Naturschützer beklagen: „Der Tegernsee verkommt zum Rummelplatz“

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Die Kite-Surfer mit ihren bunten Segeln auf der einen Seite, die Feuerwerke auf der anderen: Vor allem Wasservögel würden durch die intensive Nutzung des Tegernsees vertrieben, beklagten Naturschützer. © Thomas Plettenberg

Feuerwerke, Kite-Surfer, Massenevents: Naturschützer beklagen, dass der Tegernsee zu einem Rummelplatz für Menschen verkommt. Leidtragende seien vor allem die Wasservögel. Sie würden zurückgedrängt.

Tegernseer Tal - Wie viel Rummel verträgt der vergleichsweise kleine Tegernsee, ohne dass die Ökologie aus dem Gleichgewicht gerät? Für Wolfgang Hiller, seit vielen Jahren zuständig für die Wasservogelzählung im Mangfallgebiet, ist die Grenze des Erträglichen längst erreicht. In einem Schreiben an den Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn (CSU), in dessen Zuständigkeitsbereich der See fällt, spricht er von einer alarmierenden Entwicklung: Seit 2008 habe sich die Zahl der über das Jahr vorkommenden Wasservögel am Tegernsee halbiert, und sie nehme weiter kontinuierlich ab. Für Hiller gibt es dafür mehrere – menschengemachte – Ursachen.

Feuerwerke schrecken Wasservögel auf dem Tegernsee auf

Da wären einmal die Feuerwerke, wie sie erst kürzlich wieder bei den Seefesten gezündet wurden. „Zwei Drittel der Vögel halten sich im südlichen Bereich des Tegernsees auf“, erklärt Hiller. Durch den Feuerschein und die laute Knallerei würden die Tiere dieses Gebiet „fluchtartig“ in Richtung Norden verlassen. Hier wiederum würden sie bei bestimmten Wind- und Wetterbedingungen durch die Kiter „mit ihren leuchtenden Segeln und den neuen, schnellen Wassersportgeräten“ vertrieben.

Bunte Segel der Kiter machen den Tieren zu schaffen

Bekanntlich steigen die meisten Sportler beim Bildungszentrum in St. Quirin in den See. Durch den Schatten, den die großen Segel werfen, würden die Vögel sogar in den Ruhezonen aufgeschreckt, berichtet der Experte. In seinen Augen ist der Tegernsee schlichtweg zu klein, um all die Nutzungen zu verkraften. Hiller findet: „Der See verkommt zu einem Rummelplatz für Menschen und verarmt ökologisch.“ Für heilklimatische Kurorte sei diese keine Werbung. Der Gmunder würde sich wünschen, dass für den Tegernsee endlich geregelte Verhältnisse gemäß den Naturschutzgesetzen geschaffen werden und die Ranger des Landratsamtes dann auch entsprechende Befugnisse bekommen, um bei Zuwiderhandlungen einzugreifen. „Bisher sind diese Probleme ungelöst“, sagt Hiller und sieht die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt in der Pflicht.

Schutzgemeinschaft greift Thematik im neuesten Newsletter auf

Das Tegernseer Tal als Event㈠arena. Auch die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) appelliert seit vielen Jahren gebetsmühlenartig, die Natur nicht als reines Konsumgut zu betrachten, sondern Rücksicht auf Umwelt und Wildtiere in ihrem angestammten Lebensraum zu nehmen. In ihrem jüngsten Newsletter greift die SGT das Thema einmal mehr auf – und legt den Fokus vor allem auf die Feste mit ihren Feuerwerken. Sie schreibt von „in Panik geratenen Wasservögeln und Haustieren“ sowie von Rotwild, für das die Feuerwerke erwiesenermaßen „fluchtauslösend“ seien. „Die nahen Berge verstärken den Hall, das Echo kommt zurück“, heißt es in dem Newsletter. Die SGT bedauert es daher, dass der Trend weg von Feuerwerken und hin zu alternativen Laser-Shows, wie er sich kurzzeitig abgezeichnet habe, im Tal wieder verpufft sei.

Immer mehr Sportgeräte mit E-Antrieb auf dem Tegernsee

Dafür hat sich offenbar ein anderer Trend etabliert. Immer mehr Wasserfahrzeuge auf dem See – seien es nun Boote oder andere Sportgeräte – sind illegalerweise mit Elektroantrieb unterwegs. Unter anderem wurden bereits sogenannte E-Foils gesichtet. Eine Beobachtung, die auch Bürgermeister Hagn gemacht hat. Zur Freude der Schutzgemeinschaft hat der Rathaus-Chef bereits angekündigt, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. „Das Tal ist eben keine Event㈠arena“, schreibt die SGT. Und wie schon Hiller, so betont auch der Verein, dass der Tegernsee solch intensiver Nutzung nicht gewachsen sei: „Der Tegernsee ist ein Kleinod und nicht ein riesiger Bodensee oder Chiemsee.“

Tegernsees Vize-Bürgermeister räumt Problematik ein

Das ist offenbar auch den Verantwortlichen bewusst. „Der Tegernsee ist klein, da ist sehr schnell eine Betroffenheit erreicht“, bestätigt Tegernsees Zweiter Bürgermeister Michael Bourjau (FWG), der aktuell den im Urlaub befindlichen Johannes Hagn vertritt. Bourjau sieht Politik und Behörden durchaus in der Pflicht, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen touristischer Nutzung und Naturschutz.

Die im Brief formulierte Sorge Hillers kann der Vize-Bürgermeister nachvollziehen: Vor allem durch den Ganzjahressport auf dem See seien den Vögeln kaum noch Ruhezeiten vergönnt. Er wäre durchaus dafür, während der Winter- und Brutzeit den Wassersport auf wenige Bereiche zu konzentrieren, sagt Bourjau: „Ich hätte kein Problem damit, wenn der Stadtrat über solche Möglichkeiten diskutiert.“ Er fügt hinzu: „Wir müssen den Tourismus im Auge haben, dürfen ihm aber nicht alles opfern.“ Und Hiller erklärt: „Man kann schon sagen, dass Wasservögel vielleicht nicht das Wichtigste sind.“ Ihr Verschwinden aber sei ein Signal dafür, was am Tegernsee vor sich gehe.

gab

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