Die Fakten am Morgen
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Kommen wir vom Stadtbild zum Standort. Finanzminister Lars Klingbeil ließ es sich beim Gewerkschaftskongress der IG Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) diese Woche nicht nehmen, die Wirtschaft zu mehr Vaterlandsliebe zu animieren.
„Ein bisschen mehr Standortpatriotismus kann ich mir von dem einen oder dem anderen in der Unternehmensführung schon wünschen“, dozierte er. Die Regierung sorge schließlich dafür, dass die Wirtschaft „wieder stärker werden“ könne. Die sei deshalb in der Verantwortung, Standorte zu erhalten.
Unternehmen sind regional verwurzelt
Es klang fast so, als ob Firmen aus Lust und Laune abwandern, nicht etwa, weil sie dazu gezwungen sind. Bestimmt lassen sich Betriebe, die ausbilden, lokale Vereine finanzieren und das Know-how ihrer Belegschaft schätzen, allzu gern von Klingbeil belehren. Noch mehr Sympathie haben sie wohl nur für Arbeitsministerin Bärbel Bas und ihr Tariftreue-Gesetz (von der Wirtschaft liebevoll Anti-Wachstumsgesetz genannt).
Ironie beiseite. Wer mit Wirtschaftslenkern spricht, merkt, wie regional verwurzelt die meisten sind. Und wie sehr sie im internationalen Wettbewerb leiden, weil ihr eigenes Land (und die EU) ihnen Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten plus Lieferkettengesetz zwischen die Beine wirft.
Arbeitsplätze ohne Wertschöpfung
Allein 325.000 Arbeitsplätze, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, mussten seit der Ampel geschaffen werden, um die Bürokratie zu bewältigen – also ohne Wertschöpfung. Und ohne Gegenleistung, denn behördliche Genehmigungsverfahren kennen meist nur Kriechgeschwindigkeit.
Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) unter fast 1100 Betrieben zeigt nun: 84 Prozent der Unternehmen sehen sich auch durch kaputte Straßen behindert.
Bremsklotz Infrastruktur
Aus dem einstigen Standortvorteil Infrastruktur sei „ein Bremsklotz geworden“, so das IW. Das Sondervermögen könne zwar die Verkehrswende bringen. Doch diese Milliarden dürften nicht in den Löchern der Sozialkassen versickern.
Womit wir wieder bei Klingbeil und Bas wären. Die Staatsquote wächst, die Wirtschaft stagniert. In seiner Rede aber lobte Klingbeil die Regierung dafür, bei „der Dokumentation, der Regulierung und der Bürokratie schon einiges abgebaut“ zu haben.
Überheblichkeit mit Ansage
Als ob man stolz darauf sein könne, dass EU-Richtlinien nun 1:1 umgesetzt werden sollen, ohne deutsche Bonus-Bürokratie – anstatt in Brüssel auf Deregulierung zu drängen. Als ob man dankbar sein müsse, weil Schwarz-Rot eine jährliche Berichtspflicht in eine zweijährige umwandelt – anstatt sie zu entsorgen.
Standortpatriotismus braucht Standortvorteile – die seit Jahren schrumpfen. Wenn die Regierung hier liefert, kann sie auch wieder fordern. Noch hat da aber offenbar jemand den Schuss nicht gehört.
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