„Ukraine stark machen“: SPD-Politiker will mit Nato-Truppen gegen Putins Raketen antreten
Den Fuß in Polen, die Waffen im Himmel über der Ukraine: So sieht für Joe Weingarten effektive Hilfe gegen Russland aus – ohne Kriegspartei zu sein.
Berlin – „Panzer-Toni ist kein schöner Spitzname“, schreibt Stefan Willeke. Die Aussage in Zeit Online stammt von Anton Hofreiter, dem Grünen-Abgeordneten, den als promovierter Biologe das Werden des Leben fasziniert und der sich doch als prominentester Grüner laut für das Gegenteil ausspricht: Waffenlieferungen für die Ukraine – daher der Spitzname. Sogar Taurus-Marschflugkörper sollen das angegriffene Land seiner Meinung nach bekommen. Ein Tritt in die Hacken der Ampel-Koalition: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will gerade mal so viel Unterstützung leisten, um Wladimir Putins Zorn von Deutschland fern zu halten. Aber jetzt stürmt sogar ein weiterer Genosse aus dem Windschatten.
Der SPD-Verteidigungspolitiker Joe Weingarten aus dem Wahlkreis Bad Kreuznach will jetzt deutsche Flugabwehr auf Nato-Gebiet an der Grenze zur Ukraine stationieren, um die Verteidiger effektiver gegen Russlands Invasionsarmee zu unterstützen; darüber berichtet jetzt der Spiegel. Nachdem schon Grünen-Prominente wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck offensiver für Waffenhilfe eingetreten waren, hatte sich auch der SPD-Abgeordnete Michael Roth für ein noch stärkeres Engagement Deutschlands stark gemacht – aktuell ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im ZDF-Morgenmagazin aufgetreten mit der Meinung, der Westen hätte in jüngster Zeit „nicht genügend getan, um die Ukraine bestmöglich zu unterstützen“.
„Leute, die sich damit beschäftigen, sagen, die Strategie ist, die Ukraine immer so halb gar zu unterstützen, bis die Ukraine bereit ist zu verhandeln und große Teile ihres Gebiets preiszugeben.“
SPD-Mann mit neuem Vorschlag: Abwehrsysteme auf westlichem Territorium für Ukraine-Luftraum
Bereits im März hatte Roth im ZDF geäußert, „wir müssen die Ukraine so stark machen, dass es eine Chance gibt, Putin an den Verhandlungstisch zu ziehen“. Die Idee seines Parteigenossen Joe Weingarten wäre vielleicht eine solch „pragmatische Lösung“, wie sie Roth gefordert hat. Weingartens Idee: Die westlichen Waffensysteme – beispielsweise die Patriot-Raketen – bleiben auf westlichem Territorium stationiert und würden lediglich in den ukrainischen Luftraum hineinwirken. So bliebe man sicher als Kriegspartei außen vor und wäre doch aktiv mittendrin. Offenbar hat die russische Offensive gegen Charkiw die Front gegen Scholz verbreitert.
Aufgrund seiner Richtlinienkompetenz hatte der Kanzler eine stärkere Verstrickung Deutschlands in den Ukraine-Krieg kategorisch ausgeschlossen und seine Ampel-Koalition bereits zum Flackern gebracht. „Das wäre ein Spiel mit dem Feuer“, hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich gerade erst dem Tagesspiegel gegenüber geäußert. Damit haben die SPD-Offiziellen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter sich, wie der ARD-Deutschlandtrend Anfang März ergeben hat: Aktuell sind 61 Prozent der Befragten dagegen, dass Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert. Das sind neun Punkte mehr im Vergleich zum ARD-Deutschlandtrend im Morgenmagazin vom August 2023. Nur 29 Prozent (-7) sind für eine solche Waffenlieferung“, wie der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet hat.
Taurus wäre das eine, deutsche Soldaten in der Nähe einer Kampfzone das andere. „Eine Verteidigung des ukrainischen Luftraums durch die Bundeswehr würde uns indes unmittelbar zur Kriegspartei machen und bedürfte eines Mandats des Bundestages“, sagte Mützenich dem Tagesspiegel weiter und schloss eine Zustimmung der SPD als größter der drei regierenden Parteien aus. Ohnehin scheint nur ein kleiner Teil der deutschen Bevölkerung zu glauben, dass Bundeswehr-Soldaten einem solchen Einsatz überhaupt gewachsen wären. Drei Viertel der Deutschen bezweifelt die derzeitige Verteidigungsfähigkeit ihrer Armee, wie eine Civey-Umfrage für Focus online ergeben haben will.
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Verteidigung des ukrainischen Luftraums durch Abwehrsysteme auf Nato-Territorium?
Demgegenüber will das ZDF-„Politbarometer“ mittels Umfrage aktuell belegen können, dass in Deutschland „die Zustimmung zu militärischer Unterstützung der Ukraine steigt“ wie der Spiegel berichtet. Spannend ist, dass eine Unterstützung mit den weit reichenden Taurus-Marschflugkörpern gerade unter den Anhängern der Grünen und der FDP auf breite Zustimmung stößt: Unter den Grünen seien 53 Prozent der Anhänger für die Lieferung, bei der FDP 50 Prozent, schreibt der (BR). Selbst Anhänger der Union seien mit einer knappen Mehrheit von 52 Prozent dagegen.
Die Attacke des Genossen Roth überfordert auch die sonst sehr hemdsärmelig auftretende Liberale Marie-Agnes Strack-Zimmermann; im Tagesspiegel äußerte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses auch Magengrummeln und sprach sich für einen Beratung im Nato-Rahmen aus. „Man dürfe sich jetzt nicht in eine Art ,Selbstabschreckung‘ begeben“, zitiert der Tagesspiegel dagegen den CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter.
Kiesewetter gehört genau wie der FDP-Abgeordnete Markus Faber zur Unterstützer-Crew um den Grünen „Panzer-Toni“ – laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung würden sie alle den Gedanken zulassen wollen, dass die Nato künftig von Polen oder Rumänien aus den ukrainischen Luftraum mit verteidigt. Ganz aktuell ist der Grüne dem Spiegel auch ein Porträt wert darüber, „warum Anton Hofreiter die Politik des Kanzlers für katastrophal hält“: „Hofreiter sagt, darüber könne man nur spekulieren, weil der Kanzler seine Strategie ja nicht offenlege. Dann sagt er: ,Leute, die sich damit beschäftigen, sagen, die Strategie ist, die Ukraine immer so halb gar zu unterstützen, bis die Ukraine bereit ist zu verhandeln und große Teile ihres Gebiets preiszugeben.‘“
Joe Weingarten würde das wohl unterschreiben können – immerhin beweist er dem Kanzler mit seiner Idee, dass der Ukraine-Krieg nicht nur das Fundament der Ampel-Koalition erschüttert; Olaf Scholz spürt die Einschläge mittlerweile auch in seiner eigenen Partei. Immer deutlicher. Aktuell hat das österreichische Magazin Profil Olaf Scholz‘ Ukraine-Kurs als „mysteriös“ bezeichnet – und ihm seinen Stempel aufgefrischt: als „Zauderkanzler“.
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