Kein „Bollwerk“-Demenzzentrum, mehr Tempo-30-Zonen: Das sind die Forderungen der Bürger
Fast dreieinhalb Stunden dauerte die Bürgerversammlung in der Stadt Wolfratshausen. Abgestimmt werden musste in der Loisachhalle über eine Flut von Anträgen.
Wolfratshausen – Überpünktlich eröffnete Rathauschef Klaus Heilinglechner am Dienstagabend um 18:59 Uhr die Bürgerversammlung. Mit seinem Rechenschaftsbericht, dem Grußwort des Dritten Landrats Klaus Koch und einer Flut von Anträgen aus den Reihen der Bürger gelte es, ein „sehr, sehr, sehr straffes Programm“ abzuarbeiten, kündigte Heilinglechner den rund 60 Besuchern an, die neben Mandatsträgern und Mitarbeitern der Verwaltung seiner Einladung in die Loisachhalle gefolgt waren. Erst fast dreieinhalb Stunden später war es geschafft. Nur wenige Anträge bekamen in der Versammlung eine Mehrheit, sodass sie der Stadtrat auf seine Tagesordnung nehmen muss. Vor allem die Bedenken einiger Wolfratshauser gegen den Standort für das neue Demenzzentrum des Bezirksverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Oberbayern wurden abgeschmettert.
Kreisklinik ist kein alternativer Standort für Demenzzentrum
Unter anderem Dr. Ralf Voss sieht die Neubaupläne der AWO am Gipsenweg im Stadtteil Weidach (wir berichteten) kritisch. Er vermisst eine „Abschätzung“ des zu erwartenden Gesamtverkehrsaufkommens auf den Straßen Am Floßkanal, Gipsenweg, Winibaldstraße, Tiroler Straße und Gartenstraße. Zudem pochte er auf ein „nachhaltiges und bewohnerfreundliches“ Parkkonzept sowie ein „Sicherheitskonzept“ für Radfahrer und Fußgänger. Voss merkte an, dass besagte Straßen für schwere Baustellenfahrzeuge „technisch ungeeignet sind“. Er beantragte, die vom Stadtrat bereits auf den Weg gebrachte Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplans zu stoppen, bis die in seinen Augen strittigen Punkte geklärt worden sind. Voss‘ Antrag unterstützten 15 Bürger, 62 lehnten ihn ab.
Mit 11:65 Stimmen sprach sich die Bürgerversammlung dagegen aus, als „sinnvolle Alternative“ prüfen zu lassen, ob das Areal der Kreisklinik am Moosbauerweg nicht geeigneter als Standort für ein Demenzzentrum wäre. Es wäre „fatal“, wenn sich herausstellen sollte, „dass die stationären Abteilungen geschlossen und dann leer stehen würden“. Die Antragsteller, Anwohner der Gartenstraße, kritisierten in diesem Kontext, dass auf dem Grundstück zwischen Loisach und S-Bahngleis ein „Bollwerk“ entstehen würde, das aus der bestehenden Bebauung herausragen würde. „Es entspricht nicht der Tatsache, dass die Kreisklinik zur Schließung ansteht“, stellte Rathauschef Heilinglechner zu dem Antrag fest.

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Ein weiterer Antrag zielte auf die mutmaßliche Lärmbelastung für die Bewohner des Demenzzentrums ab: „Die S-Bahn führt direkt am geplanten Bau vorbei“, die Patienten würden einer „stresserzeugenden, andauernden Lärmbelästigung“ ausgesetzt. Darüber hinaus „sollen die Patienten in einem Gebiet untergebracht werden, das von einem Fluss mit erheblicher Fließgeschwindigkeit und einem stark befahrenen S-Bahn-Gleis“ umgeben sei. Ein Gebiet, „in dem so stark schutzbedürftige Personen, wenn sie das Areal verlassen, sich nur schwer orientieren und leicht gefährden können“. Kurzum: Das Grundstück liege in einem Gebiet, welches bei Hochwasser als „gefährdet“ eingestuft sei. „Mehrfach“ habe es in der Vergangenheit schon „unter Wasser gestanden“.
Das Demenzzentrum wird keinen negativen Einfluss auf das sympathische Stadtbild nehmen.
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Das Projekt der AWO aus diesen Gründen vorläufig auf Eis legen wollte nur eine Handvoll Bürger – 58 lehnten den Antrag ab. Dass besagte Fläche schon einmal überflutet worden sei, „ist mir neu“, merkte Bürgermeister Heilinglechner an. Die Lärmwerte würden im Laufe des weiteren Verfahrens geprüft – da die AWO die Standortwahl getroffen habe, sei dieser Punkt „sicherlich berücksichtigt worden“. Auch das Wasserwirtschaftsamt Weilheim „wird sich zu dem Projekt äußern“. Zum Vorwurf „Bollwerk“ sagte der Rathauschef: In der unmittelbaren Umgebung gebe es bereits „ähnliche Gebäudekörper“, das Demenzzentrum werde „keinen negativen Einfluss auf das sympathische Stadtbild nehmen“, um das die Antragsteller fürchten.
Unbebaute Wiese „ist kein Hubschrauberlandeplatz“
Ungeeignet ist der Standort nördlich des Gipsenwegs nach Meinung eines Wolfratshausers darüber hinaus, weil die bis dato unbebaute Wiese in Weidach im Notfall als Hubschrauberlandeplatz benötigt würde: „Wie kann das nach einer Bebauung weiterhin gewährleistet werden?“ Heilinglechner wunderte sich. Das insgesamt 15 000 Quadratmeter große Grundstück – laut Konzeptplanung entsteht das Demenzzentrum auf knapp 7100 Quadratmetern Fläche – sei bis dato als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen: „Das ist kein Hubschrauberlandeplatz.“
Grundsätzlich wies Heilinglechner darauf hin, dass der Bebauungsplanentwurf im weiteren Verfahren noch zweimal öffentlich ausgelegt werde. „Jederzeit“ könnten zu dem Entwurf „noch Bedenken angemeldet werden“.
Eine breite Mehrheit konnte Muhamet Ramadani hinter sich vereinen. Er beantragte, die Tempo-30-Zone auf der Königsdorfer Straße bis zu den S-Bahn-Gleisen auf Höhe des Edeka-Marktes zu verlängern. Die Begründung: Die derzeitige Verkehrssituation verursacht laut Ramadani „eine erhebliche Belastung für die Anwohner durch Lärm und Luftverschmutzung“. Der Verkehr führe „zu einer kaum erträglichen Lärmbelästigung, insbesondere in Anbetracht des schlechten Straßenzustands, der den Lärm weiter verstärkt“. Ramadani wies unter anderem auf die Kinderbetreuungseinrichtung an der Königsdorfer Straße hin, die „die Dringlichkeit für eine Verlängerung der Geschwindigkeitsbegrenzung weiter unterstreicht“. Fazit: „Eine Ausweitung der Tempo-30-Zone würde die Verkehrssicherheit und die Lebensqualität deutlich erhöhen.“ 52 Bürger, darunter einige Stadträte, signalisierten mit einer grünen Stimmkarte, dass sie den Antrag gerne auf der Agenda der Mandatsträger sehen würden. 23 hielten eine rote Pappe hoch. Zu den Befürwortern zählte der Rathauschef, der aber vorsorglich erklärte: Die Entscheidung, die Tempo-30-Zone in Richtung Süden auszuweiten, „kann nur das Landratsamt treffen“.
Große Mehrheit für mehr Grün in der Loisachstadt
Sein Ziel erreicht hat auch Dr. Jan Reiners, Sprecher des Bündnisses „Wor for Future“. Er beantragte, dass die Stadt im kommenden Jahre „gezielt“ 20 Bäume oder Pflanztröge „in hitzeanfälligen Bereichen, insbesondere entlang der Bahnhofstraße, am Bahnhofsplatz oder im Gewerbegebiet pflanzt, um Hitzeinseln zu reduzieren und das Stadtklima zu verbessern“. Die Kommune solle zu diesem Zweck Fördermittel, zum Beispiel aus dem Programm „Städtebauförderung Bayern“ beantragen, „um eine umfassendere Grünflächenstrategie zu entwickeln, die Straßenbäume, Parks und Grünflächen systematisch erweitert und miteinander vernetzt, um ein durchgängiges kühles Mikroklima in der Stadt zu schaffen“. 67 grüne Stimmkarten veranschaulichten die Zustimmung unmissverständlich. Heilinglechner nahm‘s zur Kenntnis, obwohl bereits beschlossen sei, dass 2025 „deutlich mehr“ als 20 neue Bäume gepflanzt werden. „Wir sind an dem Thema dran, werden es aber jetzt nochmal im Stadtrat besprechen.“
In seinem Schlusswort sagte der Rathauschef, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen für die Flößerstadt sei. Er appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, angesichts dieser und vieler anderer Aufgaben, die gemeistert werden müssten, „mit Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden“. cce