So beschreibt Günther Feigl seine Kindheit in Gauting

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Stolzer Autor: Günther Feigl mit dem Buch in seinem Haus in Königswiesen. © privat

Günther Feigl (86) hat ein Buch über seine Gautinger Kindheit verfasst. Es entführt den Leser in eine Zeit, die man sich heute kaum noch vorstellen kann.

Gauting - Früher haben die Menschen ein anderes Leben geführt. Das ist ein Satz, der sich leicht dahin sagt. Aber welches genau? Wie gestaltete sich ihr Alltag? Welche Freuden und Sorgen hatten die Menschen damals? All das beschriebt Günther Feigl mit Blick auf das Gauting der 1940er- und 1950er-Jahre. „Eine Kindheit und Jugend in Gauting“ nennt der Typograph und Schriftsetzer den ersten Teil seiner Erinnerungen, die im Eigenverlag erschienen sind. Das 280 Seiten umfassende, leicht zu lesende Buch steckt voller Namen, Episoden und konkreten Details.

Günther Feigl wurde 1938 geboren, also ein Jahr, bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach. Sein Vater Ferdinand stammte aus dem Tölzer Land (wo der Name bis heute verbreitet ist) und verdiente in Gauting sein Geld bei der Papierfabrik. Zusammen mit seiner Frau Fanny lebten sie in einem Mitarbeiterhaus an der Schlossstraße, unmittelbar an der Würm. Dort tummelte sich das Kind am liebsten, speziell im Mühlrad, von wo aus er mit seinen Freunden nach Barben fischte. Allerdings hausten dort auch Ratten. „Meine Mutter fürchtete sich davor. Wir wiederum dachten an ihr Fell. Sie ließen sich aber nicht fangen.“

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Die Kinder merkten zunächst wenig bis nichts vom Krieg, die Erwachsenen dafür umso mehr. Der Vater wurde eingezogen (später nahm er am Afrika-Feldzug von Erwin Rommel teil). Die Mutter wurde Fahrdienstleiterin am Bahnhof und hatte die Verantwortung über das Stellwerk. Eines Nachts erlebte sie mit, wie die Gestapo einen angeblichen Spion im Zug misshandelte. Sein Fluchtversuch misslang, schwer verletzt lag er unter dem Zug. „Diese Begebenheit schlug sich schwer auf das Gemüt, auf die Nerven und besonders auf den Magen meiner Mutter. Sie wurde sehr krank, musste aber trotzdem ihren Dienst fortführen“, berichtet Feigl.

Drastische Schilderung des Bombenangriffs

Irgendwann brach der Krieg auch in den Alltag der Kinder ein. Immer wenn die Sirenen heulten, galt es, schnell in den Luftschutzkeller zu laufen. Am 21. Juli 1944 – einem sonnigen Tag, wie sich Feigl erinnert – trafen die Bomben Gauting mit voller Wucht. Die Erinnerung, die der Autor zu Papier bringt, ist allein wert, das Buch zu kaufen. „Kaum war die Kellertür hinter uns zu, begann das Inferno. Mit gewaltigem Getöse flogen die Steine zum Beschweren der Kellerschächte weg. Nun stob Feuer durch den Raum. Durch die Druckwelle blieb uns die Luft weg. Das Kerzenlicht war schlagartig aus. Dann wurde es ganz still. Den Geruch werde ich nie mehr vergessen. Es war ein Brand-, Feuer-, Pulver-, Staub- und Ruinengeruch. Dann mussten wir raus aus dem Kellerloch. Das Sonnenlicht blendete uns. Unsere Nachbarhäuser gab es nicht mehr.“

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Danach war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Amerikaner kamen. Der junge Günther als Karl-May-Leser erwartete zwar Indianer, doch auch so freundete er sich mit den Soldaten an. Eine Anekdote aus dieser Zeit: Aus irgendwelchen Gründen verbrannten GIs auf einer Würminsel regelmäßig Schokoladentafeln, Keksschachteln, Weißbrot und Zigaretten. Den Kindern, die das Ganze beobachteten, blutete das Herz. Das bemerkten die Besatzer und taten etwas, das ihnen der Autor bis heute hoch anrechnet: „Das Feuer wurde von Woche zu Woche kleiner und die Brandstifter ließen uns ohne Kontrolle schnell allein.“

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Die Feigls zogen schließlich nach Königswiesen, der Vater kehrte aus der französischen Kriegsgefangenschaft heim. Der Sohn entdeckt den Fußball für sich – aber ganz anders als man es heute kennt. Wiesen gab es genug, auch Sägemehl zur Platzmarkierung. Aber etwas Anderes war eine Seltenheit. „Als ich zu Weihnachten einen kleinen Lederball bekam, war ich der kleine König. Der Ball hatte die Lederhülle eines Medizinballs mit einer annähernd passenden Gummiblase zum Aufpumpen. Zum Verschnüren verwendeten wir alte Schuhbänder. Nach Feuchtigkeit und Nässe musste ich ihn oft einreiben.“ Als Torwart feierte der junge Feigl einige Erfolge.

Günther Feigl in jungen Jahren
Ein Bild aus jungen Jahren: Günther Feigl in Gauting. © privat

Allmählich verschiebt sich der Fokus im Buch, weg von der Würm in Richtung München, wo der Gautinger die St.-Anna-Oberrealschule besuchte, sich zum Schriftsetzer ausbilden ließ (später sollte er Geschäftsführer der Firma Gloor werden, die auf Geheiß von Otl Aicher den Layoutsatz für die Olympischen Spiele in München besorgte) und den Flugschein machte. Dennoch kehrt er immer wieder zu seiner Mutter Fanny nach Königswiesen zurück, wo sie einen BMA-Lebensmittelladen betrieb, vergleichbar mit dem heutigen Edeka. „Zusammen mit meinem Vater war ich in der verbleibenden Freizeit mit dem Fahrrad zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter der Lieferant und Ausfahrer.“ In eben jenem Königswiesen, wo Feigl heute noch lebt.

„Eine Kindheit und Jugend in Gauting“ (gebunden, reich bebildert, 280 Seiten) ist für 29 Euro in der Buchhandlung Kirchheim, bei Schreibwaren Hanrieder und im Papierladen Sengle erhältlich. Mitgeholfen haben Feigls Kinder Birgit und Stefan, die in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und Grafik-Designer geworden sind. Tochter Birgit hat die handschriftlichen Notizen erfasst und in Form gebracht.

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