„Größte Konzentration“: Statt Charkiw – Putin nimmt andere Ukraine-Großstadt ins Visier

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Die russische Armee rückt im Donbass in kurzer Zeit mehrere Kilometer auf Pokrowsk vor. Das eigentliche Ziel Wladimir Putins dürfte in dieser Phase des Ukraine-Kriegs eine andere Stadt sein.

Pokrowsk - Die Verluste im Ukraine-Krieg sind heftig, für Moskau und für Kiew. Das zeigen zum Beispiel neue Zahlen der Recherche-Plattform Oryx, wonach die ukrainischen Streitkräfte schon viele ihrer westlichen Panzer verloren haben. Darunter sind etwa auch etliche Leopard-2-Kampfpanzer.

Donbass-Front in der Ukraine: Russland-Armee nimmt Kramatorsk ins Visier

Unter ebensolchen blutigen Verlusten hat Russland zuletzt erhebliche Gebietsgewinne im Osten des heimtückisch angegriffenen Nachbarlandes erzielt. Acht Kilometer sind die Invasionstruppen von Kreml-Autokrat Wladimir Putin binnen kurzer Zeit auf die strategisch wichtige Donbass-Kleinstadt Pokrowsk (vormals 60.000 Einwohner) vorgerückt.

Die ukrainische Armee hat Pokrowsk nach mehreren Rückzügen längst zur Bastion ausgebaut, ist zu vernehmen. Vergleiche zum im Februar gefallenen Bollwerk Awdijiwka, rund 40 Kilometer weiter südöstlich gelegen, liegen nahe. Eigentliches Ziel von Putin dürfte nach der gescheiterten Charkiw-Offensive jedoch eine andere Großstadt der Ukraine im Norden der Region Donezk am Fluss Kasennyj Torez sein: Kramatorsk.

Kramatorsk im Donbass: Ukraine-Armee hat hier ihr Hauptquartier für den Osten

Denn: In der Stadt mit ihren rund 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt das Hauptquartier der ukrainischen Armee für den Osten des geschundenen Landes, wo sich der Großteil der brutalen Gefechte ereignet, während die Ukrainer ihre ersten F-16-Kampfjets der Nato erhalten haben. Auffällig ist: Verschiedene Armee-Verbände Moskaus haben dieselbe Stoßrichtung – Kramatorsk. Schon seit Wochen rennen russische Einheiten vergeblich bei Tschassiw Jar westlich von Bachmut an. Doch: Auch hier soll die ukrainische Verteidigung gehörig wanken.

Tschassiw Jar liegt nur knapp 18 Kilometer südöstlich der Stadtgrenze von Kramatorsk. Offenbar versuchen die Russen derzeit mit Angriffen über mehrere Achsen, die ukrainischen Verteidiger über einen 50 Kilometer breiten Frontabschnitt zwischen Pokrowsk und Tschassiw Jar im Westen der Oblast Donezk zurückzudrängen. Dazu passt, dass auch die ukrainischen Verbände vor dem dazwischen liegenden Dserschynsk seit Tagen auf dem Rückzug sind und schwer unter Druck stehen.

Kramatorsk
ukrainisch: Краматорськ
Einwohner: rund 150.000 (vor Kriegsbeginn im Februar 2022)
Region: Oblast Donezk
Wirtschaft: Zentrum der Maschinenbau- und Schmuckindustrie
geographische Bedeutung im Krieg: großer Bahnhof für Truppentransporte und Nachschub, Nord-Süd-Achse der wichtigen Fernstraße N 20
militärische Bedeutung: Sitz des Hauptquartiers der Ukraine für den Osten des Landes

Ukraine-Krieg: Russland-Armee macht Druck auf Pokrowsk und Dserschynsk

Nordöstlich von Kramatorsk und der Nachbarstadt Slowjansk versucht die russische Armee seit Monaten vergeblich, bei Kreminna durchzubrechen. Der Verdacht liegt nahe, dass Putins Streitkräfte Kramatorsk sowie Slowjansk von mehreren Seiten gleichzeitig bedrohen und gegebenenfalls sogar einkreisen wollen. Bislang geht der Plan zwar nicht auf. Doch: Die Russen machen seit Längerem Fortschritte. Das gilt besonders für den Frontabschnitt zwischen Pokrowsk und Awdijiwka, wo die auf ukrainischer Seite schwer kritisierte 115. mechanisierte Brigade ihre Stellungen fluchtartig verlassen hatte. Moskaus Verbände konnten daraufhin die Siedlung Otscheretyne nach schweren Kämpfen zuvor um die Dörfer Berdychi, Stepowe und Krasnohorivka regelrecht überrennen.

Die Ukrainer konnten der personellen und materiellen Übermacht in dieser Gegend unter Artillerieunterstützung nur wenige Bradley-Schützenpanzer entgegenstellen, was Videos bei X dokumentierten. Bezeichnend: „Die größte Konzentration von Personal, Waffen und allen verfügbaren Ressourcen konzentriert sich jetzt auf die Pokrowsker Front“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj laut der Online-Zeitung Ukrainska Pravda. Selenskyj zufolge sei die Eroberung der Stadt Pokrowsk das wichtigste Ziel der russischen Armee in dieser Kriegsphase.

Sitz des ukrainischen Oberkommandos im Osten: Kramatorsk. Im Vordergrund ist der Kulturpalast zu sehen.
Sitz des ukrainischen Oberkommandos im Osten: Kramatorsk. Im Vordergrund ist der Kulturpalast zu sehen. © IMAGO / Depositphotos

Pokrowsker Front im Donbass: Wladimir Putins russische Truppen rennen an

Zuletzt soll es sogar 55 russische Angriffe auf besagte Pokrowsker Front gegeben haben, wie der Generalstab aus Kiew mitteilte. Bittere Verluste werden von Putins Kreml-Regime auch diesmal wohl billigend in Kauf genommen. Bachmut, Awdijiwka, jetzt Pokrowsk – es ist nur ein Beispiel unter vielen für die so bezeichnete „Fleischwolf“-Taktik des Moskauer Zirkels.

Mit fatalen Folgen: Wie das kremlkritische unabhängige russische Online-Portal Meduza Ende Juli berichtete, wurden seit Februar 2022 bis Ende Juni 2024 in dem blutigen Konflikt angeblich nachweislich mindestens 120.000 russische Soldaten getötet. Und wie das britische Verteidigungsministerium kürzlich schrieb, wurden einzig im Mai und im Juni 2024 nach Schätzungen aus London 70.000 russische Soldaten getötet oder verwundet.

Ukraine-Krieg: Kiew gibt Front-Dörfer Urozhaine und Staromajorske auf

Während die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) auch in ihrem Lagebericht zum 1. August russische Vorstöße auf breiter Front vor Pokrowsk vermeldete, mussten die Ukrainer auch weiter südwestlich an der Grenze zur Region Saporischschja unter schweren Verlusten die lange umkämpften Frontdörfer Urozhaine und Staromajorske aufgeben. (pm)

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