Sogar das Pausenbrot wurde geteilt
Am Dienstag, 10. September, ist in Bayern das neue Schuljahr gestartet. Die Tegernseer Zeitung hat sich aus diesem Anlass bei Persönlichkeiten im Landkreis umgehört: Welche Erinnerungen haben sie an ihre Einschulung und an die folgende Schulzeit? Hier blickt Heimatpfleger Beni Eisenburg zurück.
Gmund - Als der heutige Volkskundler, Heimatpfleger und Chronist Beni Eisenburg aus Dürnbach 1941 in die Volksschule Gmund eingeschult wurde, waren das in außergewöhnlichen Zeiten. Es herrschte Krieg. „Es war die schlechte Zeit“, sagt Eisenburg rückblickend. Da wurde um die Einschulung keines Aufhebens gemacht.

Eine Schultüte gab es nicht, weil es nichts gab, was man hätte hinein tun können. Einschulungsfotos gab es auch nicht. Vielleicht hat Eisenburg auch deshalb keine konkreten Erinnerungen an seinen ersten Schultag in der gemischten Klasse vom Fräulein Pfeiffer im Erdgeschoß des alten Schulhauses – ungefähr da, wo sich heute die Aula der Grundschule befindet.
Ausgestattet war der kleine Beni aber mit einem ledernen Schulranzen, einer Schiefertafel mit Griffel und einem Griffelkasten. Papier war Mangelware. Lesebücher ebenso. „Es standen etwa 25 Bücher für eine Klasse mit über 52 Kindern zur Verfügung“, erinnert sich der heutige Autor. Sechs Väter von Mitschülern waren im Krieg geblieben, fünf Schülerinnen lebten mit ihren Eltern und Geschwistern in einem Raum. „Da waren schon einige Vertriebene im Ort. Da hieß es überall zusammenrutschen und teilen. Manchmal auch das Pausenbrot“, erinnert sich Eisenburg. Man habe die, die nichts hatten, abbeißen lassen.
Erinnerungen an die Schulzeit in Gmund: Alle Kinder kamen zu Fuß
Einen Schulbus gab es freilich auch nicht. Alle Kinder – egal aus welchem Ortsteil – kamen zu Fuß zur Schule gelaufen. Im Sommer barfuß, vor allen Dingen die Bauernbuben aus Festenbach, deren Schulbesuch bisweilen auch nicht ganz so regelmäßig war, weil sie schließlich zu Hause am Hof noch mithelfen mussten. Es sei damals als Fortschritt erachtet wurden, dass der Unterricht täglich zwischen 8 und 12 Uhr abgehalten wurde und die Kinder so regelmäßiger zur Schule kamen, weil sie dann wenigstens noch nachmittags mitanpacken konnten.
Beni Eisenburg erinnert sich an die Schulzeit in Gmund: Es gab Schulspeisung, Bauernkinder waren ausgeschlossen
Die meisten Buben trugen sommers kurze Lederhosen. Winters wurden knielange Hosen und Röcke mit Schafwoll-Joppen und lang gestrickten Strümpfen ergänzt, die zusammen mit den ledernen Schnürschuhen über den Vormittag kaum trocken wurden, bevor die Schülerinnen und Schüler wieder nach Hause laufen müssten. „In der kalten Jahreszeit musste jeder jeden Tag ein, zwei Scheitl Holz mitbringen, damit eingeheizt werden konnte und der Schulraum einigermaßen warm wurde“, erinnert sich Beni Eisenburg. Und auch daran, dass es irgendwann Fliegeralarme gab und die Kinder dann nach dem Erklingen der handgedrehten Sirenen in die Keller laufen mussten, um Schutz zu suchen. In der Zeit habe man die Kinder auch streckenweise nicht mehr in der Schule unterrichtet, sondern in den Gasthäusern: Die Gmunder Kinder beim Köck, die Dürnbacher Kinder beim Jennerwein und die Moosrainer im Gasthof Eder. Da gab es auch keine Klassen nach Jahrgang mehr, sondern altersmäßig durchmischt und nach Herkunftsort. In der Zeit und unter den provisorischen Umständen habe man nicht allzu viel gelernt, sagt Eisenburg rückblickend. Irgendwann danach sei dann auch die Schulspeisung eingeführt worden, damit die Kinder in der Zeit, wo man durchaus Hunger litt, etwas zu essen bekamen. Die Bauernkinder, die ja von Haus aus gut mit Lebensmitteln versorgt gewesen sein sollten, waren davon übrigens ausgeschlossen.
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„Ob man gerne zur Schule gegangen ist, hatte damals auch viel damit zu tun, welche Lehrer man hatte. Da hatte ich Glück“, sagt Eisenburg, nicht zuletzt auch mit Blick auf die „pädagogischen Mittel“, die von Lehrer zu Lehrer ganz unterschiedlich zum Einsatz kamen. Da gab es etwa die „Tatzen“. Das waren Schläge mit dem Stock, dem Lineal oder der Rute auf die Finger der Handinnenseite. Bei den „Arschprügeln“ oder „Überlegern“ mussten sich die Kinder über die Bank legen und es setzte Hiebe auf den Allerwertesten. Und beim „Katisoiz“ wurde an einer Haarsträhne an der Schläfe gezogen und gedreht. Auch Kopfnüsse wurden verabreicht – ohne dass es dabei irgendein System gegeben hätte. Jedenfalls kann sich Eisenburg nach dem netten Fräulein Pfeiffer in der ersten Klasse noch an Lehrer Mürnseher, dann Lehrer Weber, der aus einer Gmunder Förster-Familie stammte, erinnern. Lehrer Alexander Seidel, einen Heimatvertrieben, hätten die Lausbuam in seiner Klasse gern getratzt, sogar mit Hollerbeeren hätten sie den armen Hilfslehrer beschossen, der später mit der „Gmunder Chronik“ begonnen hätte und sich sehr verdient gemacht hätte. Die besonders hübsche Hilfslehrerein Fräulein Holetschek seit wegen ihres Aussehens weithin bekannt und in den „höheren“ Klassen besonders beliebt gewesen. Rektor Kölbl war sehr musikalisch und hätte gerne mit der Geige gespielt. Und der junge Lehrer Alois Resch (siehe Foto) in der siebten Klasse, bei dem es dann auch das erste Klassenfoto der dann auf 30 Jungen zusammengeschrumpften Klasse gab, sei wegen seines jungen Unterrichtstils sehr beliebt gewesen.
Wir sind gerne zur Schule gegangen.
„Wir sind gern zur Schule gegangen. Das war der Ort, an dem wir außer zum Kirchgang zusammenkamen“, erzählt Beni Eisenburg. Die meisten Leute seien aus dem Ort gewesen. Später, nach der achtjährigen Schulzeit an der Volksschule Gmund, habe man sich dann in den Vereinen getroffen. Aber im Grunde sei man ein Leben lang, bis heute verbunden gewesen.
ak