Kemptener Stadtrat will die Pläne für Heiligkreuz nicht aufgeben und diskutiert emotional über Alternativen
Die Diskussion im Stadtrat zeigte, dass es nicht nur den Heiligkreuzern schwerfällt, die Entscheidung über den Stopp des Grundschulneubaus in ihrem Stadtteil zu „verdauen“.
Kempten – „Kempten ist eine Schulstadt, in der jeden Tag 18.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden“, begann Oberbürgermeister Thomas Kiechle seine Einführung. Deswegen habe man viele alte Schulen mit Renovierungsbedarf. Die Aufgaben und die damit verbundenen Ausgaben der Kommune seien jedoch vielfältig, es gebe nicht nur Tagesstätten und Schulen.
„Ich will den Spieß umdrehen“, sagte er und zählte die vielen Aktivitäten der Stadt im schulischen Bereich auf, von den Gymnasien über die Zehnte Grundschule („ein Befreiungsschlag für die ganze Stadt“) und die Mittelschulen bis zu den „unglaublichen Investitionen ins Berufsschulzentrum“. Die Stadt wachse schnell, ab 2026 bestehe zusätzlich eine Ganztagespflicht für die Grundschulen. Auf die Preissteigerungen könne die Kommune keinen Einfluss nehmen.
OB: Die Pläne für die Erweiterung der Grundschule Heiligkreuz „können wir nicht mehr leisten“
Als ehemaliger Lehrer habe er persönlich den Anspruch, alle Schulen fit für die Zukunft zu machen, aber es helfe nichts: Der Gesamthaushalt gebe es nicht her. Die „durchgekneteten Pläne für Heiligkreuz können wir nicht mehr leisten. Punkt“, sagte er. Auf den Druck durch wachsende Schülerzahlen brauche man jetzt eine Antwort, ohne die 30 Millionen schwere Investition. Diese Pläne stellte im Anschluss Sozialreferent Thomas Baier-Regnery, ähnlich wie im Schulausschuss (Kreisbote 20.07.2024) vor: Die Stadtteilbücherei wird zum Klassenzimmer umgewandelt, auf dem ehemaligen Raiffeisen-Gelände stellt man sechs Raummodule auf, der Schulsprengel wird geändert (Kreisbote, 03.08.2024).
Kiechle reagierte auf Kritikpunkte, die nach der Bekanntgabe der Entscheidung geäußert wurden: Für den 5. August habe er die Vorsitzenden der Heiligkreuzer Vereine und die Fraktionsvorsitzenden zu einem Gespräch eingeladen. Für die Unterbringung der Bücherei gebe es gute Optionen, er nehme sich dieser Aufgabe persönlich an. Er wolle zuerst intern kommunizieren, dann in der Öffentlichkeit. Er nehme dafür in Kauf, dass dabei das Gefühl entstehe, dass man zu wenig kommuniziere. Kiechle kritisierte, dass die Verantwortlichen in den 80-ern Investitionen, zum Beispiel beim CvL, versäumt hätten: „Jetzt haben wir das Vergnügen.“ Die Stadt sei stark und werde die Aufgaben meistern, sagte er am Schluss seiner Einleitung.
Große Enttäuschung bei Bürgerinnen, Bürgern und Stadträten
Seit Jahren gebe es unterschiedliche Vorschläge, die immer mit einer Enttäuschung verbunden gewesen seien, sagte Dr. Dominik Spitzer (FDP).„Die Bürger hoffen, aber die Pläne werden immer rückentwickelt.“ In den zwei Wochen seit der Bekanntgabe im Schulausschuss habe er viele Gespräche vor Ort geführt, berichtete Thomas Landerer (FW). „Man erlebt viel Frust, die Leute sind wütend, weil Heiligkreuz abgehängt wird.“ Er verstehe, dass alle enttäuscht seien, betonte Baier-Regnery. Die Heiligkreuzer hätten viel Energie in die Gespräche über den geeigneten Entwurf investiert. „Uns geht es nicht anders, aber die Realität holt uns ein“, sagte er in seiner Stellungnahme, in der er in jedem zweiten Satz das Wort „Verzeihung“ verwendete.
An den Plänen festhalten
„Verzichten wir komplett auf die bereits geplanten Projekte?“, fragte Wolfgang Meyer-Müller (Grüne). Die Freien Wähler forderten in ihrem am Anfang der Woche eingereichten Antrag, das geplante Projekt mittelfristig umzusetzen. Die Fallhöhe sei wirklich hoch, aber man dürfe das Ziel nicht aufgeben, betonte Schulbeauftragte Barbara Haggenmüller (Grüne). Sie werde sehr oft mit der Frage konfrontiert, warum so plötzlich. „Ich bin der festen Überzeugung, dass niemand was verschludert und übersehen hat. Keiner wollte unrealistische Lösungen haben.“
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Ungeklärte Fragen
Das Grundstück für die Module sei zu klein, meinte Meyer-Müller und fragte: „Was ist mit dem Pausenhof? Wohin mit den Kindern, wenn es regnet?“ „Wir verdoppeln das Personal und das Lehrerzimmer ist bereits jetzt zu klein“, fügte er hinzu. Man dürfe die Situation in der Kita nicht vergessen, erinnerte die Kinderbeauftragte Katharina Schrader (SPD) und fragte, wie die Stadt für sichere Schulwege sorgen wolle. „Wir haben nicht nur die Schule, auch eine Mehrzweckhalle und eine Mensa wurden versprochen“, so Landerer. Die Mittagsbetreuung in Heiligkreuz sei eine Schande. „Wir dürfen keine dauerhafte Zweihäusigkeit auf den Weg bringen“, warnte Spitzer.
Alternativvorschläge
Die Freien Wähler schlugen in ihrem Antrag vor, die „Raummodule für deren temporäre Nutzung auf dem zukünftigen Schulgrundstück zu platzieren und damit einen ersten Schritt zum neuen Schulgebäude zu vollziehen“. Der Standort am südlichen Ortsrand sei richtig, „viel Gehirnschmalz steckt da drin“, erklärte Andreas Kibler (FW).
Meyer-Müller ging einen Schritt weiter: „Wir bauen eine komplette Raummodulschule am geplanten Standort“, beschrieb er seine Idee. Die leere alte Schule könne dann für den Kindergarten und die Mensa von der Dorfgemeinschaft genutzt werden. Man würde die Zweihäusigkeit vermeiden und ein „innovatives Gemeinschaftsprojekt“ ermöglichen.
Das Raiba-Grundstück sei erschlossen, der geplante neue Schulstandort jedoch nicht, entgegnete Baureferent Tim Koemstedt. Die Kosten für die Erschließung könne er nicht nennen, aber diese würden im siebenstelligen Bereich liegen. Im Beschluss votierten die Stadträte einstimmig für die Anschaffung der Raummodule, die Standortfrage ließen sie jedoch offen.
Positive Signale seien wichtig
Es sei für die Bürger wichtig, dass man sie mitnehme und etwas passiere, betonte Spitzer. Er schlug vor, schrittweise vorzugehen und mit dem Schulgebäude anzufangen. Man müsse den Leuten ein positives Signal geben: „Es wäre schön, einen Spatenstich zu haben.“
Erwin Hagenmaier (CSU) plädierte dafür, den Neubau des Kindergartens vorzuziehen und die Module zwischen der Kita und der Schule aufzustellen. Den Bau auf drei Abschnitte aufzuteilen, sei nach dem Entwurf der Felix Jonas Architekten möglich, erwiderte Koemstedt. Man müsse die Bedarfe hier mit den Bedarfen von anderen Schulen vergleichen und die Vorhaben priorisieren. Er sprach sich gegen den Vorschlag von Helmut Berchtold (CSU) aus, die Baumodule zu mieten, diese seien ab dem dritten Nutzungsjahr teurer als der Kauf.
Vergleich Modul- und Massivbauweise
„Die Schule ist kein Hightech-Gebäude“, sagte Thomas Kreuzer (CSU), es müsse möglich sein, unter ganz anderen Voraussetzungen zu bauen, um Kosten zu sparen. „Wir bauen keine goldenen Wasserhähne ein“, entgegnete der Baureferent. Die Anforderungen an einen Schulbau seien höher als bei Wohnungen oder Gewerbeobjekten.
Franz Josef Natterer-Babych (ÖDP) wollte einen Kostenvergleich haben, um zu wissen, wie das Kostenverhältnis zwischen der Modular- und der Massivbauweise liege. Für die sechs Module müsse man mit sechs Millionen Euro rechnen und diese haben eine Lebensdauer von 20 bis 40 Jahren, antwortete Koemstedt. Sie seien langfristig gesehen nicht günstiger als der Massivbau, aber schnell verfügbar.
„Wir sind den Bürgern verpflichtet“, betonte Landerer und schlug vor, nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, zum Beispiel mithilfe städtischer Unternehmen. Die Abwägung habe immer mit der Dreifachturnhalle im Kontext gestanden, so Kiechle. Man habe bei der Entscheidung dafür den Joker bereits gezogen.
Schwierige Zeiten
„Sie wollten dem CvL den Vorrang geben. Ich auch“, sagte der Oberbürgermeister. „Riesenenttäuschungen erleben wir jeden Tag, auch mit anderen Trägern.“ Man solle zusammenhalten, statt Sonntagsreden zu halten, begann er sich in Rage zu reden. Man dürfe nicht so tun, als ob man so weitermachen könnte wie in den letzten Jahren. „Jetzt kommen andere Zeiten. Es muss trotzdem funktionieren. Sie werden sich wundern, was die Haushaltsberatungen bringen. Bei den Themen werden Sie mit den Ohren schlackern.“ Nichts nachhaltig zu zerstören, sei Aufgabe genug.
„Wir haben drei Großbaustellen: die Haubenschloßschule, das Kornhaus und die Zehnte Grundschule, und sind bereits damit überfordert“, erläuterte Koemstedt. Der Rest sei nicht einmal abgebildet. „Wir haben nicht unendlich Luft nach oben.“ Man stehe vor einem Zeitproblem und einem massiven finanziellen Problem, fasste Sibylle Knott (parteilos, CSU-Fraktion) zusammen.
Die beschlossene Lösung sei für die Schule in Heiligkreuz sehr komfortabel, sagte Kiechle zum Schluss.
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