Das große Scholz-Problem mit den Menschen wird auch Merz nicht lösen

Ein vergleichender Blick auf Ex-Kanzler Olaf Scholz und seinen am Dienstag mit Mühen gewählten Nachfolger Friedrich Merz zeigt: Hier treffen zwei sehr verschiedene Rhetorik-Welten aufeinander. Und keine ist perfekt.

Friedrich Merz: Chefgestus, klare Kante – und oft unnahbar

Merz tritt auf wie der Chef, der schon weiß, was entschieden wird, bevor das Meeting überhaupt beginnt. Er liebt es, als Macher wahrgenommen zu werden. Seine Körpersprache: straff, kantig, nach vorne gerichtet. Seine Sprache: oft scharf, manchmal zu scharf. Er will Stärke zeigen, Entscheidungskraft demonstrieren, Angriffsfläche vermeiden.

Doch genau hier liegt sein rhetorisches Problem: Merz polarisiert. Er baut selten emotionale Brücken. Er wirkt oft steif, fast unnahbar.

In einer Zeit, in der Menschen sich Nähe, Authentizität und Empathie wünschen, ist das ein Schwachpunkt. Stärke allein reicht nicht, wenn man nicht auch emotional andocken kann.

Über Michael Ehlers​

Michael Ehlers ist Rhetoriktrainer und coacht seit über drei Jahrzehnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Unternehmer, Top-Manager/innen, Profi-Sporttrainer, Influencer und viele mehr. Der mehrfache Bestsellerautor (u.a. "Rhetorik - Die Kunst der Rede im digitalen Zeitalter“ und „Der Fisch stinkt vom Kopf mit seinem Alter Ego Hein Hansen“) ist gefragter Experte und hat zum Beispiel für Focus, N-TV, ZDF und nahezu allen ARD-Sendern Rhetorik-Analysen durchgeführt (Kanzler-Duelle, Putin-Analysen). Ehlers ist Geschäftsführender Gesellschafter der Institut Michael Ehlers GmbH, Bamberg, Director of the Center for Rhetoric at SGMI Management Institute St. Gallen und Dozent des St. Galler Management Programm (SMP). Er tritt regelmäßig auf Veranstaltungen als Keynote-Speaker auf.

Olaf Scholz: Sachlich, nüchtern – und oft schlicht langweilig

Olaf Scholz war der berühmte „Scholzomat“. Seine Auftritte waren kontrolliert, nüchtern, fast emotionslos. Er setzte voll auf Sachlichkeit – und enttäuschte rhetorisch trotzdem oft.

Warum? Weil er die Menschen nicht mitnahm. Weil er keine Spannung aufbaute. Weil er in seiner sprachlichen Glätte oft unsichtbar blieb. Scholz’ Schwäche lag nie in der Fachlichkeit – sondern darin, dass er rhetorisch nicht lebendig wurde.

Auch Merz schafft es nicht, eine emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen

Es ist spannend: Während Scholz fast zu glatt war, fast zu sehr auf Fehlervermeidung gesetzt hat, geht Merz oft in die Dominanzschiene.

Beide haben rhetorische Schwächen – aber auf ganz unterschiedliche Weise.

  1. Scholz langweilt.
  2. Merz polarisiert.

Was ihnen beiden fehlt, ist die emotionale Verbindung zum Publikum. Ein wirklich guter Redner, ob Politiker oder CEO, muss drei Dinge verbinden: 

  • Logos (gute Argumente),
  • Ethos (Glaubwürdigkeit),
  • Pathos (Emotion).

Merz hat Logos und Ethos – ihm fehlt oft das Pathos. Scholz hatte Logos – und kämpfte immer wieder mit Ethos und Pathos.

Mein Fazit: Wer die Herzen will, muss mehr als Stärke zeigen

Friedrich Merz verfolgt rhetorisch eine klare Machtstrategie. Er weiß, dass viele ihn als „harten Hund“ sehen – und genau das spielt er bewusst aus. Aber: Stärke ohne emotionale Bindung bleibt leer.

In der heutigen Politik – und übrigens auch in der Unternehmensführung – reicht es nicht mehr, nur Chef zu sein. Menschen wollen Menschen.

Sie wollen spüren, dass ein Redner nicht nur führt, sondern auch versteht. Nicht nur entscheidet, sondern auch verbindet. Ob Merz das lernen wird? Die nächsten Monate werden es zeigen.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.