Kemptener Beirat für Menschen mit einer Behinderung will Recht auf Selbstbestimmung konsequent umsetzen

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Im Erdgeschoss des Stadtmuseums bietet der Raum „Kempten in Raum und Zeit“ Besucherinnen und Besuchern einen schnellen Überblick zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auf dem Boden informiert eine begehbare Karte über die Lage der Stadt. Zur besseren Lesbarkeit wurde der Stadtplan leicht vereinfacht. Fünf Sehenswürdigkeiten sind darauf markiert, direkt darüber sind diese als Tastmodelle dreidimensional erfassbar. Die hölzernen Bauten im Maßstab 1:100 lassen sich nicht nur ertasten, sondern auch öffnen. © Christoph Klemens

Kultur und Museen sind für alle da! Lang und eindrucksvoll ist die Liste der inklusiven Projekte, die Dr. Kerstin Batzel vom Kulturamt der Stadt Kempten dem Beirat für Menschen mit Behinderungen vorstellte.

Kempten – In der Tat arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Museen intensiv daran, die kulturellen Schätze allen zugänglich zu machen. Mit Erfolg! Denn sowohl das Zumsteinhaus als auch der Archäologische Park Cambodunum erfüllen die Kriterien des bundesweiten Sigels „Reisen für Alle“ und wurden entsprechend ausgezeichnet.

Telefonführungen „Bei Anruf Kultur“

Wichtig dabei: Die von einer Behinderung betroffenen Menschen werden in die Entwicklung barrierefreier spezieller Formate der Kulturvermittlung einbezogen. So können die Wünsche von Personen mit Höreinschränkungen erfüllt werden, indem die deutsche Gebärdensprache eingesetzt wird, die Wünsche der von einer Seheinschränkung betroffenen, indem Tastführungen angeboten werden und für alle, die aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich ins Museum kommen können, Telefonführungen („bei Anruf Kultur“) stattfinden.

Auch Menschen mit Demenz und ihren Begleitpersonen wurde erstmals in geschützter Atmosphäre eine besondere Tour durch das Kempten-Museum angeboten. Ziel ist es, Demenzbetroffene mit Hilfe von Fotos, Objekten und Musik an ihre Kindheit und Jugend zu erinnern und sie aktiv am sozialen und kulturellen Leben teilhaben zu lassen. Dieses mit großem Fachwissen entwickelte Angebot sollte allerdings bekannter und noch viel intensiver genutzt werden.

„Anregungen werden meist umgesetzt“

Sehr engagiert arbeiten die Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler daran, sich zu den Themen Inklusion und Barrierefreiheit fortzubilden, etwa im Umgang mit blinden und seheingeschränkten Gästen. Für die Kunstnacht 2024 wurden beispielhafte Inklusionsprojekte realisiert.

Auf Anregung von Beiratsmitglied Bernd Semmelmann wird eine Begehung des jüngst wieder eröffneten Kornhauses stattfinden. „Anregungen aus unserem Kreis werden meist umgesetzt!“, so der Sitzungsleiter Waldemar Ruf – ein schönes Kompliment an die Stadtverwaltung.

Die Kemptener kommunale Inklusionsbeauftrage berichtet

Und womit hat sich die kommunale Inklusionsbeauftragte im vergangenen Jahr beschäftigt? Eva Lagerbauer konnte anhand einer Power-Point-Präsentation eine Vielzahl an Aktionen eindrucksvoll belegen. Zum Beispiel: Für das Projekt „Zam Schaffe“ war Oberbürgermeister Thomas Kiechle an einem Wertstoffhof im Einsatz und beim Buseinstiegstraining wurde gezeigt, wie man mit Rollstuhl oder Rollator angstfrei und sicher in den Bus und wieder herauskommt.

Moritz Brückner sprach vor Schulklassen über sein Leben als erfolgreicher Rugby-Spieler. Der nach einem Surf-Unfall querschnittsgelähmte Mann lässt sich vom Rollstuhl nicht ausbremsen und ist damit ein Vorbild für die jungen Leute. Die Tage der seelischen Gesundheit bereicherte der Vortrag „Menschen mit nicht sichtbaren Behinderungen sichtbar machen“.

Laut der Inklusionsbeauftragten leben in Kempten ca. 10.000 Menschen mit einer Behinderung. Im Jahr 2024 gab es bei der Stadt Kempten 103 Mitarbeitende mit einer Behinderung, was einer Quote von 8,70 Prozent entspricht. Dass viele Betriebe lieber die steuerlich absetzbare Ausgleichsabgabe entrichten, als eine Person mit Behinderung einzustellen, ist bekannt und bedauerlich. Nicht wenige nehmen die staatlichen Eingliederungshilfen in Anspruch, bieten der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter nach Auslaufen der Förderung dann aber kein „normales“ Arbeitsverhältnis an. Dringend gewünscht ist deshalb eine inklusive Jobmesse und/oder Jobbörse und eine vertiefte Kooperation mit der Hochschule.

Inklusionstag in der Schule

Auf einen ganz besonderen Unterricht dürfen sich die Grundschulkinder der Fürstenschule freuen. Am Dienstag, 8. Juli, findet dort ein Inklusionstag statt, um sie mit Menschen mit Behinderungen bekannt zu machen. Sie sollen dabei Berührungsängste überwinden, Vorurteile ab- und Empathie aufbauen.

Es wird sicher spannend für die Kinder, wenn Sabine Rau (Blindheit) im Klassenzimmer vorführt, wie sie ein Glas Wasser einschenkt, wie sie ihren Namen in Blindenschrift schreibt und den Blindenhund einsetzt. Albrecht Hung (Rollstuhlfahrer) kann ihnen zeigen, wie er sich eine große Unabhängigkeit und eine positive Lebenseinstellung bewahrt. Bernd Semmelmann (Gehörloser) in Begleitung der Gebärdendolmetscherin Ute Flieger wird den Schülerinnen und Schülern zeigen, wie ein Gespräch mit dem Gebärden­alphabeth und mit Hilfe von Körpersprache funktioniert.

Der erste Inklusionstag hat an der Grundschule in Stein sehr erfolgreich stattgefunden. Das Traumziel des gesamten Beirats für Menschen mit Behinderung: Dieses hervorragende Projekt soll an allen Kemptener Schulen stattfinden.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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