Experten vermuten: Putin beurteilt die Möglichkeiten der Ukraine fundamental falsch

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Vor Armee-Befehlshabern lobte Wladimir Putin am Mittwoch Fortschritte an der Front. Das ISW vermutet, dass er das neue US-Hilfspaket an die Ukraine unterschätze.

Kiew/Moskau – Mit Luftangriffen nahm das russische Militär Russland in einer Großoffensive Charkiw unter Beschuss. Rund 16 Stunden und 30 Minuten erklang der Luftalarm in der zweitgrößten Stadt der Ukraine, bevor er gegen am Freitagmorgen gegen 7.30 Uhr Ortszeit ausgesetzt wurde.

Eine jüngste Einschätzung des in Washington D.C. ansässigen Think-Tanks Institute for the Study of War (ISW) wirft Wladimir Putin aktuell vor, den Nutzen der jüngsten US-Waffenlieferung für das ukrainische Militär zu unterschätzen. Die Waffenlieferungen wurden im April infolge monatelanger Verzögerungen genehmigt. 61 Milliarden Dollar schwer ist das neue US-Hilfspaket für die Ukraine – jedoch gibt es Bedenken daran, ob es zeitnah in der Ukraine eintreffen wird.

Amerikaner hoffen durch Waffenlieferung auf Kehrtwende im Ukraine-Krieg

Die Einschätzung des ISW kommt dabei zu einem Zeitpunkt, zu dem der pensionierte Vizeadmiral der US-Marine Mike LeFever gegenüber dem US-Nachrichtendienst Newsweek erklärte, amerikanische Waffen könnten rechtzeitig in der Ukraine eintreffen, um die russische Dynamik auf dem Schlachtfeld aufzuhalten – obwohl die Ukraine in der Zwischenzeit einige Gebiete verlieren könnte.

Putin spricht hebt vor Militärvertretern „Fortschritten in alle Richtungen“ hervor

In seinem Bericht bezieht sich das ISW auf Äußerungen Putins vom Mittwoch. Dort hatte der russische Machthaber vor Befehlshabern des russischen Militärs erklärt, Russlands Armee habe seine Positionen an der östlichen Front im Ukraine-Krieg verbessert. Zudem seien ukrainische Angriffe erfolgreich abgewehrt worden.

Dies habe Putin veranlasst, eine Bedrohung ukrainischer Gegenangriffe gleich entlang der gesamten Frontlinie herunterzuspielen. Auch deutete Russlands Präsident an, er glaube nicht, die ukrainische Armee werde in der Lage sein, von Russland eroberte Gebiete wieder zu befreien. Und, dass dies Putins Truppen ein schleichendes Vorrücken auf unbestimmte Zeit ermöglichen wird, berichtete das ISW am Mittwoch.

Am Mittwoch sprach Wladimir Putin vor Befehlshabern des russischen Militärs. Dabei lobte er ihre aktuellen Fortschritte „in alle Richtungen“. Ein ISW-Bericht wirft Putin vor, sich im Ukraine-Krieg zu sehr in Sicherheit zu wiegen.
Russlands Präsident Wladimir Putin © IMAGO/Gavriil Grigorov/Kremlin Pool

In der jährlichen Bedrohungsanalyse 2024 („Annual Threat Assessment“) des US-Büros des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste (ODNI) heißt es, Putin glaube, dass die russischen Streitkräfte die ukrainischen Bemühungen um die Rückeroberung bedeutender Gebiete zunichtegemacht hätten. Und, dass die Unterstützung der USA und des Westens für die Ukraine „endlich“ sei.

Neues US-Hilfspaket: Welche Nachteile drohen Kiew bei einer Verspätung der US-Hilfen?

US-Beamte zeigten sich überwiegend zuversichtlich, dass die amerikanischen Waffenlieferungen zeitnah in der Ukraine eintreffen. Sie gehen davon aus, bis Juli könnte dies der Fall sein und es den ukrainischen Streitkräften dann ermöglichen, viele der jüngsten russischen taktischen Erfolge rückgängig zu machen, berichtete die New York Times am Mittwoch.

LeFever, Geschäftsführer des Sicherheits- und Risikomanagement-Unternehmens Concentric, sagte, selbst wenn die Ausrüstung vor der US-Abstimmung in Position gebracht würde, „wird es immer noch Zeit brauchen, um den Logistikzug dorthin zu bringen, und so werden die Ukrainer leider einiges an Territorium verlieren, bis sie den Nachschub bekommen können“, wird er von der New York Times zitiert.

Allerdings räumt LeFever ein: „Ich glaube nicht, dass es zu extremen Gebietsverlusten oder strategisch bedeutsamen Terrainverlusten kommen wird, bevor die Verstärkung wirklich eintrifft, um sie zu unterstützen und in die richtige Position zu bringen“, sagte er gegenüber Newsweek.

Lage in Wowtschansk in der Region Charkiw bleibt weiterhin kritisch

Unterdessen bestätigte das ukrainische Verteidigungsministerium am Mittwoch, russische Streitkräfte seien in die nördlichen Teile von Wowtschansk eingedrungen. Zuvor hatten andere Quellen behauptet, ukrainische Truppen hätten die russische Arme daran gehindert, Fortschritte in Wowtschansk in der Region Charkiw zu machen.

„Geheimdienstlichen Berichten zufolge hat das russische Militär, (...) den Bewohnern nicht erlaubt, die Stadt zu evakuieren: Sie haben damit begonnen, Menschen zu verschleppen und in Keller zu zwingen. Es gibt Berichte über die ersten Hinrichtungen von Zivilisten durch das russische Militär. So versuchte ein Einwohner von Wowtschansk, zu Fuß zu fliehen. Sie weigerten sich, den Befehlen der Angreifer Folge zu leisten, und wurde von den Russen getötet“, schrieb der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko auf seinem persönlichen Kanal auf dem Messengerdienst Telegram.

Die ukrainische Polizei setzt die Evakuierung der Zivilbevölkerung in der Region trotz der Kämpfe fort. Laut dem Generalstab der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Syrskyi, haben ukrainische Streitkräfte den Feind „teilweise aus der Stadt verdrängt“, wird er von Euronews zitiert. Zuvor hatte das ukrainische Verteidigungsministerium gemeldet, dass kleine russische Infanterieeinheiten in den nördlichen Teil von Wowtschansk eingedrungen waren und versuchten, dort Stellung zu halten. (fh)

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