Neue Corona-Varianten breiten sich rasant aus - so entdecken wir sie jetzt früher
- Im Video oben: In diesen Urlaubsländern lauert die neue Corona-Variante
Ob sie nun Nimbus, Stratus oder Omikron heißen – all diese Corona-Varianten haben eines gemeinsam: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sie einsortiert und zu unterschiedlichen Zeitpunkten etwa als "unter Beobachtung" oder auch "besorgniserregend" eingestuft.
Das ist beispielsweise relevant, um einzuschätzen, wie gefährlich das Coronavirus aktuell ist und wie schnell es sich verbreitet - beispielsweise in Urlaubsländern.
Risiko-Potenzial der Corona-Varianten schon drei Monate früher erkennen
Künftig könnte das noch viel schneller gehen als bisher. Forschende unter der Leitung von Alice McHardy, Leiterin der Abteilung Bioinformatik der Infektionsforschung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, wollen der WHO gewissermaßen zuvorkommen.
Wie sie in einer aktuellen Pressemitteilung berichten, ermöglicht die CoVerage-Webplattform eine schnelle, computergestützte Identifizierung und Charakterisierung potenzieller Varianten von Interesse (pVOIs) – und das mit einer Vorlaufzeit von fast drei Monaten, bevor sie von der WHO als besorgniserregende Varianten (VOC) oder als verwandte Variantenkategorien eingestuft werden.
Corona-Klassifizierung der WHO
- VUM, variants under monitoring, Varianten unter Überwachung: Diese Varianten von Sars-CoV-2 werden genau beobachtet. Durch genetische Veränderungen könnten sie sich schneller von Mensch zu Mensch ausbreiten als andere Varianten.
- VOI, variants of interest, Varianten von Interesse: Diese Virusvarianten stellen ein Risiko für die weltweite öffentliche Gesundheit dar.
- VOC, variants of concern, besorgniserregende Varianten: Diese Varianten sind besonders ansteckend und verursachen schwere Krankheitsverläufe. Die Impfstoffe könnten in diesen Fällen eine geringere Wirksamkeit besitzen.
Darüber hinaus sagt die Plattform für die genomische Überwachung des Sars-CoV-2-Virus voraus, wie gut die Varianten die durch frühere Impfungen oder Infektionen erworbene Immunität umgehen können.
Das hat das Team von McHardy in einer umfassenden Analyse, die in "Nature Communications" veröffentlicht wurde, nachgewiesen. Die frühzeitige Erkennung von VOCs sei besonders wichtig für die Impfstoffentwicklung, um den Impfschutz gegen neue Virusvarianten zu gewährleisten.
So funktioniert die Corona-Varianten-Vorhersage
"Wir haben eine neue Analysemethode für CoVerage entwickelt, die dazu beitragen soll, antigene Veränderungen in Virusvarianten besser sichtbar zu machen", erklärt McHardy. Konkret wird eine Matrix verwendet, die auf Beobachtungen aus der langfristigen Entwicklung bestimmter Influenzaviren beruht.
Die Forschenden untersuchen vor allem Veränderungen in einem bestimmten Protein des Virus, dem sogenannten Spike-Protein. Dieses spielt eine wichtige Rolle, weil es dem Virus ermöglicht, sich an menschliche Zellen anzuheften, und weil es ein Hauptziel für Impfstoffe und Therapien ist.
Das CoVerage-System bezieht die relevanten Daten aus der Gisaid-Virusgenomdatenbank, einer Initiative zur gemeinsamen Nutzung von Daten über verbreitete Krankheitserreger wie Influenza, RSV oder Chikungunya. Im März 2024 verfügte Gisaid über mehr als 16,5 Millionen Sars-CoV-2-Sequenzen. CoVerage analysiert die Daten nach Herkunftsland.
Mit Hilfe einer statistischen Methode ermitteln die Wissenschaftler, welche Virusstämme die Immunflucht-Fähigkeit entscheidend verändert haben. Dazu vergleichen sie die Veränderungen im Spike-Protein von Virusstämmen aus einem bestimmten Monat miteinander.
Auffällige Virusstämme, für die eine schnellere Ausbreitung oder eine deutlich veränderte Immunität vorhergesagt wird, werden anschließend auf der CoVerage-Plattform in speziellen Grafiken ("Heatmaps") dargestellt. So können Nutzer auf einen Blick sehen, wann und wo größere Veränderungen im Virus auftreten.
Was die Corona-Varianten-Vorhersage bringt
Die Arbeitsgruppe überprüfte ihre Methode anhand früherer Corona-Varianten und stellte fest: Sie ermöglichte es, Viruslinien bis zu drei Monate vor der WHO-Einstufung rückwirkend als VOC zu identifizieren. "Es war interessant zu sehen, dass die Virusvarianten, die auch von der WHO offiziell als wichtig eingestuft wurden, in unseren Analysen deutlich höhere Werte aufwiesen als andere, weniger beachtete Varianten", erklärt McHardy.
Die Zahlen stiegen in einer klaren Reihenfolge: zuerst für Varianten, die nur überwacht werden (Variants under Monitoring, VUMs), dann für Variants of Interest (VOIs) und schließlich, am stärksten, für die als besonders besorgniserregend geltenden VOC-Varianten.
"Insgesamt unterstreichen diese Ergebnisse, wie gut unsere Methode darin ist, das Auftreten von gesundheitsrelevanten Sars-CoV-2-Varianten mit einem Wachstumsvorsprung effektiv vorherzusagen – lange bevor sie ihre maximale Häufigkeit erreichen oder von der WHO offiziell als besorgniserregend eingestuft werden", fasst die Bioinformatikerin zusammen.
"Dies könnte wertvolle Zeit verschaffen, um eingehende Analysen einzuleiten, die beispielsweise für Impfstoffanpassungen oder gezielte Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Gruppen erforderlich sind."
Mit Pressematerial