Vernissage im Bosco: Bühne frei für das Gauting von gestern

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Hereinspaziert (v.l.) : Hans-Georg Krause (Gesamtleitung), Sibylle Sommer und Rosemarie Zacher (Kuratorinnen, Schule der Fantasie) und Sammler Hermann Geiger laden bis 14. April zu einer Ausstellung ins Bosco. © Dagmar Rutt

Am Donnerstagabend fand die Vernissage der Ausstellung „Mausefallen für Dich – Zigarren für die Welt“ statt. Das Publikum war elektrisiert.

Gauting – Hermann Geiger weiß selbst nicht genau, wie viele Ausstellungsstücke er in den vergangenen Tagen aus seinem Depot ins Bosco gefahren hat. Dutzende? Hunderte? Fest steht, dass der Unterbrunner im Lauf der Jahrzehnte mit Hingabe die Überreste alter Fabriken und Handwerksbetriebe gesammelt hat, Werkzeuge, Maschinen, Bilder, Briefe, einfach alles. Endlich kann er einen Teil davon ausstellen, bis 14. April, also zehn Tage lang. Sogar eine komplette Schusterwerkstatt und ein historischer Friseursalon sind zu besichtigen. „So lange ich das machen kann, mache ich das. Und ich mache das ja alles nicht nur für mich, ich mache das für Euch“, sagte er und erhielt dafür bei der Ausstellungseröffnung Applaus.

Das Projekt verfolgt der leidenschaftliche Sammler schon seit Langem zusammen mit Hans-Georg Krause. Der Bosco-Gründer bedankte sich in seiner Begrüßungsrede bei den beiden Kuratorinnen Sybille Sommer und Rosemarie Zacher von der Schule der Fantasie, die bereit gewesen seien, „inhaltlich mitzudenken“. Und ohne die Sponsoren – vom Theaterforum über die Gemeindesparkasse bis hin zu Messebauer Plan3 – wäre es nicht möglich gewesen, „dass wir unseren Wahnsinn leben können“.

Ein zu einer landwirtschaftlichen Zugmaschine umgebauter Fiat steht im Foyer.
Altes Gefährt: Ein zu einer landwirtschaftlichen Zugmaschine umgebauter Fiat steht im Foyer. © Ufertinger

Den Besucher empfängt zunächst ein Oldtimer, ein grüner Fiat aus den 1920er Jahren, den sein Eigentümer Otto de Crignis irgendwann zu einer landwirtschaftlichen Zugmaschine umbaute. Gras- und Getreidemähen, Heuwenden, Kartoffeln spritzen, Jauche fahren: All das konnte das Auto, das jetzt so malerisch im Foyer des Bosco steht. Um ihn vor französischen Besatzern zu retten, versteckte ihn sein Besitzer bei Kriegsende im Stroh.

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Die Stufen hinauf, und man steht vor einer alten Karte der Würm, die zeigt, wo überall die Wasserkraft genutzt wurde. 29 Mühlen soll es zwischen Starnberg und Stockdorf einst gegeben haben, doch nicht zu allen gibt es heute noch Informationen. Eine von vielen: Die Pulvermühle am Schlossberg, wo einst Dynamit etwa für den Bau des Gotthardtunnels hergestellt wurde. 1880 flog sie in die Luft. Dann kaufte der Fabrikant Julius Haerlin die Ruine, um in der Holzschleif Vorprodukte für das von ihm im heutigen Schlosspark hergestellte Papier anfertigen zu lassen.

Eckdaten zur Ausstellung

Die Öffnungszeiten der Ausstellung sind Freitag, 5., bis Sonntag, 7. April, jeweils von 14 bis 18 Uhr sowie von Donnerstag, 11., bis Sonntag, 14. April, ebenfalls von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. An Vormittagen können Schulklassen und Erwachsenengruppen (maximal 15 Personen) für Montag, 8., bis Freitag, 12. April, kostenlos gebucht werden (Uhrzeit nach Vereinbarung). Wegen begrenzter Plätze ist eine Anmeldung unter ausstellung@theaterforum.de nötig. Begleitveranstaltungen: Dienstag, 9. April, 20 Uhr: Eckhard Störmer, „Die Zukunft der Arbeit: Wie und wofür wir in Zukunft arbeiten werden“; Mittwoch, 10. April, 20 Uhr: „Liebesbriefe aus der Papierfabrik“, Lesung mit Gerd Holzheimer und Anna Veit; Donnerstag, 11. April, 19 Uhr: Archäologische Gesellschaft: Vortrag zur Arbeitssituation der Vertriebenen im Würmtal. Führungen mit Hermann Geiger: Freitag, 12., und Samstag, 13. April, jeweils 18 und 19 Uhr; Führung mit Altbürgermeister Ekkehard Knobloch: Donnerstag, 11. April, 10.15 Uhr. Anmeldungen unter ausstellung@theaterforum.de. Die Bar Rosso hat während der Ausstellungszeiten geöffnet.

Danach geht es in den großen Saal, das Herzstück der Ausstellung. Hier wird die Arbeitswelt von einst buchstäblich greifbar. Die Maschinenfabrik Gauting (Mafaga), der heutige Global Player Webasto, Leo Hänle (Vorgänger von Stanz Schmidt in Stockdorf), die Zigarrenfabrik der Österreichischen Tabakregie und viele andere Betriebe werden lebendig, dank der Exponate, aber auch dank der kurzen und präzisen Erläuterungen. Auch die schwierigen Themen wie Zwangsarbeit und Zweiter Weltkrieg werden nicht ausgespart. Für einen Wow-Effekt sorgt der Blick durch die Eingangstür der alten Grundschule auf eine Reproduktion des Festsaals der Zigarrenfabrik.

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Hinter der Bühne des Großen Saals findet man den Dreh- und Angelpunkt des industriellen Gauting: den Bahnhof. Er wurde 1854 eröffnet, zunächst als Endpunkt der neuen Bahnstrecke zwischen München und Starnberg. Fortan brachte die Bahn nicht nur Arbeiter nach Gauting, sondern garantierte auch den reibungslosen Abtransport der produzierten Waren. Daran erinnern nicht nur drei Bilder von Alfred Leithäuser aus dem Archiv der Gemeinde, sondern auch das komplett erhaltene Wohnzimmer des einstigen Bahnhofsvorstehers Singer. Geiger hatte es einst von dessen Enkelin erhalten. Und dahinter fährt eine Modelleisenbahn im Kreis.

Gute Stube: Das Wohnzimmer des einstigen Bahnhofsvorstehers Singer ist komplett erhalten.
Gute Stube: Das Wohnzimmer des einstigen Bahnhofsvorstehers Singer ist komplett erhalten. © Dagmar Rutt

Die Stufen hinunter, und der Besucher findet sich in einem alten Friseursalon wieder. Dort kann man sich tatsächlich mit alten Gerätschaften von Freitag bis Montag gegen eine Spende die Haare schneiden lassen. Er besteht zu großen Teilen aus dem Friseursalon Schuldes in Pentenried, den Geiger einst erworben hat.

Im letzten Raum richtet sich schließlich der Blick auf die Zukunft der Arbeit. Dort werden „globale Megatrends“ aufgeführt, die dafür sorgen werden, dass nichts so bleibt, wie es ist. Künstliche Intelligenz und Robotik werden ganze Berufsfelder zumindest verändern, wenn nicht gar überflüssig machen, und das in einer Gesellschaft, die von demografischem Wandel und zunehmender Migration bestimmt ist. Irgendwann wird auch das Jahr 2024 eine Welt von gestern sein.

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