie teilweise tiefgreifende und empfindliche Einschnitte in die Tief- und Hochbauunterhaltsbudgets vorgenommen.

Wie dringend werden einzelne Gelder gebraucht?

Investitionen im Haushaltsjahr 2025 und den Finanzplanungsjahren wurden einer detaillierten Untersuchung auf Notwendigkeit, Dringlichkeit, Höhe und zeitlichen Ablauf hin unterzogen und entsprechende Kürzungen und Verschiebungen vorgenommen. Da sich die allermeisten Maßnahmen bereits in der Umsetzung befinden (oder verpflichtende Umlagen bezahlt werden müssen) bzw. bezüglich der Dringlichkeit der Umsetzung nicht aufschieben lassen, sind hier weitere Kürzungen nicht möglich.

Wie in den Vorjahren reichen die erwirtschafteten Überschüsse im Verwaltungshaushalt sowie die sonstigen Einnahmen im Vermögenshaushalt bei Weitem nicht aus, um den investiven Finanzbedarf decken zu können. Das gelingt für den Haushalt 2025 nur durch Kreditaufnahme in Höhe von 25,7 Millionen Euro.

Haushalt ist angewachsen

Der Gesamthaushalt umfasst 313,3 Millionen Euro, was eine Steigerung von 4,8 Millionen Euro gegenüber 2024 ist. Davon entfallen auf den Verwaltungshaushalt 257,3 Millionen Euro und auf den Vermögenshaushalt 56 Millionen Euro. „Die Zeit der Rekordinvestitionen geht zu Ende. Im Gegenteil, wir verlieren gerade unsere Investitionsfähigkeit. Wir investieren weniger, dennoch gehen die Schulden in die Höhe“ so Haugg.

Im Jahr 2025 sind noch 54,9 Millionen Euro an Investitionen vorgesehen. Sie gehen bis 2028 auf 37,5 Millionen Euro zurück. Die Verschuldung steigt und überschreitet 2025 die Verschuldungsgrenze um 3,7 Millionen Euro. Ab 2027 gibt es massive Überschreitungen. Bis 2028 steigt die Verschuldung auf 112,6 Millionen Euro und überschreitet die Gesamtverschuldungsgrenze um 39,4 Millionen Euro. So können die Haushalte spätestens ab 2026 nicht mehr funktionieren.

Ein Strauß an möglichen Sparmaßnahmen

In der anschließenden Debatte ging es im Wesentlichen darum, wie weitere Gelder eingespart werden können. Laut Prof. Dr. Robert Schmidt (CSU) müssen Einsparungen gerecht verteilt werden und unterbreitete konkrete Vorschläge. „Bei der Schule Heiligkreuz könnten mittels Public Privat Partnership die Kosten reduziert und auf die Module verzichtet werden.“ Ferner regte Schmidt an, die Tiefgarage Marstall, die die Stadt mit 430.000 Euro bezuschusst und nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich ist, an die Sozialbau zu verkaufen.

Den Wohnmobilabstellplatz am Illerstadion würde die Baugenossenschaft komplett übernehmen und betreiben, so Schmidts Ideen. Damit könne man den Zuschuss an das Stadtmarketing reduzieren. Hinsichtlich Smart City schlug er vor, alle Einzelprojekte auf den Prüfstand zu stellen. Er hinterfragte die Personalstruktur und forderte ein Personalcontrolling. Laut Ob befindet sich die Verwaltung in einem Umstrukturierungsprozess. „Wir werden in den folgenden Wochen Stellung nehmen können.“

Forderung nach billigerem Bauen

Für Alexander Hold (FW/ÜP) ist die jetzige Lösung für die Schule Heiligkreuz ein falscher Weg und Stückwerk. „Wir sollten die Planung weiterverfolgen. Wir müssen uns auch an die großen Brocken heranmachen. Große Bauwerke müssen drei Prozent billiger werden. Wir müssen kosteneffizienter bauen. Die Personalkostenquote steigt, das ist ein Fehler. Bei OB Netzer wurden zehn Prozent der Haushaltsstellen eingespart. Fahrzeugbeschaffungen sollen geschoben werden“, forderte Hold.

Für Katharina Schrader (SPD) ist es wichtig, einen Weg zu finden, wie man das strukturelle Defizit in den Griff bekommt. Hinsichtlich einer Senkung der Personalquote gab sie zu bedenken, dass es dadurch zu Abstrichen und Wissensverlust führe, wenn man dauerhaft so vorgehe.

Groll: „Wenn wir im Sozialen zu viel einsparen, fällt uns das irgendwann auf die Füße“

Laut Erna-Kathrein Groll (Grüne) wird ein Personalentwicklungskonzept benötigt. „Das Personal ist zu schulen, weiterzubilden und zu halten. Keine Stellen mehr zu besetzen, wäre ein großer Fehler. Wenn wir im Sozialen zu viel einsparen, fällt uns das irgendwann auf die Füße. Wir sollten Einnahmen generieren. Dort wo große Firmen mit großen LKW fahren, könnte man fragen ob sie sich an den Kosten Straßenunterhalt beteiligen.“  

Für Ullrich Kremser (FDP) ist es wichtig, dass der Ton untereinander umgänglich ist. „Wir wollen die Bürger nicht belasten, so die Forderungen aus dem Stadtrat, aber wir erhöhen die Straßenreinigungsgebühren, die für viele eine erhebliche Mehrbelastung darstellen.“ Josef Mayr (CSU) „Wir sind ohne Verschulden in das Tal gefahren. Wir müssen wieder aus dem Tal herauskommen. Wenn der Bund künftig Gesetze macht, die die Kommunen betreffen, muss er auch sagen, wie die Maßnahmen bezahlt werden sollen.“

Thomas Hartmann (Grüne) wollte wissen, wie andere Kommunen vorgehen und ob die Sparkasse Allgäu, die jedes Jahr Gewinn erzielt, der Stadt das Darlehen in Höhe von 26,6 Millionen Euro gewährt.

Laut Haugg ist eine Haushaltskonsolidierung notwendig, Zuschüsse müssen gekürzt werden. „Kredite werden ausgeschrieben und wir suchen das günstigste Angebot aus. Sofern das die Sparkasse ist, hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, das sind verschiedene Geschäfte“, so Haugg.

Kommentar von Helmut Hitscherich

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