Allgäuhalle Kempten: Projekt erinnert an Zwangsarbeit und KZ-Außenlager
Heute als Veranstaltungsort und Parkplatz bekannt, war das Gelände rund um die Kemptener Allgäuhalle in den 1940er-Jahren ein Ort des Leidens. Eine Führung gab Einblick in das dunkle Kapitel der Geschichte.
Kempten – Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich in der Allgäuhalle in Kempten ein Lager für ausländische Zwangsarbeiter sowie ab 1944 ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau. Bei einer Führung im Rahmen des Projekts „Butter, Vieh, Vernichtung – Nationalsozialismus im Allgäu“ der Cultura Kulturveranstaltungen e. V. und der Stadt Kempten erinnerte der Historiker und Vorsitzende des Heimatvereins, Markus Naumann, an die menschenverachtenden Zustände, die hier während der NS-Zeit herrschten.
Die Allgäuhalle wurde 1927/28 unter Oberbürgermeister Otto Merkt als „Tierzuchthalle“ für Viehauktionen errichtet, 1931 folgte das südlich angrenzende Nebengebäude – die sogenannte „Kälberhalle“.
Am 31. Juli 1932 hielt Adolf Hitler auf dem Gelände eine Wahlkampfrede vor 15.000 bis 20.000 Zuschauern. In den Folgejahren diente die Halle regelmäßig als Veranstaltungsort für NSDAP-Versammlungen; 1933 fand hier die Wirtschaftsschau „Braune Messe“ statt. Von März bis Juni 1940 wurde die Allgäuhalle zur Registrierung polnischer Zwangsarbeiter genutzt. Im Verwaltungsbericht der Stadt Kempten heißt es: „Sieben Polentransporte mit zusammen 3.567 polnischen Arbeitskräften wurden aufgenommen, entlaust und dem Arbeitseinsatz zugeführt. Zeitweise hatten wir über 100 polnische Erwachsene und Kinder zu kurzfristigem Aufenthalt.“
Zwangsarbeit im Ostarbeiterlager
Im Juli 1943 ließ die Stadt Kempten südlich der Hallen – auf dem heutigen Parkplatz – ein Ostarbeiterlager errichten. Untergebracht waren dort vor allem zivile Arbeitskräfte aus Osteuropa. Sie mussten in landwirtschaftlichen Betrieben sowie in den 47 Mitgliedsbetrieben der „Ostarbeiterlagergesellschaft Kempten“ (darunter waren auch heute noch bekannte Allgäuer Unternehmen) arbeiten. Sie sollten die Arbeitskraft der deutschen Männer ersetzen, die fast alle zur Wehrmacht eingezogen waren.
Das Lager bestand aus Unterkunftsbaracken, Entlausungsstation, Duschen, Küche, Speiseraum, Kindergarten, Schule, einem Löschteich – im Volksmund später „Russenbad“ genannt – und weiteren Einrichtungen. Heute ist davon nichts mehr erhalten. Zwar seien die Arbeiter unbeaufsichtigt zur Arbeit gegangen, berichtete Naumann, doch dürfe das nicht über die tatsächlichen Zustände hinwegtäuschen. „Es war ein Zwangslager. Die Menschen waren nicht frei – der Alltag war geprägt von Mangelernährung, schlechten hygienischen Verhältnissen, harter Arbeit und systematischer Entwürdigung.“
Außenlager des KZ Dachau
Ab April 1944 wurden die Tierzuchthalle und die Kälberhalle als Außenlager des Konzentrationslagers Dachau genutzt – vom Ostarbeiterlager durch einen Zaun getrennt. Bis zu 700 Häftlinge waren hier untergebracht, vor allem politische Gefangene und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Die größte Gruppe bildeten französische Häftlinge, die in der Kälberhalle zusammengefasst waren. Die Gefangenen mussten unter harten Bedingungen Zwangsarbeit in der regionalen Rüstungs(zulieferer)industrie leisten.
Nach zwölf Stunden schwerer Arbeit bei unzureichender Verpflegung verbrachten sie die Nächte dicht gedrängt und streng bewacht auf Stockbetten in den Hallen. Fluchtversuche wurden brutal bestraft. „Wer nicht mehr arbeitsfähig war, wurde zurück nach Dachau gebracht – für 146 Menschen ist das belegt, einige starben dort unmittelbar nach ihrer Rückverlegung aus Kempten“, so Naumann. Insgesamt wurden zwischen 1944 und Kriegsende rund 5.000 KZ-Häftlinge im Allgäu registriert.
Eindrückliches Zeugnis von den Zuständen im KZ-Lager geben die Zeichnungen des französischen Häftlings Paul Bermond. Der damals 19-Jährige, der heuer seinen 100. Geburtstag begeht, fertigte sie teils heimlich während der Gefangenschaft, teils nach der Befreiung an. Seine Werke sollen, so die Hoffnung der Projektverantwortlichen, ab dem 19. September in der gleichnamigen Wanderausstellung am historischen Ort in der Kälberhalle gezeigt werden.
Nach Kriegsende dienten die Hallen zunächst der Unterbringung von Vertriebenen, später erneut als Veranstaltungsort. Eine Gedenktafel erinnert seit 1999 an die NS-Vergangenheit. Seit 2015 steht die Allgäuhalle unter Denkmalschutz. Über die künftige Nutzung des Areals berät derzeit der Kemptener Stadtrat.
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