Als die Grünen 1983 zum ersten Mal in den Bundestag einzogen, schlug ihnen von der CDU/CSU, aber auch von Sozialdemokraten und Freien Demokraten heftige Ablehnung entgegen.
Die wesentlichen Vorwürfe lauteten, die Öko-Partei bekenne sich nicht eindeutig zum demokratischen Verfassungsstaat und Gewaltverbot, wolle aus der Nato austreten und strebe einen neutralistischen Kurs zwischen den Blöcken an.
Grünen wurde Kontrollgremium jahrelang verwehrt
Die „Strafmaßnahmen“ gegen die neue Konkurrenz bestanden unter anderem darin, dass man ihnen zehn Jahre lang keinen Vizepräsidenten zugestand und ihnen einen Platz im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste verweigerte.
Während Altkanzler Helmut Kohl noch in seinen Memoiren die „demokratische Zuverlässigkeit“ der Grünen bezweifelte, setzte der damalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble Mitte der 1990er-Jahre – auch in Abgrenzung zur SPD – auf „staatspolitische Gelassenheit“.
Schäuble dazu in seinen Erinnerungen: „Jedenfalls glaubte ich nicht, dass man den Grünen als normaler Oppositionspartei den Zugang zu diesen Gremien verweigern sollte.“ Dass die Mitwirkung in demokratischen Institutionen die Grünen verändern würde, hatte Schäuble nach eigener Darstellung vorausgesehen. So kam es auch.
PDS-Einzug 1990 traf auf massive Ablehnung
Geschichte wiederholt sich nicht zwangsläufig, aber es gibt doch erstaunliche Parallelen. Bei der ersten Bundestagswahl nach der Wiedervereinigung, im Dezember 1990, schaffte die in PDS umbenannte SED, die einstige Staatspartei der DDR, den Einzug in den Bundestag.
Die Tatsache, dass in ihren Reihen viele Funktionäre aus DDR-Zeiten ebenso aktiv waren wie Informelle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, empörte in der alten Bundesrepublik viele demokratische Politiker. Dementsprechend schroff war die Ablehnung, auf die die neuen Abgeordneten aus dem Osten stießen.
Gregor Gysi, damals Partei- und Fraktionsvorsitzender, schreibt in seiner Autobiographie über diese Zeit: „Im Bundestag gab es gegen meine Gruppe permanent Beleidigungen und Attacken (…). Man vergriff sich im Ton, man rüpelte, es war zum Teil unerträglich.“
Saalflucht bei jeder PDS-Rede
So war es üblich, dass Abgeordnete der anderen Parteien scharenweise den Plenarsaal verließen, wenn ein PDS-Abgeordneter ans Rednerpult trat. Wie rau die Sitten waren, zeigte sich bei der Eröffnung des Bundestags 1994. Da amtierte der auf der PDS-Liste gewählte ostdeutsche Schriftsteller Stefan Heym als Alterspräsident.
Vor allem die CDU/CSU-Fraktion wollte sich nicht damit abfinden, dass ein gegenüber der DDR teilweise kritischer, gleichwohl regimetreuer und auf vielfältige Weise privilegierter PDS-Abgeordneter plötzlich der wichtigste Mann im Plenum war – wenn auch nur für wenige Stunden.
Weil Heym als ältestem Abgeordneten die Alterspräsidentschaft nicht verweigert werden konnte, reagierte die CDU/CSU ihren Zorn anders ab. Einige Fraktionsmitglieder verließen demonstrativ den Plenarsaal. Die verbliebenen spendeten Heym demonstrativ keinen Beifall. Der Skandal im Skandal: Heyms Rede wurde nicht wie üblich im amtlichen Bulletin der Bundesregierung veröffentlicht. Dafür soll Kanzler Kohl gesorgt haben.
Biskys Scheitern war politisch gewollt
Wie bei den Grünen wurde der PDS ein Sitz im Parlamentspräsidium verweigert, auch als sie bereits Fraktionsstärke erreicht hatten. Das änderte sich erst, als die PDS nach der Fusion mit der westdeutschen „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ (WASG) bei der Bundestagswahl 2005 ganze 8,7 Prozent erreichte und die Grünen hinter sich gelassen hatte.
Aber auch das ging nicht ohne Demütigung der Linken. Die Mehrheit ließ den PDS-Vizepräsidentschaftskandidaten, den damaligen Parteivorsitzenden Lothar Bisky, gleich in vier Wahlgängen durchfallen.
Als Bisky resigniert und verletzt aufgab, fand sich schließlich eine Mehrheit für die beim Mauerfall erst 26 Jahre alte Petra Pau als stellvertretende Parlamentspräsidentin. Sie blieb es – allseits respektiert – bis vor wenigen Wochen, als sie aus dem Bundestag ausschied.
CDU und SPD grenzten die PDS gemeinsam aus
Zu den Ausgrenzungsversuchen gegenüber den Grünen wie gegenüber der PDS zählten auch Geschäftsordnungstricks. In manchem Landesparlament wurde die Zahl der Vizepräsidenten verringert, um die ungeliebten Neulinge nicht berücksichtigen zu müssen.
CDU/CSU und SPD grenzten sich im Bund gegenüber der PDS lange Zeit gleichermaßen ab. Die SPD erkannte dagegen bereits Mitte der 1990er Jahre die Chance, in ostdeutschen Ländern mit der Linken gemeinsam die CDU auszubooten. Inzwischen zählt die Linke für die SPD zweifelsfrei zum demokratischen Spektrum.
Ob die etablierten Parteien gegenüber den neuen Konkurrenten unverhohlen ihre Abneigung demonstrierten, zu ihrem Nachteil gegen ungeschriebene Gesetze des Parlamentarismus verstießen oder zu Geschäftsordnungstricks griffen – Grüne wie die Linke setzten sich schließlich durch.
Merz könnte bald auf die Linke angewiesen sein
Die Grünen sind längst selbst aus Sicht der CDU ein möglicher Koalitionspartner auf allen Ebenen. Dass die CSU das anders sieht, hat mehr mit den Freien Wählern in Bayern als mit Fakten zu tun. Gegenüber der Linken hält die CDU noch an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss fest, obwohl der in ostdeutschen Ländern schon unterlaufen wird. Aber im Bund könnte ein Kanzler Merz (CDU) die Linke brauchen – für eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Reform der Schuldenbremse.
Abgrenzen ist nicht dasselbe wie Ausgrenzen. Aber beides hilft nicht gegen neue Konkurrenten, wenn die Politik der Regierenden nicht mehr genügend Wähler überzeugt. Auch gegen die in Teilen rechtsextreme AfD war diese Strategie bisher nicht erfolgreich.