„Wünsche mir mehr Verständnis“: Alleinerziehende Mutter aus Lenggries berichtet vom alltäglichen Kampf
Sophie Kadouma (26) aus Lenggries macht eine Ausbildung und ist allein erziehende Mutter zweier Kinder. Alles unter einen Hut zu bringen, ist eine große Herausforderung.
Lenggries – „Kämpfen, kämpfen, kämpfen“: Das hat sich Sophie Kadouma zum Lebensmotto gemacht – zwangsläufig, denn als allein erziehende Mutter von zwei Kindern, die gerade eine Berufsausbildung absolviert, hat sie gar keine andere Wahl. „Es ärgert mich, dass einem immer wieder Steine in den Weg gelegt werden“, sagt die 26-jährige Lenggrieserin. Einer dieser alltäglichen Kämpfe war für sie zuletzt, für ihre Tochter einen Platz in der Mittagsbetreuung zu organisieren. Auch wenn diese Geschichte doch noch ein glückliches Ende fand, sagt sie: „Ich wünsche mir mehr Verständnis für die Situation Alleinerziehender.“
Ausbildung als alleinerziehende Mutter
Sophie Kadouma ist jung Mutter geworden. Heute sind ihre Tochter sechs, ihr Sohn fünf Jahre alt. Somit steht der kleinen Familie der nächste große Schritt bevor. Im Herbst wird das erste Kind eingeschult. Das bedeutet, dass die Mutter die Betreuung neu regeln muss. „In der ersten Klasse haben die Kinder zweimal pro Woche um 11.20 Uhr Schulschluss, zweimal um 12.15 Uhr und einmal um 13 Uhr“, erklärt Kadouma. Zu ihren Arbeitszeiten passt das nicht.
Die 26-Jährige hat eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten aufgenommen. Denn für sie ist klar: „Mein Ziel ist es, von den Leistungen des Jobcenters wegzukommen.“ Sophie Kadouma will ihr eigenes Geld verdienen „und in Zukunft nicht bei jedem Spielzeug für die Kinder zehnmal überlegen müssen, ob ich mir das in diesem Monat leisten kann“. Außerdem wolle sie ihren Kindern ein Vorbild sein.“ Und es tue gut, in der Praxis nicht nur eine Mama zu sein, sondern in dem Moment „für die Patienten da zu sein“.
Bangen um einen Platz in der Mittagsbetreuung
Kadouma absolviert ihre Ausbildung in Teilzeit mit 30 Stunden pro Woche. An drei Tagen ist sie bis 13.30 Uhr in der Praxis, einmal pro Woche muss sie zur späten Sprechstunde von 14 bis 19 Uhr da sein, einmal hat sie Berufsschule bis 15.45 Uhr. Damit ihre Tochter als Schulkind betreut ist, ist sie also auf die Nachmittagsbetreuung angewiesen, die in Lenggries an jedem Schultag bis 16 Uhr (freitags bis 14 Uhr) angeboten wird. Aber auch das geht nur, weil einmal pro Woche ihre Mutter aus Geretsried kommt, um auf die Kinder aufzupassen, und weil sie in der Berufsschule 15 Minuten früher gehen darf. Der Vater der Kinder wohnt weiter weg und kann bei der Betreuung somit nicht unterstützen.
Der Schritt, ihre Tochter anzumelden, war für Sophie Kadouma also essenziell. Nur unterlief ihr dabei ein Missgeschick. „Ich hatte im Kopf abgespeichert, dass der Anmeldeschluss Ende Mai war – er war aber Anfang Mai.“ Sophie Kadouma war also zu spät dran. „Das war mein Fehler, dazu stehe ich“, sagt sie, fügt aber hinzu: „Die Entscheidung über die Platzvergabe war Ende Mai noch nicht gefallen.“
Platzvergabe in Mittagsbetreuung als „Hochseilakt“
Ein herber Schlag war es für die 26-Jährige, als ihr Ende Juni eine Absage ins Haus flatterte. In ihrer Verzweiflung schrieb sie einen Brief an den Bürgermeister, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Die Lenggrieserin fragte beim Jugendamt um Rat, erkundigte sich nach der Möglichkeit, eine Tagesmutter zu engagieren. „Aber das Jugendamt hat abgeraten, weil Tagesmütter eigentlich nur Kleinkinder betreuen und keine Möglichkeit haben, ein Kind mittags von der Schule abzuholen.“
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Sophie Kadouma war ratlos und hatte eigentlich schon aufgegeben, als sie am 28. Juli doch noch eine Anmeldebestätigung bekam. „Für mich war das wie ein Wunder“, sagt sie. Doch das lange Bangen steckt ihr noch in den Knochen. „Wenn ich höre, dass Familien, in denen sich Mutter und Vater um das Kind kümmern, einen Platz bekommen, denke ich: Die haben es leichter als jemand, der komplett auf sich gestellt ist. Das sollte man abwägen.“
Das passiert auch, wie Rita Knollmann, Leiterin für Soziale Dienste beim Bayerischen Roten Kreuz in Bad Tölz, auf Anfrage versichert. Das BRK ist Träger der Mittagsbetreuung in sechs Gemeinden im Landkreis: Eurasburg, Dietramszell, Schlehdorf, Kochel, Reichersbeuern und eben Lenggries. Hier werden kommendes Schuljahr laut Knollmann 68 Kinder betreut, am buchungsstärksten Tag seien es 66 auf einmal.
Manchmal frage ich mich: Was stellt man mir als Nächstes für Aufgaben? Was werde ich heute wieder im Briefkasten finden?
Bei der Vergabe der Plätze „priorisieren wir wie in der ㈠Kita“, erläutert Knollmann. Vorrang hätten Kinder, die schon im Vorjahr in der Mittagsbetreuung waren. „Sie haben Bestandsschutz.“ Bei den Neuanmeldungen bitte man die Eltern um Angaben dazu, ob sie zum Beispiel allein erziehend sind, ob ein oder beide Eltern arbeiten, wie viele Stunden man arbeitet und mehr. Je nachdem, wo die Betreuung an dringendsten gebraucht wird, würden die Plätze vergeben.
In den vergangenen Jahren habe sich aber etwas verschoben, sagt Knollmann. Es zeige sich, dass es bei praktisch allen Familien, die sich anmelden, dringend sei. „Es ist kaum eine Familie dabei, in der nicht beide Eltern arbeiten.“ Und: Seit zwei bis drei Jahren gebe es Wartelisten. „Das heißt, dass die Plätze erst mal nicht reichen“. Erst mal, das bedeutet aber auch: Es tun sich oft noch Möglichkeiten auf. „Die Eltern melden ihre Kinder im April oder Mai an, wenn sie noch gar keinen Stundenplan haben.“ Bis September würden dann manche feststellen, dass sie die Betreuung kürzer oder an weniger Tagen brauchen.
Jobcenter verlangte, dass junge Mutter Bafög beantragt
So tun sich Lücken auf, von denen die Familien auf der Warteliste profitieren. „Durch dieses Puzzlespiel klappt es bei dem einen oder anderen noch“, sagt Knollmann. „Aber es ist ein Hochseilakt, den wir jedes Jahr vollziehen.“ Man versuche, vieles möglich zu machen, „aber nicht auf Biegen und Brechen. Denn das würde am Ende weder den Kindern noch den Mitarbeitern gerecht.“ Knollmann fügt hinzu: Wer die Anmeldefrist verpasst, müsse leider damit leben, dass er zunächst auf der Warteliste landet. „Alles andere könnten wir den Eltern, die sich pünktlich angemeldet haben, nicht plausibel machen.“
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Sophie Kadouma kann dank des Nachrückverfahrens durchatmen – aber nur in dieser Hinsicht. Denn praktisch täglich lauern neue Herausforderungen. Da war zum Beispiel die Schrecksekunde, als die Landesärztekammer befand, ihr Ausbildungsvertrag erfülle bestimmte formale Anforderungen nicht. Daraufhin stellte das Landratsamt die Übernahme der Kindergartengebühren ein. „Das habe ich nach vier Monaten erfahren.“ Das Jobcenter wiederum, das Sophie Kadoumas Einkommen aufstockt, verlangte kürzlich von ihr, stattdessen doch Bafög zu beantragen, „sonst wird mein Geld gestrichen“. Ein anderes Thema: An der Berufsschule sind in drei Lehrjahren maximal 16 Fehltage erlaubt. Die allein erziehende Mutter hat es aber allein im ersten Jahr schon auf sieben gebracht. „Ich bin ja für drei Menschen krank“, sagt sie und meint damit, dass sie auch zu Hause bleiben muss, wenn es ihren Kindern nicht gut geht.
Alleinerziehende Mutter kämpft für ihre Ziele
Am Ende konnte Sophie Kadouma bisher noch alles regeln. „Aber manchmal frage ich mich: Was stellt man mir als Nächstes für Aufgaben? Was werde ich heute wieder im Briefkasten finden?“ Dabei herrsche doch im Gesundheitsbereich Fachkräftemangel.
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Von ihren Zielen lässt sich die 26-Jährige aber nicht abbringen. „Wenn ich im Sommer 2026 meine Ausbildung abschließe, habe ich automatisch die Mittlere Reife. Ich habe überlegt, danach auf die Berufsoberschule zu gehen.“ Selbst ein Studium schließt sie für die Zukunft nicht aus. Sophie Kadouma wird weiterkämpfen. (ast)