Weilheimer „Hochzeitskapelle“ verzückt in Japan

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. Weilheim

Kommentare

Von Fotografin Rinko Kawauchi ist das Bild auf dem Cover des Albums „The Orchestra In The Sky“ von „Hochzeitskapelle & Japanese Friends“. © Alien Transistor

Vielleicht ist es genau die Musik, die unsere Welt gerade braucht: Von Begegnung und Respekt kündet das neue Album der „Hochzeitskapelle“ um die aus Weilheim stammenden Brüder Markus und Micha Acher. Entstanden ist es mit Freunden in Japan. Hörer und Kritiker sind verzückt von den Klängen.

Weilheim – Es ist nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten über die musikalischen Aktivitäten der in Weilheim aufgewachsenen Brüder Markus und Micha Acher. Mit „The Notwist“ haben sie den Namen ihrer Heimatstadt weltweit bekannt gemacht –als Synonym für kunstvolle Indie-Popmusik. Aber „Notwist“ ist ja quasi nur die Spitze des Eisbergs, die berühmteste der vielen Bands, in denen die Achers spielen. Da gab und gibt es noch das „Tied & Tickled Trio“ und „Village of Savoonga“, „Ms. John Soda“, „Lali Puna“ und „3 Shades of Blues“, „Ogonjok“, das „Alien Ensemble“ und „Rayon“. Auch mit den „New Orleans Dixie Stompers“ ihres Vaters Julius Acher treten sie immer wieder auf.

Die „Hochzeitskapelle“ bekam auch schon den Deutschen Filmpreis

Dagegen sollte ihre „Hochzeitskapelle“, 2012 ganz privat für Markus Achers Hochzeitsfeier gegründet, eigentlich eine Eintagsfliege sein. Doch das fröhliche Zusammenspiel der Brüder mit Bratscherin Evi Keglmaier, Posaunist Mathias Götz und Banjo-Virtuose Alex Haas, ihre fein-versponnenen Versionen von Lieblingsstücken aus aller Welt, von Francoise Hardy bis „Moondog“, steckten viele an. Es folgten immer mehr Auftritte – und drei hochgelobte Alben. Im Moment ist die „Hochzeitskapelle“, die nebenbei auch noch den Deutschen Filmpreis erhalten hat (2019 für den Soundtrack zu „Wackersdorf“), für Musikjournalisten gar das Top-Thema aus dem Acher-Kosmos. Der „Musikexpress“ schwärmt von einem „berauschenden“ Sound, „den wir so noch nicht gehört haben“. Das TV-Magazin „Druckfrisch“ im Ersten lobt ihre „unverschämt direkte Musik“ und konstatiert: „Ihr Ziel ist nicht weniger als den Geist der Musik den geistlosen Arenen, der digitalen Perfektion und den Downloadplattformen wieder zu entreißen. Heldenhaft.“

Gruppenbild bei Aufnahme-Session der „Hochzeitskapelle“ in Japan mit befreundeten Musikern der japanischen Independent-Pop-Szene
Gruppenbild bei einer der Aufnahme-Sessions im November 2022 in Japan: Die „Hochzeitskapelle“ (vorne, v.l: Alex Haas, Markus Acher, Micha Acher, Evi Keglmaier und Mathias Götz) mit befreundeten Musikern der japanischen Independent-Pop-Szene. ©  Koji Saito

„Das ist einfach unfassbar tolle Musik“

Grund für den Jubel ist das jüngste Album, das die „Hochzeitskapelle“ zusammen mit Freunden aus Japan eingespielt hat – und zwar in Japan. Zwei Aufnahme-Sessions im November 2022 in Tokyo und in Kobe mündeten in die soeben veröffentlichte Doppel-CD „The Orchestra In The Sky“. Für die insgesamt 24 Stücke tat sich das Quintett mit bedeutenden Stimmen der japanischen Independent- und Underground-Popmusik zusammen, etwa den „Tenniscoats“, der Singer-Songwriterin Yuko Ikema oder der Blechbläsercombo „Zayaendo“. Mit deren Kompositionen und Arrangements entstand eine „temperamentvolle Sammlung himmlischer Popsongs, intimer Folk-Melodien, fröhlicher Blechbläser, tief weinender Streicher und ohnmächtiger Seufzer“, wie die Plattenfirma treffend zusammenfasst.

Micha Acher, der hier Sousafon (eine Form der Tuba) spielt, ist 15 Monate später immer noch verzückt von den Begegnungen und vom gemeinsamen Musizieren mit den rund 30 Kollegen in Japan: „Das ist einfach unfassbar tolle Musik und es sind so wahnsinnig nette Leute“, sagt der 52-Jährige im Gespräch mit der Heimatzeitung. Die Fünf von der „Hochzeitskapelle“ hätten sich in Tokyo und Kobe „total wohlgefühlt, auch wenn die Verständigung manchmal schwierig war“. Die menschliche Wärme, die die Sessions trug, ist auf den beiden Platten hör- und spürbar – in mal schwermütigen, mal leise wegdriftenden, mal freakigen Stücken.

Markus Acher ist gefragter Experte für japanische Indie-Musik

Die Japanliebe und -kennerschaft der Achers hat sich über Jahre entwickelt. Markus Acher (56) ist, wie es der jüngere Bruder ausdrückt, „ein totaler Spezialist für japanische Indie-Musik“; er hat hierzulande bereits mehrere Sampler mit alternativem Pop aus Japan zusammengestellt. Auch zum Münchner „Alien Disko Festival“, das die Acher-Brüder kuratieren (früher in den Kammerspielen, jetzt im Volkstheater), holen sie stets Bands aus Fernost. Übrigens bereiten die beiden gerade auch eine „Alien Disko“ im österreichischen St. Pölten vor. „Pop und Avantgarde aus den entlegensten Winkeln der Musikwelt“, so wirbt das dortige Kulturfestival „Tangente“ für diese Premiere. Und fügt an: „Klar, dass dabei ein Auftritt von ,The Notwist’ nicht fehlen darf!“.

Zurück zur „Hochzeitskapelle“ und ihren japanischen Freunden: Der „Zündfunk“ des Radiosenders Bayern 2 hat „The Orchestra In The Sky“ kürzlich zum „Album der Woche“ gemacht – weil es „große Kunst und gleichzeitig die Dokumentation eines besonderen Kulturprojekts“ sei. „Wir spüren diese Magie der Sessions“, schreibt das „Zündfunk“-Team dazu und zeigt sich berührt vom „gegenseitige Zuhören und aufeinander Eingehen“. Es ist wohl wirklich genau das, was die Welt gerade braucht.

Das Album

„The Orchestra In The Sky“ von „Hochzeitskapelle & Japanese Friends“ ist erschienen als Doppel-CD und -LP bei Alien Transistor/Morr Music. Mehr Info: hochzeitskapelle.bandcamp.com

Auch interessant

Kommentare