Nach extremem Schneefall und Sturmböen: „Die schwersten Waldschäden seit dem Katastrophenjahr 2019“

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Macht den Klimawandel mitverantwortlich für Schäden in den Wäldern im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Robert Nörr, Förster der Bayerischen Forstverwaltung. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Nach dem Wintereinbruch und Sturmtief Zoltan in den vergangenen Wochen sind die Wälder in Wolfratshausen stark betroffen. Förster Robert Nörr spricht vom schlimmsten Zustand seit dem Katastrophenjahr 2019.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Am ersten Dezemberwochenende löste Dauerschneefall mehr als 300 Einsätze für die Feuerwehren im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen aus (wir berichteten). Hunderte Bäume waren unter der Schneelast zusammengebrochen. Kurz darauf fegten Sturmböen durch den Landkreis – die weitere Bäume zu Fall brachten. Nun ächzen Fichten, Tannen und Co. unter neuem Schnee. „Die Schäden in den Wäldern durch Schneebruch sind die schwersten seit dem Jahr 2019“, sagt Förster Robert Nörr im Gespräch mit unserer Zeitung. Am 10. Januar 2019 hatte Landrat Josef Niedermaier den Katastrophenfall ausgerufen.

Schneebruch: „Die schwersten Waldschäden seit dem Katastrophenjahr 2019“

Nörr, Förster im Dienst der Bayerischen Forstverwaltung und zuständig für die Gebiete Wolfratshausen, Icking und Egling, hat vor allem an steilen Osthängen schwere Schäden festgestellt: „Hier wird der Wind langsamer, dadurch bleibt mehr Schnee in den Baumkronen hängen, die bekommen Übergewicht und brechen.“ Im Wolfratshauser Bergwald fielen nach seiner Zählung knapp 20 Buchen um, manche rund 120 Jahre alt. „Gesunde Bäume“, bedauert der 53-Jährige. Auch viele alte Eichen hielten der enormen Schneelast Anfang Dezember nicht stand – „trotz ihrer tiefen Wurzeln“.

Darum bleibt an Fichten der Schnee nicht so gut haften

Eine Eiche trägt das Laub sehr lange, erklärt der Experte, „durch den Klimawandel bedingt inzwischen sogar noch länger als früher“. Auf dem Laub sammelt sich die weiße Pracht, bis die Belastung für den Baum schließlich zu groß wird. „Zudem wachsen Eichen oft schief an Waldrändern, weil sie sich nach dem Licht strecken – so haut sie’s schneller um.“ Laut Nörr besitzen darüber hinaus Kiefern wenig Widerstandskraft, „sie werden vom Schnee leicht gebrochen“. Relativ gut stehe dagegen im buchstäblichen Sinne die Fichte da: „Sie hat keine ausladende Krone, und an ihren Nadeln bleiben die Schneekristalle nicht so gut haften.“

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Der finanzielle Schaden sei für die Waldbesitzer nicht signifikant, bilanziert der Wolfratshauser. Doch jedes Waldstück müsse nun akribisch kontrolliert werden. „Bis Ende März müssen die umgestürzten Fichten raus aus dem Wald“ – sonst drohe in Form des Borkenkäfers das nächste Ungemach. „Die Waldwirtschaft ist viel aufwendiger geworden“, weiß der Experte, der unter anderem Waldbesitzer berät. Die Wälder müssten „permanent abgesucht werden“. Angesichts der „riesigen Flächen“ eine Mammutaufgabe.

So wie die Krone ausschaut, so sieht die Wurzel aus.

Nörr plädiert für das Anlegen von Mischwäldern als eine zukunftsorientierte Maßnahme – und für eine „konsequente Waldpflege“. Die Fichte beispielsweise kenne nur das Höhenwachstum, „sie investiert ihre Energie nicht ins Wurzelwerk“. Das heiße: Gibt eine Fichte unter dem Schneedruck nach, seien ihre artgleichen Nachbarn Wind und Wetter quasi schutzlos ausgeliefert. Es drohe ein Dominoeffekt. Nörr rät zu „regelmäßigen kleinen Eingriffen“, nicht zuletzt, „um Bäume an den Wind zu gewöhnen“. Etwa alle zehn Meter gelte es, einen „wertvollen Baum“ aufwachsen zu lassen. „Die Bäume, die in dessen Krone reinwachsen, sollten entfernt werden.“ Denn: „So bekommt der Baum eine runde Krone“, der Schnee rutscht auf den Boden. Nörr hat in diesem Kontext eine Faustregel parat: „So wie die Krone ausschaut, so sieht die Wurzel aus.“

Schnee, Borkenkäfer, Pilze: „Druck auf unsere Wälder nimmt immens zu“

Für den Förster steht fest: Die zunehmende Häufung der extremen Wetterereignisse, meist verbunden mit schweren Schäden, ist auf den Klimawandel zurückzuführen. Der Wolfratshauser gibt zu bedenken: „Seit 1990 gab’s in Mitteleuropa schon sieben sogenannte Jahrhundertstürme“, die, wie der Name sagt, eigentlich nur alle 100 Jahre durchs Land fegen sollten. „Die Wälder sind instabiler geworden“, meint der 53-Jährige. Ursachen gebe es viele, dazu zählen lokal auftretende extreme Schneefälle, Stürme sowie der Borkenkäfer und ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz, der das Eschentriebsterben verursacht. „Der Druck auf unsere Wälder nimmt immens zu“, so der erfahrene Forstfachmann, „die Extremereignisse nehmen zu.“ Den Bäumen bleibe kaum noch Zeit zur Erholung.

Waldspaziergänger begeben sich in tödliche Gefahr

Bei Spaziergängen im Wald sei derzeit Vorsicht geboten. Nach den jüngsten Schneefällen bestehe die latente Gefahr, dass Bäume umstürzen und große Äste abbrechen. Mit Nachdruck warnt Nörr davor, Absperrungen aufgrund von Waldarbeiten zu ignorieren. Diese Entscheidung kann tödlich enden.

Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim unterstreicht die Warnung in einer Pressemitteilung: Vom Betreten von Uferwegen entlang von Isar und Loisach sowie von Trampelpfaden, an denen Bäume stehen, sollte man bis auf Weiteres absehen. „Die Flussmeisterstellen entfernen soweit möglich gefährdete Bäume beziehungsweise Äste“, so das Wasserwirtschaftsamt. „Bis alle Gefahrenstellen beseitigt sind, können noch mehrere Tage vergehen.“ Absperrungen „sind unbedingt zu beachten“. (cce)

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