Miese Umfragewerte, AfD-Hoch - diese Fehler muss Merz jetzt unbedingt vermeiden
Eigentlich kann Friedrich Merz mit dem Ablauf der vergangenen Woche recht zufrieden sein: Der Koalitionsvertrag ist unter Dach und Fach, die Begeisterung über seine Inhalte hält sich zwar in Grenzen, scharfe Kritik daran aber auch. In dreieinhalb Wochen kann der CDU-Vorsitzende Bundeskanzler sein.
Gleichwohl hat Merz allen Grund, unzufrieden zu sein. In den bisherigen sechs April-Umfragen liegt die CDU/CSU zwischen 24,5 und 26 Prozent. Damit bleibt sie unter ihrem ohnehin bescheidenen Wahlergebnis von 28,5 Prozent.
Für Merz ist das Stimmungsbild düster
Das muss aus zwei Gründen für Merz bedenklich sein. In der Regel legt nämlich ein Wahlgewinner in den Umfragen zu, weil viele Befragte plötzlich beim Sieger sein wollen.
Was für die Union noch schlimmer ist. Die AfD hat ihren Rückstand auf die CDU/CSU von 7,7 Prozentpunkten (28,5 zu 20,8 Prozent) am Wahltag auf ein bis zwei Punkte verringert. In einer Umfrage liegt die in Teilen rechtsextreme Alternative gleichauf mit der Union: 24,5 zu 24,5 Prozent, in einer anderen erstmals knapp vor der CDU/CSU.
Für Merz persönlich ist das Stimmungsbild noch düsterer. Im jüngsten ZDF-Politbarometer halten es nur 36 Prozent für gut, wenn Merz ins Kanzleramt einzieht, 59 Prozent bewerten diese Aussicht negativ.
Das Merz-Problem ist seine Kehrtwende nach der Wahl
Merz war schon nicht als „Everybody’s Darling“ in den Wahlkampf gezogen. Inzwischen ist sein Ansehen weiter gesunken. Im Politbarometer wird er auf der Skala von plus 5 bis minus 5 mit minus 0,8 bewertet, fast so schlecht wie der krachend abgewählte Noch-Kanzler Olaf Scholz mit minus 0,9.
Seit seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden Anfang 2022 ist Merz noch nie von der Mehrheit der Deutschen positiv bewertet worden. Im ARD-Deutschlandtrend erreichte er jetzt nur noch 25 Prozent Zustimmung; vor der Wahl hatte die Zustimmungsquote noch 35 Prozent betragen.
Das Merz-Problem: seine abrupte Kehrtwende nach der Wahl bei der Schuldenbremse und seine Zugeständnisse an die Grünen, um die erforderliche Grundgesetzänderung durchzusetzen. Das nehmen ihm selbst viele CDU-Wähler übel, von enttäuschten Unions-Abgeordneten ganz zu schweigen.
Vertrauen ist schnell verspielt
Merz hat kürzlich offen eingestanden, dass er da ein großes Problem hat: „Ich weiß, dass ich einen sehr hohen Kredit in Anspruch genommen habe, auch was meine persönliche Glaubwürdigkeit betrifft,“ gestand er auf einem Forum der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) ein.
Vertrauen ist schnell verspielt, vor allem, wenn man wie Merz ohnehin kein großes Polster hatte. Verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen ist dagegen langwierig und mühsam. Vor allem muss Merz alles vermeiden, was ihn weiter Glaubwürdigkeit kosten könnte.
Merz scheint zu ahnen, dass er einen sehr schweren Stand hat. Wohl auch aus diesem Grund hat er sich in den letzten Wochen fast nur im Zusammenhang mit den Koalitionsgesprächen öffentlich geäußert.
Merz darf sich jetzt keine weiteren Fehler erlauben
Selbst zu dem Zoll-Irrsinn, mit dem Donald Trump die Finanzmärkte durcheinanderwirbelt, sagte der Wirtschaftsexperte Merz bisher kein Wort. Seine Verhandlungspartner Lars Klingbeil (SPD) und Markus Söder (CSU) traten dagegen noch vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen am vergangenen Mittwoch munter in Talkshows auf.
Falls Merz den „sehr hohen Kredit“ in Sachen Glaubwürdigkeit allmählich tilgen will, darf er sich zunächst keine weiteren Fehler erlauben. So wäre es falsch, wenn er weiterhin an der Behauptung festhielte, er habe ja schon vor der Wahl die Möglichkeit einer Reform der Schuldenbremse angedeutet.
Das ist zwar richtig. Aber er hat nie gesagt, dass er den Weg in die XXL-Verschuldung so schnell beschreiten würde – und schon gar nicht mit Zugeständnissen an die Grünen.
Diese Fehler darf Merz nicht machen
Falsch wäre es auch, wenn Merz daran festhielte, das ungehobelte Verhalten Trumps gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fünf Tage nach der Bundestagswahl habe das Weltgeschehen auf den Kopf gestellt. Dass die USA gegenüber Kiew einen anderen Kurs einschlagen würden, konnten alle spätestens seit dem 6. November wissen, als Trumps Wiederwahl feststand.
Falsch wäre es auch, wenn Merz so täte, beim Thema Migration gelte von nun an „CDU pur“ und würden alle Ankündigungen eingehalten. Denn offenkundig hat Merz vor der Wahl mehr versprochen, als er einhalten kann.
Denn Merz wusste ja, dass CDU und CSU einen Koalitionspartner brauchen würden. Und dass in diesem Fall der Koalitionsvertrag immer mehr Gewicht hat als die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs.
Wichtig wäre, Fehler einzugestehen
Nicht weiter an Glaubwürdigkeit einzubüßen, muss das vordringliche Ziel von Merz sein. Seinen „sehr hohen Kredit“ könnte er aber wenigstens teilweise tilgen, wenn er öffentlich einräumte, vor der Wahl zu viel versprochen zu haben.
Natürlich fällt es niemandem leicht, Fehler einzugestehen. Aber den Wählern sind „reuige Sünder“ allemal lieber als Rechthaber. Da gilt: „Wenn du im Loch sitzt, hör auf zu graben“.